Köln – Herr Thielmann, Sie sind zwar gerade erst 20 Jahre alt geworden, zählen aber schon seit fast drei Jahren zum Profi-Team und haben bereits 70 Pflichtspiele bestritten. Ist die Zeit wie im Flug vergangen?Jan Thielmann: Das kann man wohl sagen. Mein Debüt Ende 2019 ist gefühlt schon lange her, seitdem ist viel passiert beim FC und bei mir. Alles ging sehr schnell. Aber mein erstes Spiel ist immer noch in meinem Kopf, diesen Tag werde ich nie vergessen, es war ein unbeschreibliches Gefühl. Heute weiß ich mit jedem Spiel mehr besser, was ich in bestimmten Situationen machen muss und von mir erwartet wird.
Seitdem sind Sie auf sieben verschiedenen Positionen eingesetzt worden. Ist diese Vielseitigkeit nur ein Vorteil, oder würden Sie gerne lieber nur auf einer Position spielen?
Es kann nur von Vorteil sein, wenn man variabel einsetzbar ist. Ich spiele gerne in der Doppelspitze mit einem wuchtigen, bulligen Stürmer, aber ich kann auch auf der rechten oder linken Seite meine Stärken ausspielen.
Würden Sie sagen, dass Ihnen in der letzten Saison endgültig der Durchbruch gelungen ist oder war noch mehr drin?
Mit meinen Einsatzzeiten bin ich absolut zufrieden. Wenn ich fit war, habe ich fast immer gespielt. Vor dem Tor kann und muss ich mich noch verbessern. Aber ich sehe mich auf einem guten Weg, mein Selbstvertrauen ist deutlich gewachsen. So bin ich inzwischen auch in der Lage, mal für die entscheidenden Momente im Spiel zu sorgen.
Mit Ihrer Schnelligkeit und Laufstärke scheinen Sie wie prädestiniert für den Spielstil unter Steffen Baumgart.
Klar, unser laufintensives Spielstil mit dem hohen Pressing kommt mir absolut entgegen. Wir gestalten das Spiel, das war in der Vergangenheit nicht immer so. Der Fußball, den wir spielen, macht nicht nur uns Spielern Spaß, sondern er bereitet auch den Fans Freude. Man merkt, dass einige Teams sich mittlerweile besser auf uns eingestellt haben, aber ich bin zuversichtlich, dass wir rasch neue Lösungen finden werden.
Baumgart lobt Sie auffallend oft. Wie nehmen Sie das wahr?
Das freut mich, aber der Trainer sagt mir auch direkt ins Gesicht, wenn ich schlecht gespielt habe. Ich schätze seine offene und ehrliche Art sehr.
Nach zwei Spielzeiten mit purem Abstiegskampf verlief die letzte Saison mit Platz sieben ganz anders. Wie hat sich das auf Ihr Spiel ausgewirkt?
Wir sind auf der Euphorie-Welle geschwommen, da geht vieles leichter. Da klappen auch Sachen, die vorher nicht funktioniert haben. Es ist einfacher, seine Leistung zu bringen und macht noch mehr Freude.
Sie haben als Profi auch schon mal eine Durststrecke erlebt und bis zu Ihrem Treffer im Januar gegen Hertha fast ein Jahr nicht getroffen. Wie sind Sie damit umgegangen?
In der Jugend hatte ich oft wie am Fließband getroffen. Das war eine ungewohnte Situation, die mich auch beschäftigt hat. Es ist normal, dass man da mal kurz zweifelt. Das Tor war dann natürlich wie eine Befreiung – vor allem im heimischen Stadion. Und es fiel auch für die Mannschaft zu einem absolut wichtigen Zeitpunkt.
Nach Ihrer Verletzung trainieren Sie derzeit noch individuell, scheinen aber auf einem guten Weg. Wie ist der Stand?
Ich kann schon wieder viel machen. In der Vergangenheit hatte ich ja mit einigen, kleineren Verletzungen zu tun, aber keine war wirklich schlimm. In einer oder zwei Wochen will ich spätestens wieder richtig ins Mannschaftstraining einsteigen.
