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Wiedersehen in OstfrieslandSteffen Baumgart, der Libero mit ganz viel Puste

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Jörg Heinrich (l., früher Kickers Emden) und Steffen Baumgart (einst SpVg Aurich) spielten in Ostfriesland für das Team DDR.

Köln/Emden – Nach dem Abpfiff des Benefiz-„Länderspiels“ in Emden zwischen Ostfriesland und der DDR bildete sich blitzschnell eine Menschentraube um Steffen Baumgart (49). Der Trainer des 1. FC Köln war neben dem 37-fachen Nationalspieler Jörg Heinrich (51) der bekannteste Ex-Profi, der an diesem sonnendurchfluteten Samstagnachmittag an der Waterkant aufgelaufen war. Und er war der begehrteste.

So nahbar, wie man ihn bereits aus Köln kennt, erfüllte er geduldig alle Selfie- und Autogrammwünsche. Auch der speziellen Art. Ein Fan des FC bat Baumgart um eine Videobotschaft für einen Daheimgebliebenen Kölner Anhänger. Baumgart schnappte sich das Handy und legte los: „Hey, Arne! Ich soll für dich ein Video machen. Warum bist du eigentlich nicht hier?“, plapperte der frühere Bundesliga-Stürmer vor laufender Kamera erst bierernst los und konnte sich dann ein Schmunzeln doch nicht verkneifen.

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Für Baumgart war der Trip in der Länderspielpause einer in die eigene Vergangenheit. Eine Zeitreise, die dem Coach sichtlich Freude bereitete. Vor allem, weil er nach so vielen Jahren zahlreiche Weggefährten von einst wiedertraf. „Zu einigen habe ich ja immer noch Kontakt. Aber ich habe ein paar Minuten gebraucht, um alle wieder zu erkennen und die Gesichter zuzuordnen. Aber dann war es fast wieder wie früher. Es hat Spaß gemacht – für uns, aber auch für alle Zuschauer. Und das Ganze alles für einen guten Zweck“, sagte der gebürtige Rostocker Baumgart, der unmittelbar nach der Wende – wie etliche andere Fußballer – die neuen Bundesländer in Richtung Ostfriesland verlassen hatte und vor seiner Profi-Karriere drei Jahre für den SpVg Aurich stürmte und parallel eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker im „Autohaus am Deich“ absolvierte.

Schwächen in der Defensive

In Köln hatte Baumgart zuletzt mit erfrischendem Offensivfußball einige Erfolgserlebnisse erzielt. In Emden stimmte zwar erneut die Torausbeute. Vier Tore auf des Gegners Platz muss man erst einmal erzielen. Doch in der Defensive gab es ein paar Lücken. Baumgart trug die 4:9-Niederlage allerdings mit Fassung. „Glückwunsch an die Ostfriesen! Die waren allerdings im Schnitt zehn, 15 Jahre jünger als wir. Mit 49 war ich bei uns ja fast der Jüngste“, sagte Baumgart, der wie früher als Stürmer begann, dann aber schnell nach hinten wechselte und eine Art Libero spielte. Doch nicht die fehlende Puste sei der Grund für den Positionswechsel gewesen. „Das hat damit gar nichts zu tun, natürlich habe ich die Puste. Ich bin nach hinten gegangen, weil wir keine Lösungen im Aufbau hatten“, entgegnete der Trainer, der erstmals seit fünf Jahren wieder für ein Spiel die Schuhe schnürte. Aus Zeitgründen, wie er anführte, seine Jobs als Profi-Trainer hätten dafür keinen Raum gelassen.

An diesem Tag durfte Baumgart, der beim FC in der Coaching Zone regelmäßig zum Heißsporn wird, allerdings auch mal eine ruhigere Kugel schieben. Der Ehrgeiz war zwar da, doch das Ergebnis nebensächlich. In der Halbzeitpause verlangten beide Teams nach einer Kiste Pils, nach dem Abpfiff trafen sich die Weggefährten von einst im Party-Zelt.

Nahbare Ex-Stars

Jörg Heinrich war sogar mit 40 Kumpels aus seiner Heimat Rathenow angereist, die – natürlich – im Ostblock des Stadions das Team DDR anfeuerten. „Die dachten wohl, dass die Reise nach Hamburg gehen würde. Dann waren sie plötzlich drei Tage in Ostfriesland, waren aber mehr in der Kneipe. Immerhin haben sie mit Fischbrötchen die Rückreise angetreten“, sagte der Organisator und Fußball-Weltenbummler Kai Schoolmann mit einem Schmunzeln, der Heinrich und Baumgart ein Lob aussprach: „Steffen und Jörg waren Stars zum Anfassen. Keine Berührungsängste, total natürlich: So muss es sein.“ Das sei doch eine Selbstverständlichkeit, entgegnete Baumgart: „Für mich gehört das einfach dazu. Das hat auch was mit Respekt zu tun.“

Nur eine Sache empfand der Coach als gewöhnungsbedürftig: das Abspielen der DDR-Hymne vor dem Anpfiff. „Das war nicht so meins, ich habe auch nicht mitgesungen“, klärte Baumgart auf, den spätestens am Montag die FC-Welt wieder hat, wenn er seine Kölner Mannschaft um 11 Uhr zum Training ans Geißbockheim bittet. Die ist unter Baumgart irgendwie auch „auferstanden aus Ruinen“.