Kölns Trainer appelliert an den 19-jährigen Offensivspieler, über seine Entscheidung noch einmal nachzudenken.
Kölns Top-TalentBaumgart versteht Diehls Entscheidung gegen den FC nicht
Auch Steffen Baumgart, der Trainer des 1. FC Köln, spricht von einer „wegweisenden“ Partie. Wenn der SV Darmstadt, Tabellen-15. der Bundesliga, am Freitagabend (20.30 Uhr, Dazn) das Schlusslicht empfängt, steht bereits am 13. Spieltag enorm viel auf dem Spiel. Beide Teams trennen gerade einmal drei Punkte, die Kölner weisen ein um drei Treffer besseres Torverhältnis auf.
„Gewinnen wir, ziehen wir an Darmstadt vorbei. Verlieren wir, wächst der Abstand. Was zu sehen ist: Keiner dort unten ist weg. Es mag ja sein, dass alle mal punkten. Aber ohne Dreier kommt man nicht von der Stelle. Am Ende muss man Spiele gewinnen, um einen Satz zu machen“, sagt Baumgart und fordert mehr oder weniger einen Sieg von seiner praktisch in bestmöglicher Besetzung auflaufenden Mannschaft am Böllenfalltor ein. Der Abstiegskampf in der Bundesliga werde weiter zwischen sechs, sieben Mannschaften ausgetragen, da ist sich Baumgart sicher. Der Coach spricht von einer großen Spanne in der Liga, Überraschungen seien die absolute Ausnahme. Und prophezeit: „Das Schneckenrennen wird so bleiben. Ich sehe eine Stabilisierung in der Leistung bei meinen Jungs. Trotzdem holen wir keine Punkte. Wir stehen, wo wir stehen, weil wir unsere Möglichkeiten nicht genutzt haben.“
Das kann man so stehen lassen. Zwar haben die Kölner die zehntmeisten Torschüsse in der Liga abgegeben (153), haben mit 1438 Kilometern die viertmeisten Kilometer abgespult. Auch was Sprints und intensive Läufe angeht, zählt der FC zum oberen Liga-Drittel. Die Kölner sind zudem weiterhin die Flankenkönige der Liga (169), doch die Ausbeute entspricht eher der von Bettlern. Nur eine Hereingabe, zum 1:1 in Bochum, führte anschließend zu einem Torerfolg. Ebenfalls nur ein einziges Tor (beim 1:2 in Bremen) fiel nach einer Standardsituation – wenn man die drei verwandelten Elfmeter einmal außen vorlässt.
Alles zum Thema Steffen Baumgart
- „Geht nur noch ins Ausland“ Ex-Profi rechnet mit Steffen Baumgart ab und zieht Köln-Vergleich
- „Steffen wollte nicht aufgeben“ Kuntz äußert sich zu Baumgart-Rausschmiss beim HSV
- Ehemaliger FC-Coach Hamburger SV trennt sich von Trainer Steffen Baumgart
- 2. Bundesliga „Baumgart wirkt ratlos“ – Hamburg mal wieder im Krisenmodus
- „Geliebter Fußballclub“ 1. FC Köln zeigt sich in neuer Doku in schwierigen Momenten
- „Geht mir manchmal auf die Eier“ Baumgart zeigt HSV-Profi Dompé den Mittelfinger und gibt Erklärung ab
- Hamburger SV Steffen Baumgart holt Ex-Kölner ins Team
Das Problem: Aufwand und Ertrag stimmen überhaupt nicht. Bei den Bemühungen kam bisher fast nichts herum. Und deshalb steht der FC da, wo er nun einmal steht. Ganz unten. Die Kölner erzielten nur neun Treffer – Liga-Minusrekord. Die Offensiv-Flaute ist erschreckend. Die sechs eingesetzten Stürmer (Selke, Tigges, Waldschmidt, Uth, Downs und Adamyan, der am Mittwoch wegen Hüftproblemen vorzeitig aus dem Training ausstieg), kommen zusammen auf fünf Tore.
