Der Linksverteidiger hat sich im Kölner Ensemble festgespielt und bekleidet nun eine offensivere Rolle als zuvor. Pacarada spricht auch über die Rückschläge in der FC-Saison.
Leart Pacarada„Das fühlte sich an, als wollte man alles kurz und klein hauen“
Herr Pacarada, Sie sind mit 22.000 Zweitliga-Minuten der zweit-erfahrenste aktive Profi im Unterhaus. Und damit also ein Kenner der Liga. Wo steht der 1. FC Köln also in der Zweiten Liga?
Leart Pacarada: Es ist gerade am Anfang der Saison oft vom wertvollsten Kader der Liga gesprochen worden, wichtige Spieler sind geblieben, das ist ja ein Fakt. Grundsätzlich ist das bei uns in der Kabine kein großes Thema. Es wäre vermessen, zu glauben, dass man aufgrund von Namen Vorteile hätte im Kampf um den Aufstieg. Das ist nicht so leicht, wie viele glauben. Ich hatte tatsächlich vor der Saison ein paar Gespräche mit Kollegen, die noch nie in der Zweiten Liga gespielt hatten, denen habe ich schon auch gesagt: Macht euch auf etwas gefasst.
Wie gehen Sie mit dem Druck um, schnellstmöglich aufsteigen zu müssen?
Das belastet uns als Team nicht weiter. Wir sind von unserer Qualität absolut überzeugt, obwohl wir nicht mit der Selbstverständlichkeit in die Saison gegangen sind, jetzt jedes Spiel zu gewinnen. Solche Erwartungen wurden von außen hereingetragen. Damit muss man als Spieler beim 1. FC Köln aber umgehen können.
Gegen Karlsruhe haben Sie vier Tore in einer Halbzeit vorbereitet. Daraus könnte man schließen, dass es in der Zweiten Liga erheblich einfacher ist für einen Spieler wie Sie.
Vier Vorlagen, das war schon etwas Besonderes. Aber anfangs konnte ich mich gar nicht richtig freuen, weil ich anschließend vor allem gelesen habe: Der hat vielleicht vier Tore in einer Halbzeit aufgelegt. Aber er hat auch zwei Flanken zugelassen, darum spielen wir 4:4, das ist ja vogelwild. Das habe ich aus dem Spiel mitgenommen. Darum habe ich vielleicht an mancher Stelle das Gefühl, dass es leichter ist in der Zweiten Liga, so ehrlich darf man sein. Aber bestimmt nicht uneingeschränkt.
Wie nehmen Sie Ihre bisherige Saison persönlich wahr?
Zurzeit habe ich das Selbstvertrauen, ich bin im Flow. Bei mir geht es immer sehr um Vertrauen, und das spüre ich. Das hilft mir, weil es mich auch motiviert, es zurückzugeben.
Sie haben durch die Systemänderung eine neue Position. Was bedeutet das für Ihr Spiel?
Die Position ist ein bisschen anders. Ganz grundsätzlich gibt es der Mannschaft ein gutes Gefühl, wenn Dinge, an denen man unter der Woche arbeitet, dann im Spiel funktionieren. Aber wir haben zuletzt Dinge angesprochen und umgesetzt, die mir persönlich sehr viel wichtiger waren als die Systemfrage.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel, wie wir mit einer Führung umgehen. Oder wie intensiv wir als Mannschaft spielen wollen. Dass wir das verändert haben, war für mich wichtiger als der Systemwechsel.
Intensität ist ein Leitmotiv Ihrer Saison. Wie erhöht eine Mannschaft die Intensität?
Indem wir miteinander reden. Wir haben in dieser Saison einige gute Spiele gemacht, in denen wir auch gezeigt haben, was es ausmacht, wenn wir unsere Tugenden auf den Platz bringen. Die Intensität, die Aggressivität. Beim Pressing ist es einfach entscheidend, dass alle voll mitziehen, ansonsten bricht alles zusammen wie ein Kartenhaus.
Linksverteidiger oder Schienen-Spieler?
Linksverteidiger einer Vierer- oder linker Schienenspieler vor der Dreierkette – welche Position gefällt Ihnen besser?
Genau dieses Gespräch habe ich vor einer halben Stunde mit Elias Bakatukanda geführt, der in der Kabine neben mir saß und mich dasselbe gefragt hat. Dass ich ein offensiv denkender Verteidiger bin, ist ja jetzt kein Geheimnis mehr. Da hilft es mir, eine gewisse Sicherheit im Rücken zu haben, wenn hinter mir noch drei Hünen stehen. Andererseits bin ich schon auch ein Spieler, der sich über ein sauberes Passspiel definiert, über das Auflösen von Pressingsituationen und das Aufbauspiel von hinten. Das ist bei der Dreierkette etwas weniger der Fall, weil ich sehr viel weiter vorn stehe.
Im Spiel bei Hertha BSC waren Sie und rechts Jan Thielmann tief in der gegnerischen Hälfte und sehr nah der Außenlinie postiert, wenn das Spiel aufgebaut wurde.
Ja, genau. In beiden Systemen gibt es Faktoren, die ich gern mag. Ich habe beide Positionen oft gespielt, es ist wirklich fifty-fifty.
Die Wege sind etwas länger in einem System mit Dreierkette…
Die gehen von hier nach Meppen (lacht). Vor allem sind es Wege, die sich alle im intensiven Bereich abspielen, weil man immer wieder schließen muss. Das ist nicht ohne, macht aber auch Spaß. Denn immerhin: Wenn man die Wege nach vorn macht und den Ball erobert, hat man auch einen kürzeren Weg zum Tor, das ist ein Vorteil. Es ist ein Teil unseres Spiels, den ich verinnerlich habe: Wenn ich darüber nachdenke, mal einen Weg auszulassen und durchzuschnaufen, wird mir sofort bewusst, dass ich einfach nicht stehenbleiben darf. Weil es sonst nicht funktioniert. Man kommt also gar nicht auf die Idee.
