Köln – Herr Funkel, nach Ihrem Engagement in Düsseldorf hatten Sie eigentlich schon Ihre jahrzehntelange Trainerkarriere beendet, beim 1. FC Köln sind Sie dann noch einmal schwach geworden. Bestand diese Gefahr auch bei Hannover 96, als der Klub jüngst bei Ihnen angeklopft hatte?
Friedhelm Funkel: Nein, da musste ich nicht lange überlegen. Hannover kam für mich nicht infrage. Auch, weil ich nicht mehr umziehen möchte. Beim FC war es eine ganz andere Situation. Zu Köln habe ich eine ganz andere Beziehung, ich bin dem Verein sehr verbunden. 2002 war ich als Trainer mit dem FC aus der Bundesliga abgestiegen, 2003 konnten wir das mit dem direkten Wiederaufstieg reparieren, doch dann bin ich direkt im Herbst entlassen worden. Ich hatte das Gefühl, dass ich mit dem FC noch nicht ganz abgeschlossen hatte und ich dem Verein in einer sportlich schwierigen Situation helfen konnte.
Nach Düsseldorf war dieses Gefühl weg. Doch dann kam die Pandemie, die auch viele meiner privaten Pläne durchkreuzte. Ich bin nach dem FC-Job wieder auf den Geschmack gekommen und verfolge die ersten beiden Ligen ohnehin permanent. Es ist nicht ausgeschlossen, dass man mich noch mal als Trainer sieht – aber sicher nicht über eine ganze Saison. Aber wenn Not am Mann ist und mich eine Aufgabe reizt, dann will ich gar nichts ausschließen.
Fällt es Ihnen schwer, mit mittlerweile 68 Jahren vom Trainerleben loszulassen?
Was heißt schon loslassen? Ohne Fußball kann ich ohnehin nie. Das wird sich auch nicht mehr ändern. Mein Tagesablauf hat sich jetzt natürlich geändert, dennoch kenne ich keine Langweile. Zum Glück habe ich einen großen Freundeskreis, ich mache zudem dreimal die Woche Sport – altersgerechten (lacht). Ich fühle mich weiterhin fit, noch etwas zu machen.
Ihr bisher letztes Spiel war der 5:1-Sieg in der Relegation in Kiel, mit dem sich der 1. FC Köln noch den Bundesliga-Klassenerhalt gesichert hatte. Denken Sie noch manchmal an diesen Tag zurück?
Ja, zumal man auch überall auf Kölner trifft, die einen daran erinnern. Wie neulich im Robinson-Club auf Fuerteventura. Dessen Entertainment-Manager Timo ist ein riesiger FC-Fan. Ich hatte ihm ein Modeste-Trikot mit allen Spielerunterschriften geschenkt. Wir haben danach zusammen das Derby gegen Gladbach geschaut. Sollte ich doch nicht mehr irgendwo tätig sein, dann war das kurze, aber erfolgreiche zweite Engagement beim FC ein wunderbarer Abschluss meiner Karriere.
Als Sie in Köln einstiegen, schien für viele der Abstieg des FC bereits besiegelt. War das die schwerste Aufgabe Ihrer Laufbahn?
Ja und nein. Ja, weil die Mannschaft eine lange Durststrecke und das Selbstvertrauen verloren hatte und wir die ersten beiden Spiele gleich gegen die Topklubs Leverkusen und Leipzig bestreiten mussten. Nein, weil die Mannschaft größeres Potenzial hat, als sie es zuvor gezeigt hatte und ich nach den ersten Gesprächen mit den Spielern sofort das Gefühl hatte, dass es in der Truppe absolut stimmt und sie intakt ist. Ich denke, der Sieg gegen Leipzig war dann die Initialzündung.
Wenn man jetzt sieht, wie schwer sich Traditionsklubs wie Schalke, der HSV oder Werder in der 2. Bundesliga tun, sollte man dann aus Kölner Sicht noch mehr froh sein, dass der Abstieg gerade noch vermieden werden konnte?
