Köln – Sebastian Andersson ist schon in Kiel gewesen, zum Beispiel im September 2017. Damals reiste der Schwede mit dem 1. FC Kaiserslautern zum Zweitligaspiel an die Ostsee, zwei Wochen zuvor war er von IFK Norrköping zu seinem Deutschland-Abenteuer aufgebrochen. Nach einer Stunde glich Andersson die Kieler Führung aus, dennoch verlor der FCK 1:2. Eine Niederlage also, doch Andersson war im deutschen Fußball angekommen. Zwölf Tore in 29 von 30 möglichen Spielen erzielte Andersson in seiner Debütsaison. Dennoch stieg Lautern ab.
Am Samstag (18 Uhr) muss Andersson dabei helfen, nicht ein weiteres Mal abzusteigen. Nach dem 0:1 im Relegations-Hinspiel brauchen die Kölner in Kiel einen Sieg, und Andersson soll die Tore schießen.
Im Sommer 2018 wechselte Andersson zu Union Berlin, diesmal stand er in allen 38 Saisonspielen auf dem Platz, traf erneut zwölfmal – und stieg in die Erste Liga auf. Es folgten: 33 Bundesliga-Einsätze, wieder zwölf Tore. Als Andersson im September 2020 zum 1. FC Köln wechselte, hatte er im deutschen Profifußball noch nie ein Spiel wegen einer Verletzung verpasst – und noch nie weniger als zehn Saisontore geschossen.
Bei seinem Kölner Debüt gegen die TSG Hoffenheim traf er zum zwischenzeitlichen Ausgleich, war brandgefährlich. Köln verlor mit viel Pech 2:3, doch der Start hätte schlechter sein können angesichts der turbulenten Transferphase und Anderssons später Verpflichtung.
Köln hatte schon länger damit gerechnet, Jhon Córdoba zu verlieren, der Kolumbianer hatte immer wieder durchblicken lassen, dass der FC seinen Ansprüchen nicht dauerhaft genüge. Doch erst zum Abschluss der Saisonvorbereitung hatte Córdoba einen Verein präsentiert, der die Ablöse für ihn zahlen wollte – und sich zu Hertha BSC verabschiedet. Kurz darauf war Andersson nach Köln gekommen, für rund sechs Millionen Euro. Das sah alles solide aus. Doch dann ging alles schief.
Fünf Monate Pause
In der Woche vor dem ersten Auswärtsspiel foulte Salih Özcan Andersson im Training. Das Drama begann. Immer wieder probierte es der Stürmer, trainierte reduziert, um das Knie zu schonen – und geriet damit in einen Teufelskreis aus Trainingsrückstand und Schmerzen. Ein Eingriff brachte keine Heilung, am 12. Spieltag beim 0:4 gegen Leverkusen sah Andersson aus, als habe sich ein Tribünengast auf den Rasen verirrt: körperlich nicht wettbewerbsfähig. Fünf Monate pausierte er.
Horst Heldt hätte es kommen sehen müssen: Anthony Modeste hatte die Sommervorbereitung verpasst, mit dem Franzosen war nicht zu rechnen gewesen. Simon Terodde hatte sich nach einer enttäuschenden Saison in die Zweite Liga zum HSV verabschiedet; Markus Gisdol hatte dem Stürmer signalisiert, dass er kaum spielen würde, beide Seiten wollten die Trennung.
Fadenscheiniger Kader
Am Tag vor dem ersten Saisonspiel holte Horst Heldt zwar noch den 19-jährigen Nigerianer Tolu Arokodare, der mit 15 Toren in 16 Spielen in der lettischen Liga aufgefallen war. Es war ein spontanes Leihgeschäft ohne finanzielles Risiko, niemand beim 1. FC Köln plante den Nigerianer als Leistungsträger ein. Doch verstellte eine scheinbar besetzte Planstelle den Blick darauf, wie fadenscheinig der Kader zusammengestellt war.
Den größten Fehler begingen die Kölner, indem sie im Winter erneut falsch einkauften. Mit Max Meyer kam ein weiterer Mittelfeldspieler, dabei hatte Köln trotz Jonas Hectors Verletzungsproblemen genug Spieler für diese Position. Die Offensivmisere versuchte Heldt mit Emmanuel Dennis zu beheben, jenem Stürmer, der es zu einer gewissen Prominenz gebracht hatte: Einerseits kursierten Videos seiner beiden Champions-League-Tore für den FC Brügge im Bernabeu-Stadion gegen Real Madrid, jedes für sich ein Fall für das Kuriositätenkabinett, derart ungeschickt hatte der Nigerianer die Bälle ins Tor gestolpert.
Hinzu kam, dass Dennis im Herbst das Champions-League-Spiel bei Borussia Dortmund verpasst hatte: Er war nicht bereit gewesen, in den Mannschaftsbus zu steigen, weil sein Stammplatz wegen der Corona-Maßnahmen nicht zur Verfügung gestanden hatte. Grundsätzlich passte Dennis, ein junger Nationalspieler mit internationaler Erfahrung, der ein paar falsche Entscheidungen getroffen hatte, recht gut ins Profil eines Wintertransfers. Allerdings ist er eigentlich gar kein Mittelstürmer, eher ein schneller Mann für die Flügel. Entsprechend schief ging der Kölner Plan, sich von Dennis retten zu lassen.
Komplettiert wurde das Kaderdesaster, weil Ondrej Duda, ebenfalls neu verpflichtet, den Großteil der Saison auf der falschen Position im Sturm spielen musste. Im Relegations-Hinspiel rieb sich der Ex-Linksverteidiger Jonas Hector als Mittelstürmer auf. Gegen Schalke hatte Sebastiaan Bornauw die Kölner mit seinem Treffer in der 86. Minute in die Relegation gerettet – ein Innenverteidiger.
Sebastian Andersson ist nach Aussage seines Trainers gesund, die Knieverletzung endlich überwunden. Was bleibt, sind die Folgen von fünf Monaten reduziertem Training. In Kiel wird der Schwede noch einmal über alle Grenzen gehen müssen.