Welche Rolle hat der Torwartwechsel gespielt? Es gab Berichte, der Anstoß dazu sei aus der Mannschaft gekommen.
Jeder weiß, dass wir zwei hochveranlagte Torhüter haben. Jeder Verein wäre gerne in solch einer Situation. Für Jonas ist es eine harte Entscheidung, aber wir sind im absolut dreckigen Fußballgeschäft, da laufen die Dinge einfach so. Daran muss man sich gewöhnen. Jonas ist ein sehr geerdeter Junge, sehr reif für sein Alter. Er wird daran wachsen. Und ich kann definitiv versichern, dass der Anstoß dazu nicht aus der Mannschaft kam.
Sie haben in Berlin den Pass zu Tim Lemperles erster Schuss-Chance gegeben. Hätte die Aktion nicht ein Tor verdient gehabt?
Ich habe den Pass später im Video noch einmal gesehen und würde sagen, dass der schöner aussah, als er war. Wobei ich nichts gegen einfache Drei-Meter-Pässe habe, wenn der Stürmer dann den Rest erledigt und ein Tor dabei herauskommt (lacht).
Das Tor hat dann eine Viertelstunde später Dominique Heintz mit dem Pass der Saison vorgelegt. Haben Sie anschließend darüber gesprochen? Traumvorlagen mit dem linken Fuß sind ja eigentlich Ihr Job.
Heintzi hat auch einen sehr feinen Fuß. Einen Zauberfuß, wie ich jetzt gelesen habe! Aber es stimmt natürlich, Heintzi kann schon kicken. Ernsthaft: Wir alle wissen, dass er solche Pässe spielen kann. Und dann macht Tim einen überragenden Laufweg, Tor. Das war eine Schablone, an der Aktion haben wir gearbeitet und sie ist dann genau so umgesetzt worden, wie wir uns das ausgemalt hatten und wie sie sich der Trainer vorgestellt hatte. Wie Tim den dann rein macht, top.
Tim Lemperle ist zurzeit besonders auffällig.
Mal ganz pauschal: Er ist in erster Linie Stürmer und wird an Toren gemessen, und er macht ja zurzeit auch seine Tore. Aber seinen wirklichen Wert für uns als Mannschaft sieht man erst, wenn man wirklich darauf achtet, was er macht, wenn er nicht am Ball ist. Das sieht man am Fernseher wahrscheinlich gar nicht. Die tiefen Läufe, das Entgegenkommen, die Arbeit gegen den Ball. Das ist schon eine Hausnummer. Das erkennt man als Mitspieler auch an: Wie er sich wirklich von einer Woche zur nächsten entwickelt, immer sauberer wird und auch immer torgefährlicher. Weil er auch Räume sieht, die andere nicht sehen.
Die Liga ist sehr eng, der letzte Spieltag ist auch mit Blick auf die Tabelle sehr gut gelaufen für den 1. FC Köln. In welche Richtung blicken Sie gerade?
Tabellarisch gesehen war das 1:0 in Berlin gut, aber ich glaube trotzdem, dass wir noch nicht in einer Phase sind, in der wir nach jedem Spiel auf die Tabelle schauen sollten. Das Gefühl von Siegen, gerade von so einem großen Sieg wie in Berlin – das hat trotzdem einen Effekt. Diese Stadt hat die Gabe, dir einen unglaublichen Schub zu geben, wenn es läuft. Das erlebt man wahrscheinlich in keinem anderen Verein. Man sehnt sich schon allein deshalb nach Siegen, weil einem dieser Klub dann so viel geben kann: An Selbstvertrauen, an ganz grundsätzlich positivem Gefühl. Das ist viel wichtiger als die Punkte in der Tabelle. Selbst nach nur zwei Siegen jetzt haben wir auf dem Trainingsplatz ein Gefühl von Aufschwung.
FC-Profi Leart Pacarada über Rückschläge: „Fühlte sich an, als wollte man jetzt alles kurz und klein hauen“
Darmstadt und Paderborn waren zwei schwere Schläge.
Die negative Grundstimmung im gesamten Umfeld, auch in den Medien: Das war im Gesamtpaket schon viel. Ich hatte das Gefühl, dass zwei Wochen lang jedes Thema aufgemacht wurde, das zu finden war. Für mich fühlte sich das an, als wollte man jetzt alles kurz und klein hauen. Das ging schon sehr weit.
Sie stammen aus der Region, leben in Köln. Kommen diese Ausschläge dann auch im Privaten bei Ihnen an? Die klassische Situation beim Bäcker?
Man merkt das, klar, der Verein hat einfach unglaublich viele Anhänger. Ich habe allerdings einen ziemlich bösen Freizeitblick, da traut sich niemand, mich anzusprechen (lacht). Aber ich kann dem trotzdem nicht entgehen. Die Leute in meinem engeren Umfeld – das sind alles eingefleischte FC-Fans. Da haben unsere Ergebnisse auf dem Platz schon auch Einfluss darauf, wie die Kommunikation läuft. Im Positiven wie im Negativen. Aber in der Öffentlichkeit werde ich in Ruhe gelassen.
Sie haben noch kein Tor geschossen für den 1. FC Köln.
Ja, das hat leider noch nicht geklappt. Ich habe mir fest vorgenommen, mich in mehr gefährliche Aktionen zu bringen, weil ich gern mal jubeln würde, am liebsten zu Hause. Aber wenn es die anderen machen, ist es für mich auch okay. Mich freuen Vorlagen fast mehr als eigene Tore. Denn bei einer Vorlage freuen sich zwei.