1. FC Köln: Fan-Rufe nach Justin Diehl wurden zuletzt immer lauter
Und weil der 1. FC Köln so schlecht dasteht, vorne so große Probleme und kaum Kreativität hat, wurden zuletzt die Rufe nach einem äußerst vielversprechenden, vielseitigen Offensivspieler immer lauter: Justin Diehl gilt als das größte Talent des Vereins, seine Personalie ist allerdings auch das größte Streit-Thema am Geißbockheim. Über den 19-Jährigen wird derzeit sehr viel gesprochen. Was auch daran liegt, dass Diehl, der bereits im Alter von sieben Jahren zum FC kam, im Regionalliga-Team herausragt und bereits elf Treffer erzielt hat. Fraglos hätte er das Zeug zum Bundesliga-Profi – auch wenn niemand genau wissen kann, wie er den Sprung von der vierten in die Bundesliga bewältigen würde. Und dieser ist ein großer. Man sollte annehmen oder hoffen, dass die Trainer beim FC, die Diehl fast jeden Tag auf dem Platz sehen, dies am besten einschätzen können.
Doch diese Frage stellt sich nicht einmal, da Diehl von den FC-Verantwortlichen degradiert wurde. Sie haben die Entscheidung getroffen, das Talent – Stand jetzt – nicht mehr bei den Profis einzusetzen und zu fördern. Und das hat seinen Grund. Denn Diehl sieht seine Zukunft nicht beim FC. Trotz mehrfacher Angebote will der Offensivspieler seinen am Ende der Spielzeit auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Seine Eltern und sein Management (Rogon) spielen bei dieser Entscheidung sicherlich eine gewichtige Rolle.
Baumgart wurde für die Nicht-Berücksichtigung des vermeintlichen Hoffnungsträgers im Umfeld des Klubs schon deutlich kritisiert – erst recht, weil bei den Profis vorne nichts läuft. Etliche Fans verstehen diese Entscheidung nicht, die von der gesamten sportlichen Leitung getroffen wurde. Sie werfen insbesondere Baumgart Sturheit vor und behaupten, dass dieser ohnehin kein Talente-Förderer sei. Zudem fürchten sie, dass der FC nach Florian Wirtz erneut ein Top-Talent verlieren könnte – auch wenn sich die Situationen nicht vergleichen lassen.
Baumgart lässt sich Schuld für Diehls Situation nicht zuschieben
Baumgart lässt sich die Schuld für die Situation keinesfalls zuschieben. Der Trainer wurde am Mittwoch deutlich: „Es gibt von Justin ein klares Statement, dass er im nächsten Jahr nicht mehr hier arbeiten will“, sagte Baumgart. Der entstandene Eindruck, der FC hätte die Tür zugemacht, stimme so nicht: „Wir haben gar nichts zugemacht. Wenn er das möchte, dann ist meine Tür offen.“ Doch allem Anschein nach möchte Diehl das nicht.
Baumgart versteht nicht, warum sich das große Talent gegen seinen Heimatklub entschieden hat. Und richtete einen Appell an den Spieler, seine Entscheidung noch einmal zu hinterfragen und gegebenenfalls zu revidieren: „Dieser Junge hat zwölf Jahre in diesem Verein gespielt. Er wurde in dieser Stadt geboren. Seit ich hier Cheftrainer bin, war er dabei. Vom allerersten Training an. Daher stellt sich die Frage: Wenn du in einer Stadt aufgewachsen und in einem Verein groß geworden bist: Warum willst du nicht hier zum Bundesligaspieler werden? Ich würde ihn gern zu einem Bundesligaspieler machen. Aber nicht als Gast für ein halbes Jahr.“ Deshalb wolle er sich lieber mit den weiteren Nachwuchsspielern Max Finkgräfe, Damion Downs oder Meiko Wäschenbach beschäftigen, die sich zum 1. FC Köln bekannt haben.
Kein Wechsel des Top-Talents im Winter geplant
Der Trainer stellte indes klar, dass der FC nicht willens ist, den U-20-Nationalspieler noch in der Winterpause abzugeben, um noch eine mögliche Ablöse zu kassieren. „Auf keinen Fall. Wir haben mit ihm die Chance, aus der Regionalliga in die Dritte Liga aufzusteigen. Wir nutzen seine Stärken für uns in der U21.“ Doch die bleiben dem abstiegsgefährdeten Bundesliga-Team indes vorenthalten – sollte es nicht doch noch zu einem Sinneswandel bei Diehl kommen. Baumgart und Co. haben ihren Standpunkt jedenfalls noch mal deutlich gemacht. Zu diesem kam man kommen, ob er der richtige ist, wird sich aber erst zeigen.