Wenn die Blätter fallen, wurde es am Geißbockheim schon oft ungemütlich.
1. FC Köln in der KriseSteffen Baumgart macht eine neue Erfahrung
Es war Ende Juli, da hatte Steffen Baumgart nach einer starken und einer soliden Saison als Trainer des 1. FC Köln für Außenstehende Erstaunliches von sich gegeben. Sein Ziel in seiner dritten Saison am Geißbockheim sei es, den 11.11., also den Karnevalsauftakt, zu erreichen. Er habe zwar keine Angst um seinen Job, aber man kenne ja das schnelllebige Geschäft. Es war eine Aussage, die viele nicht so ernst nahmen: E Jeckespill – frei nach dem Sessions-Motto.
Anfang November muss Baumgart jetzt nicht um seinen Arbeitsplatz fürchten; der Coach genießt viel Kredit. Doch äußerst ernst ist die Situation schon. In der Tabelle der Bundesliga sind die Kölner mit nur vier Punkten, nur sieben erzielten, aber schon 21 kassierten Toren auf den vorletzten Platz abgestürzt. Am Dienstag gesellte sich beim klassentieferen 1. FC Kaiserslautern nach einem über weiten Strecken desolaten Auftritt noch ein frühes Pokal-Aus dazu, das auch wirtschaftliche Folgen für den finanziell darbenden Klub hat.
1. FC Köln: Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit
Baumgart muss in seinem dritten Jahr in Köln erstmals eine neue Erfahrung machen, die ihm trotz seiner Aussagen nach der Sommer-Vorbereitung sicherlich gerne erspart geblieben wäre: Wenn die Blätter fallen, wird es am Geißbockheim ungemütlich. Das haben schon mehrere Trainer vor ihm in der Vergangenheit erfahren müssen, auch wenn Vergleiche stets hinken.
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Ein Blick auf die vergangenen Jahre: Der langjährige Erfolgstrainer Peter Stöger war mit dem FC in der Saison 2017/18 nach neun Spieltagen mit nur zwei Punkten sogar schon abgeschlagener Tabellenletzter, immerhin hatten die Kölner noch das Pokal-Achtelfinale erreicht (das dann sein Interims-Nachfolger Stefan Ruthenbeck mit dem FC beim FC Schalke 04 verlor).
Auch im Herbst 2019 stand der in die Bundesliga zurückgekehrte FC schnell mit dem Rücken zur Wand. Nach neun Spieltagen und nach einer 1:3-Niederlage in Mainz war die Mannschaft von Achim Beierlorzer mit sieben Punkten und 9:19-Toren Drittletzter und der überforderte Coach nach zwei weiteren Niederlagen in Düsseldorf (0:2) und gegen Hoffenheim (1:2) seinen Job los.
Sein Nachfolger Markus Gisdol war ein Jahr später nach einer Heimpleite gegen den damaligen Liga-Neuling Union Berlin (1:2) und dem Sturz auf Platz 17 ebenfalls stark angezählt, am neunten Spieltag gelang ihm mit dem FC allerdings ein kaum für möglich gehaltener 2:1-Sieg in Dortmund. Durch diesen und ein mittelschweres Wunder hielt sich Gisdol bis zum 28. Spieltag im Amt, nach acht sieglosen Spielen in Folge und drei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz war dann für ihn Schluss. Trainer-Veteran Friedhelm Funkel rettete anschließend den FC.
Im Sommer 2021 übernahm dann Steffen Baumgart, der Wunschtrainer der damaligen Vereinsführung. Und schuf durch seine Arbeit, Art und Ansprache alsbald einen Wohlfühl-FC, der endlich nicht mehr nur nerven und Sorgen machen konnte. Achter nach einem 2:2 gegen Leverkusen am neunten Spieltag, nie schlechter als Platz zwölf, am Ende Siebter und in der Conference League: Das war mal eine Einstandssaison.
Auch wenn der FC in der vergangenen Spielzeit am neunten Spieltag eine 2:5-Derby-Pleite in Gladbach erlebte, so war auch im Herbst 2022 mit 13 Punkten fast alles im Lot. Zuvor hatten die Kölner den BVB begeisternd mit 3:2 bezwungen, nach der Niederlage beim Erzrivalen folgte prompt ein 3:2-Sieg über Augsburg, der den FC auf Platz sieben hievte. Schlechteste Platzierung: Platz 13. Endplatzierung: Platz elf. Der Klassenerhalt war eigentlich nie wirklich gefährdet und nach dem 31. Spieltag auch rechnerisch perfekt.
Doch dann folgten der Verlust der Leistungsträger Jonas Hector und Ellyes Skhiri und eine schwache Transferperiode.
Die Kölner Verantwortlichen suchen den Weg aus der Krise
Jetzt suchen Baumgart und seine Kölner einen Weg aus der Krise. Genügend Spiele hat der FC dafür: 25 an der Anzahl. Doch es ist vielmehr die negative Eigendynamik, die bei weitere sportlichen Tiefschlägen entstehen könnte, die allen Sorge bereit. Und die man oft nicht mehr stoppen kann; auch das weiß der FC aus der eigenen Vergangenheit.
Sport-Geschäftsführer Christian Keller hat vor dem Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen den FC Augsburg Einzelgespräche angekündigt, die Verantwortlichen wollen der Mannschaft die Angst nehmen. Die Niederlage auf dem Betzenberg habe „nichts mit der Qualität in den Beinen zu tun“ gehabt, befand Keller, „der eine oder andere hat zu viel nachgedacht, war verunsichert. Es war offensichtlich, dass sich etliche Spieler auf dem Platz nicht zugetraut haben, ihre fußballerische Qualität abzurufen.“ Also müsse man mit dem einen oder anderen Spieler sprechen, ihm das Selbstvertrauen zurückgeben. Kellers Ansatz: „Man muss den Spielern klarmachen: Hey, das Spiel geht bei null los, vor was hast du Angst? Mehr als ausscheiden kannst du im Pokal nicht. Mehr als 17. sein kannst du auch nicht. Also spiel doch einfach!“ Beim 3:1 gegen Gladbach gelang das den Kölnern endlich einmal. Mehr noch: Der FC bot ansehnlichen Fußball.
Gegen Augsburg wäre wohl jeder Kölner auch erst einmal mit einem schmucklosen Sieg zufrieden. Einfach wird auch das nicht, unter dem neuen Trainer Jess Thorup („Wir glauben auch in Köln an einen Sieg“) drehten die bayerischen Schwaben Rückstände zuletzt in zwei Siege und sind im Aufwind. Das gute Omen für Baumgart und seinen FC: Augsburg ist kein Kölner Angstgegner mehr, der FC gewann die letzten drei Partien und erzielte stattliche zehn Tore. Und zwar unter Trainer Steffen Baumgart.