Ich denke, das war der wichtigste Klassenerhalt der Klubgeschichte überhaupt. Die 2. Bundesliga war noch nie so stark und ausgeglichen besetzt. Der wäre ein sofortiger Wiederaufstieg alles andere als ein Selbstläufer geworden. Diese Erfahrung machen jetzt Schalke, Werder, der HSV sogar schon länger. Aber auch aus finanzieller Sicht war der Klassenerhalt ungemein wichtig. Der FC ist nicht auf Rosen gebettet, in der Pandemie hat sich die Situation noch mal verschärft. Ich bin mir sicher, dass es im Vergleich zu den vorherigen Abstiegen viel schwieriger geworden ist, eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen, die sofort den Wiederaufstieg angepeilt hätte.
Wie ist Ihr Kontakt noch zum FC?
Mit Co-Trainer André Pawlak habe ich noch die Tage telefoniert. Zu Busfahrer Michael Liebetrut habe ich seit Ewigkeiten Kontakt. Ich spreche mit Alexander Wehrle, der für mich beim FC ein ganz wichtiger Ansprechpartner war. Dass er jetzt nach Stuttgart geht, ist äußerst schade und für den Verein ein nicht zu ersetzender Verlust. Und Steffen Baumgart habe ich nach der jüngsten Trainertagung getroffen. Er macht einen überragenden Job. Ihm und dem ganzen Trainerteam gebührt ein großes Lob, denn solch eine Saison war nicht zu erwarten. Er lässt nicht nur attraktiven Fußball spielen, sondern hat auch große Stärken in der Mannschaftsführung. Und die ist wichtiger, als den Spielern fünfmal die Taktik zu erklären oder sie zu ewig langen Videoanalysen zu bitten. Das gehört dazu, aber man darf es nicht übertreiben. Steffen ist ungemein empathisch. Du musst Profis auch mal häufiger in den Arm nehmen, ihnen gut zureden. Das kann er. Ich finde es klasse, dass er der Mannschaft jetzt auch länger freigegeben hat. Sie wird es Steffen zurückzahlen.
Sie haben den Klassenerhalt ohne Anthony Modeste geschafft, der nach St. Etienne ausgeliehen war. Hätten Sie ihm dieses Comeback noch zugetraut?
Ich könnte es mir leicht machen und das mit ,ja‘ beantworten. Aber ehrlicherweise hätte ich Tony eine solche Saison nicht zugetraut. Er war ja zuvor leider monatelang nie richtig fit. Und dann kam er mit Markus Gisdol nicht so gut zurecht. Doch Tony konnte im Sommer endlich mal eine komplette Vorbereitung mitmachen. Er hat jetzt die notwendige Physis wieder, um in die Spielsituationen zu kommen, in denen er seine großen Stärken ausspielen kann. Das sensationelle Kopfballspiel und den Torabschluss, das verlernt ein Stürmer seiner Qualität nie. Er profitiert zudem von Spielern wie dem zurückgekehrten Mark Uth oder wie zuletzt von den Flanken eines Kingsley Schindler.
In der Liga geht es eng zu. Was ist für den FC drin?
Ich bleibe trotz der zwei Siege zuletzt dabei, dass der FC irgendwo zwischen Platz acht und zwölf landen wird. Wenn es sehr gut läuft, ist vielleicht die Conference League oder die Europa League drin. Mit dem Abstieg werden die Kölner diesmal gar nichts zu tun haben. Und das ist doch ein riesiger Fortschritt. Allerdings darf ein Modeste nicht ausfallen, das ist für mich die einzige Gefahr. Von seinen Toren ist der FC doch ziemlich abhängig. Mit einem Platz zwischen acht und zwölf wären wohl alle im Klub sofort einverstanden. Nur Steffen nicht, der kann ja nie genug bekommen (lacht).