Die Konkurrenz verstärkt sich, der 1. FC Köln kann es aber nicht. Dieter Prestin, ehemaliger Spieler des 1. FC Köln, legt ein umfassendes Konzept zur Rettung des Vereines vor. Wie immer gilt es viel aufzuarbeiten.
1. FC Köln Kolumne „Dauerkarte“Keine Langeweile beim 1. FC Köln
Ich kann mir gut vorstellen, dass Mainz mit Nadiem Amiri und Jessic Ngankam zwei kluge Transfers getätigt hat. Nach dem Spiel des FC gegen Frankfurt hatte ich die Kopfhörer im Ohr, um die Interviews bei DAZN zu hören. Ich erinnere mich, wie Steffen Baumgart Ngankam über den Weg lief. Der Kölner Trainer herzte den ehemaligen Junioren-Nationalspieler und sagte etwas wie: „Irgendwann kommen wir doch noch zusammen“, was nicht für die Mikrofone bestimmt, aber gut zu verstehen war, zumal mit Kopfhörern. Könnte also gut sein, dass die Kölner sich neben anderen auch um Ngankam bemüht haben, der aber dann nach Frankfurt ging, um reich und berühmt zu werden.
In diesem Winter hätte Baumgart den Spieler dann tatsächlich nach Köln holen können, doch aus Gründen, die zu schildern hier endgültig jeden Rahmen sprengten, kann und könnte Baumgart keine Spieler mehr zum FC holen. Deswegen spielt Ngankam vorerst für Mainz.Es hat sich insgesamt einiges bewegt in den Kadern der Kölner Konkurrenten, und es wird sich zeigen, wer jetzt Panikkauf ohne Wirkung gewesen sein wird und wer der Retter in der Not. Der 1. FC Köln hat mich in den letzten Jahrzehnten nicht grundsätzlich davon überzeugt, dass Winterzugänge zwingend die Wende herbeiführen. Auf der nach unten offenen Laslandes-Skala fallen mir nicht allzu viele Kracher ein.
Ausnahme Zoran Tosic
Abgesehen natürlich vom unglaublichen Zoran Tosic, den der FC im Winter 2010 von Manchester United auslieh und der dann mit zwei Doppelpacks entscheidend zur Rettung beitrug. Tosic blieb einer dieser Spieler, die anschließend jahrelang genannt wurden, wenn es darum ging, mögliche Zugänge zu handeln. Ein anderer war der unvergessene Rigobert Song, der in der Rückrunde der Saison 2001/02 zwar nachhaltigen Eindruck in der Kölner Abwehr hinterließ, den Abstieg jedoch nicht verhindern konnte.
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In diesem Jahr muss der FC ohne Transfers auskommen, was Fans und manches Medium sehr geschmerzt haben dürfte. Denn Transfergerüchte sind das wärmende Feuer des Winters. Wie oft habe ich in meiner Kindheit alle Hoffnungen in Spieler gesetzt, von denen ich noch nie gehört hatte, jedoch zu wissen glaubte, dass sie mal irgendwo gut gewesen waren und nun in Köln zu alter Form finden würden. Wo auch sonst.
Keine Gerüchte, keine heißen News. Wobei: Hier und da sind mir doch welche begegnet. Wie oft habe ich schon gelacht, wenn im Sommer irgendwelche abstrusen Gerüchte auf irgendwelchen italienischen (kroatischen, serbischen, japanischen, türkischen…) „Transferportalen“ auftauchten, wo von „Transferjournalisten“ Klubs vollkommen wahllos mit Spielern in Verbindung gebracht werden. Offenbar hat manches Portal seine Zufallsgeneratoren nach dem Cas-Urteil nicht aktualisiert – und wirft weiter nun munter Gerüchte mit Kölner Bezug auf den Markt. Diesmal weiß man wenigstens tatsächlich, dass man da nicht hinterher muss.
Keine Langweile am Geißbockheim
Der FC hat den Januar aber auch ohne Transfers ganz gut über die Runden gebracht, nie war es langweilig Zum neuen Jahr kam der neue Trainer. Es folgte ein ordentliches 1:1, ein schlimmes 0:4 und dann wieder ein ordentliches 1:1. Zwischendurch gönnte sich die Vereinsspitze einen Mitgliederstammtisch mit rund 1000 Besuchern, der sechs Stunden dauerte und in Teilen einmal mehr ein Debakel war. Medial gaben sich Kritiker am Zustand des Vereins die Klinke in die Hand: Lothar Matthäus, Christoph Daum, Dietmar „Didi“ Hamann sowieso, auch Lukas Podolski. Und in dieser Woche gab Dieter Prestin einem Reporter der in München erscheinenden „tz“ ein Interview.
