Ausgerechnet im Keller-Duell bei seiner alten Liebe Union Berlin geht es für Kölns Trainer vielleicht um mehr als nur wichtige Punkte.
Der FC und sein Trainer unter DruckSteffen Baumgart geht offensiv mit der prekären Situation um
Ein Film mit dem Titel „Die Alte Försterei war sein Schicksal“ ist noch nicht gedreht worden. Beim FC gibt es an Bord schließlich auch keine Meuterei gegen den Anführer, aber heftig in Seenot geraten sind sie dann doch, die Kölner. „Die Hauptperson von Köpenick“ – der Titel würde aktuell vielleicht besser passen. Denn ausgerechnet im Kölner Auswärtsspiel (Mittwoch, 18.30 Uhr, Sky) bei seiner alten Liebe Union Berlin wird sich nicht nur ganz viel um Steffen Baumgart drehen, sondern in Köpenick steht für die Mannschaft und ihren Trainer so ungemein viel auf dem Spiel. Kämpft der FC-Coach im Stadion „An der Alten Försterei“ bereits um seinen Job?
Für den Verein aus dem Stadtteil im Südosten Berlins stürmte der 51-Jährige von 2002 bis 2004. In dieser Zeit lernte der gebürtige Rostocker auch seine spätere Frau Katja kennen, die damals den Fanshop der „Eisernen“ leitete. Zudem haben die Baumgarts immer noch ihren Lebensmittelpunkt unweit vom Stadion entfernt. Doch das alles wird im Keller-Duell zwischen dem 15. und dem 16. der Liga eine sehr untergeordnete Rolle spielen.
1. FC Köln: Steffen Baumgarts Mannschaft muss liefern
Denn Baumgart und seine Mannschaft müssen jetzt mal liefern. Erst zwei Siege und mickrige zehn Tore aus 15 Saisonspielen stehen auf der Habenseite, eine große Enttäuschung bedeutete zudem das Pokal-Aus bei Zweitligist Kaiserslautern. Die bisherige Bilanz genügt absolut nicht den Kölner Ansprüchen. Das weiß Baumgart selbst, das sieht auch Sport-Geschäftsführer Christian Keller so. Der nahm das Team und seinen Trainer in die Pflicht, sprach von „nicht ausreichenden“ Resultaten und davon, dass es im Spiel bei Union mit dem Blick auf die Tabelle „elementar“ sei, zu Punkten zu kommen. Auffällig war, dass Keller zuletzt ein Treue-Bekenntnis zum Coach vermieden hatte. Nach dem jüngsten 0:2 in Freiburg wich er der Trainerfrage aus, wollte sie nicht beantworten.
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Während sich andere Trainer in ähnlichen Situationen oft leerer Phrasen bedienen, antwortete Baumgart am Dienstag offen und ehrlich auf Fragen nach seiner Person. Auch wenn es in Berlin schiefgehen sollte, wolle er sich keine Sorgen um seinen Job machen. „So kannst du da auch nicht rangehen. Ich gehe mit dem klaren Gedanken ins Spiel, in Berlin erfolgreich zu sein. Ich kann mir nicht jeden Tag Sorgen um meinen Job machen. Ich muss klar bleiben, muss in meinen Handlungen klar bleiben und ich hoffe, dass ich das bin. Ich muss meine Energie genau auf das richten, was Erfolg bringen kann. Das mache ich. Das ist alles, was zählt.“
FC-Trainer geht offen und ehrlich mit der schwierigen Lage um
Auch auf Fragen zu seinem Verhältnis zu Sportchef Keller ging Baumgart ein, das vielfach höchstens auf eines auf Arbeitsebene reduziert wurde. „Unser Austausch ist wie vorher auch. Es scheint hier immer darum zu gehen, ob Christian und ich gegeneinander arbeiten würden. Doch wir haben einen sehr guten und sehr klaren Umgang miteinander.“ Beim Abschlusstraining vor dem Abflug nach Berlin sah man jedenfalls nichts von einem gegenseitigen Abrücken. Keller verfolgte die Einheit, man lächelte gemeinsam.