Im vergangenen Jahr sind Sie U21-Nationalspieler geworden. Haben Sie insgeheim auch schon auf die A-Nationalmannschaft im Blick, oder ist diese noch sehr weit weg?
Manchmal kann alles sehr schnell gehen. Das sieht man zum Beispiel bei Salih Özcan. Nach einer überragenden Saison ist er erst A-Nationalspieler für die Türkei geworden und dann zu Borussia Dortmund gewechselt. Diese Entwicklung hätte vor einem Jahr wohl auch keiner so vermutet. Ich bin erst einmal stolz, für die U21 zu spielen. Darauf – und auf den FC – konzentriere ich mich.
Im Sommer 2021 fiel auch eine Doppelbelastung weg, da Sie Ihr Abitur bestanden. Hatten Sie mal überlegt, vorher hinzuwerfen?
Diesen Moment gab es – allerdings auch schon vor meinem Profi-Debüt. Schule war nie mein Lieblingsthema, und als ich dann Profi wurde, war das schon ganz schön stressig. Aber ich wollte das Abitur unbedingt durchziehen, das haben mir meine Eltern auch immer mit auf den Weg gegeben.
Ihre Eltern erzählten mal, dass Sie und Ihr Bruder Peter seit frühester Kindheit FC-Fans sind. Wie kann man nach einem lausigen 1:1 in der 2. Bundesliga gegen Karlsruhe eingefleischter Fan werden?
Das war mein erstes Stadionerlebnis, das vergesse ich nie. Und die Atmosphäre hatte uns gleich gepackt. Mein Onkel hatte ich mich mitgenommen, mein Vater ist ja HSV-Fan. Aber mittlerweile einer mit großen Sympathien für den FC.
Sie kommen aus dem beschaulichen Föhren im Landkreis Trier-Saarburg. Wenn Sie durch Ihren Heimatort spazieren…
…dann fühle ich mich wie ein Dorfkind und einfach daheim. Da kann ich den Fußball-Trubel vergessen und abschalten. Ich wohne ja direkt in Köln, da tut die Ruhe ab und zu ganz gut. Aber Köln ist mittlerweile auch zu einem zweiten Zuhause für mich geworden, hier kann man natürlich mehr unternehmen. Mein Bruder wohnt auch in der Stadt und arbeitet im FC-Internat als Pädagoge. Wir sind sehr eng.
Ihr Bruder und Ihr Vater sind auch ihre Berater. Das ist in der Branche ungewöhnlich und bleibt auch so?
Das bleibt auch erst einmal so. Es ist gut und schön, wenn die Sache in der Familie bleibt. Sie weiß am besten, was gut für mich ist. Sind aber auch meine schärfsten Kritiker. Lob vom Vater höre ich nur nach guten Spielen, nach normalen gibt es da nichts (lacht).
Gab es auch mal eine Anfrage des FC Arsenal?
Gelesen habe ich das, aber das war eine Ente (lacht). Ich stehe bis 2024 beim FC unter Vertrag, der Verein und ich haben gemeinsam große Ziele. Ich lebe beim FC derzeit meinen Traum.
Hatten Sie ein FC-Idol?
Allen voran Jonas (Kapitän Hector, d. Red.), der ja über viele Jahre auch Nationalspieler war. Ich habe zu ihm aufgeschaut und mache das noch heute. Natürlich würde ich gerne eine ähnliche Karriere hinlegen.
ZUR PERSON
Jan Uwe Thielmann, geboren am 26. Mai 2002 in Föhren, spielte in der Jugend für die JSG Hetzerath/Föhren/Bekond und wechselte 2014 zu Eintracht Trier. Im Sommer 2017 schloss sich der Offensivspieler dem 1. FC Köln an und debütierte am 14. Dezember 2019 in der Bundesliga (2:0 gegen Leverkusen). Thielmann spielt seit der U15 für den DFB und ist aktueller U21-Nationalspieler.