Prestin hat genau in der Zeit seine Karriere beendet, als ich begann, mich ernsthaft für den FC zu interessieren. Ungefähr in der Phase Daum I. war das, als der FC also mit Littbarski, Häßler, Thomas Allofs und Flemming Povlsen angriff, Bodo Illgner im Tor stand und sich Nationalspieler wie Armin Görtz und Stephan Engels oder die späteren Weltmeister Paul Steiner und Jürgen Kohler ums Grobe kümmerten. Prestin spielte da in der Wahrnehmung eines Elfjährigen keine größere Rolle, aber er war da, und ich habe ihn wohl oft spielen sehen. Obgleich zu sagen ist, dass ich von meinem Dauerkartenplatz auf Stehplatz-Mitte (Eingang 31) eine ganze Kindheit lang nichts gesehen habe außer den Rücken der Leute, die vor mir standen.
Wortmeldung aus Oberbayern
Jedenfalls hat sich Dieter Prestin aus Oberbayern (nein, nicht aus DEM Oberbayern. Einfach aus Oberbayern) zu Wort gemeldet und ordentlich zugelangt. Dem Vorstand fehle es an Fußballkompetenz, die Klubspitze habe das Desaster Cas-Urteil mit nicht zu überbietender Arroganz verursacht. Für Prestin sei klar: „In der freien Wirtschaft wäre das Problem relativ schnell gelöst: Hier sind die Schuldigen – und weg damit.“
Nun ist „weg damit“ stets eine schmissige Formel, und angesichts der Bilanz spricht wohl tatsächlich nur noch für den Verbleib der drei Vorstände, dass man den Verein nicht einfach so zurücklassen kann. Das Präsidium hat sich in den vergangenen viereinhalb Jahren vor allem durch Strukturreformen und Konzeptpräsentationspressekonferenzen hervorgetan und verantwortet derzeit das schlechteste sportliche Abschneiden der Kölner Bundesligageschichte. Und selbst wenn der Vorstand weder auf dem Platz steht noch vor der Trainerbank und auch nicht den Kader zusammenstellt, darf man doch sagen: Der 1. FC Köln ist im Profifußball aktiv. Und im Profifußball geht es um sportlichen Erfolg, denn ohne sportlichen Erfolg ist im Profifußball alles nichts. Wenn der sportliche Erfolg so drastisch ausbleibt wie in Köln, gehen einem schnell die Argumente aus. Zumal die Niederlage vor dem Cas auch durch kluges präsidiales Eingreifen zu verhindern gewesen wäre.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat dem FC-Vorstand vor zwei Wochen in ihrer Wochenend-Ausgabe einen zwar freundlich formulierten, aber insgesamt vernichtenden Artikel gewidmet. Präsident Werner Wolf wurde als Führungskraft porträtiert, die nicht führt und auch nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Vizepräsident Carsten Wettich wurde der bundesweiten Leserschaft als Anwalt vorgestellt, der die Niederlage vor dem Internationalen Sportgerichtshof orchestriert hat. Dass Vize Eckhard Sauren mit keinem Wort erwähnt wurde, ließ dabei die Frage offen: Sollte er enttäuscht sein darüber? Oder doch eher froh.
Seltsames Vorgehen
Nun also Dieter Prestin, der sich für den 9. Februar mit Werner Wolf zum Austausch verabredet hatte. Er habe ein 40-seitiges Konzept geschrieben, aus dem hervorgehe, wie der 1. FC Köln zu retten sei. Abgesehen davon, dass ich mich im FC-Kontext derzeit eher wenig für Konzepte begeistern kann, fand ich den gesamten Vorgang durchaus bedenklich: Erst meldet sich Prestin beim Präsidenten, um dem zu sagen: „Guten Tag, hier ist die Opposition, ich wollte Ihnen gern mal präsentieren, wie ich mir den Verein so vorstelle, nachdem ich ihn von Ihnen befreit habe.“
Dass Wolf sich darauf überhaupt einließ, erscheint mir schon wieder auf sehr vielen Ebenen seltsam ungelenk. Dass Prestin dann den Vorstand frontal angeht, um anschließend im Gespräch mit unserer Zeitung zu sagen, dass er sich jetzt schon vorstellen könne, dass der Termin platze, fand ich dann schon wieder sehr unterhaltsam. Noch besser war, dass Wolf dann die ganze Sache umgehend abräumte, indem er Prestin öffentlich und offiziell auslud. Womit der Präsident absolut recht hatte und sogar taktisch überzeugte. Denn für die Medien wäre es natürlich viel lustiger gewesen, hätte am ersten Tag Prestin bei uns in der Zeitung geholzt und der Präsident erst am nächsten Tag mit der offiziellen Ausladung reagiert. So kam wie so oft beim 1. FC Köln alles auf einmal. Oder anders formuliert: Ein ganz normaler Tag im Büro.
Einer meiner absoluten Lieblingskollegen schrieb mir gestern Abend, der „anstehende Spieltag wäre von den Paarungen her eigentlich perfekt, um Boden gutzumachen und den kleinen Vorsprung zu erhöhen. Müsste man nicht selbst ein Spiel gewinnen…“ Dem würde ich mich anschließen. Und einmal mehr den wunderbaren Hanspeter Latour zitieren, den ehemaligen FC-Trainer aus dem Berner Oberland: „Jede Serie beginnt mit dem ersten Sieg.“ Das sagte Latour im Winter 2006. Der Rest ist Geschichte.