Doch Baumgart kennt natürlich die Mechanismen des Geschäfts. Und er weiß: „Wenn du in 15 Spielen zehn Punkte geholt hast – das kann keinen befriedigen. Also musst du alles hinterfragen. Wenn du in der Verantwortung stehst wie ich, musst du damit umgehen. Die Situation ergibt es, dass du über sie und den Trainer diskutierst. Das ist ganz normal und gehört dazu. Ich finde es gut, dass wir uns nicht hinstellen und sagen: Wir gehen hier durch dick und dünn. Es geht hier nicht um Personen, sondern um den FC.“
So geht es nach dem letzten Spiel in diesem Jahr beim FC weiter
Baumgart und Keller haben offenbar auch klar besprochen, wie es nach dem Union-Spiel weitergeht. Es wird zu einer größeren Analyse der Hinrunde kommen. Die gibt es im Prinzip zwar stets, doch diesmal dürfte es noch mehr Gesprächsbedarf geben. „Unabhängig vom Ergebnis in Berlin werden wir danach die Gesamtsituation besprechen“, sagte Baumgart. Zu dieser Analyse wird es nach Informationen dieser Zeitung aber erst nach der kurzen Weihnachtspause kommen. Denn der Trainer bleibt nach der Partie direkt an seinem Erstwohnsitz in Berlin und wird im Anschluss für ein paar Tage in den Skiurlaub nach Österreich aufbrechen. Diese Planung könnte daher dafür sprechen, dass bereits vereinbart wurde, dass Baumgart auch im Fall einer weiteren Niederlage im Amt bliebe.
Der Spielausgang erscheint ohnehin total offen, ein wirklicher Favorit im Duell der punktgleichen Mannschaften ist jedenfalls nicht auszumachen. Die Berliner hatten nach dem unerwarteten Höhenflug in der vergangenen Saison bis in die Champions League ganz sicher auch nicht mit diesem gewaltigen Absturz in dieser Spielzeit gerechnet. Sie schienen sich nach einer verheerenden Niederlagenserie, die in der Entlassung des langjährigen Erfolgstrainers Urs Fischer mündete, zuletzt wieder gefestigt zu haben, erlitten beim 0:3 in Bochum am vergangenen Spieltag allerdings einen herben Rückschlag. Union steht also ebenfalls gewaltig unter Druck.
Es werde Mittwoch an der Alten Försterei „brennen“, war sich Baumgart sicher. Es gehe deshalb weniger um Spielstile, sondern um die Einstellung, den Kampf. „Die Mannschaften stehen gleich in der Tabelle da. Nicht nur von den Punkten, auch von den Toren. Das zeigt, dass beiden der Arsch auf Grundeis geht. Wir müssen dagegenhalten, das ist das Einzige, was zählt“, sagte Baumgart, der Innenverteidiger Jeff Chabot ersetzen muss, der in Freiburg Gelb-Rot gesehen hatte. Entweder Luca Kilian oder Dominique Heintz kommen für Chabot in die Startelf, kündigte der Coach an, der noch weitere Änderungen vornehmen wird. „Es wird noch den einen oder anderen weiteren Wechsel in der Aufstellung geben. Nach dem Spiel in Freiburg geht es auch um Frische und um Kräfte“, sagte Baumgart, der sich im Gegensatz zum „Hauptmann von Köpenick“ nicht verkleiden muss, damit ihm seine Truppe folgt.
Mögliche Aufstellungen:
1. FC Union Berlin: Rönnow – Juranovic, Knoche, Bonucci, Roussillon – Khedira – Becker, Volland, Laidouni, Hollerbach – Behrens.- 1. FC Köln: Schwäbe – Carstensen, Hübers, Heintz, Finkgräfe – Martel, Ljubicic – Thielmann, Uth, Kainz - Selke.