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Es geht um vielDer 1. FC Köln macht sich vor dem Rückspiel Mut

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FC-Chefcoach Steffen Baumgart (v.r.), Athletik-Trainer Max Weuthen und Co-Trainer René Wagner am Mittwoch nach der Ankunft in Budapest

Szekesfehérvár – Am 7. Mai strömten die Fans des 1. FC Köln den Rasen des Rhein-Energie-Stadions. Zwar hatten sie gerade das letzte Heimspiel der Saison 0:1 gegen den VfL Wolfsburg verloren. Doch die Qualifikation für Europa war vollbracht – wenn auch zunächst nur für die Playoffs zur Conference League. Eine Restchance auf die Europa League hatte damals trotz der Pleite weiter Bestand. Doch auch die letzte Partie der Saison verlor Köln; 1:2 hieß es am 14. Mai in Stuttgart. Der VfB bejubelte die unerwartete Rettung. Köln freute sich ein Jahr nach der Relegation gegen Kiel über den siebten Tabellenplatz.

Und über Europa. Minuten nach dem Schlusspfiff stand Steffen Baumgart tropfnass auf der Rückseite der Stuttgarter Haupttribüne, sein Trainerstab hatte ihn ins Entmüdungsbecken geworfen. Der Trainer trug ein „Europa“-Shirt, wie es die Fans wenig später im Fanshop kaufen konnten beziehungsweise durchaus sollten. Der sportliche Erfolg war gewaltig, und über allem stand: Europa.

Es gehörte zur Folklore dieses Sommers, die Regularien des auch im zweiten Jahr seines Bestehens noch neuen Wettbewerb zu ergründen. In der vierten Qualifikationsrunde würde Köln in den Wettbewerb einsteigen, die „Playoffs“ genannt wird. Und tatsächlich zählte der FC sogar zu den 17 stärksten Teams der Ausscheidungsrunde und war damit gesetzt. Gegner wurde der FC Féhervár aus Ungarn. Köln entwarf ein Sondertrikot, um passend angezogen zu sein auf den Reisen durch Europa.

Doch dann wurde plötzlich alles sehr schwierig. Die Spielstärke des Vierten der vergangenen Saison der ungarischen Liga hatte bereits zwei Qualifikationsrunden überstanden, ehe die Mannschaft des deutschen Trainers Michael Boris vor einer Woche nach Köln kam und vor 44.000 Zuschauern 2:1 gewann, weil Köln entscheidende Fehler beging und Féhervár nicht.

Zwei Tore Unterschied genügen

Köln ist die stärkere Mannschaft, wie erwartet konnten die Ungarn weder dem Druck noch dem Tempo von Baumgarts Leuten standhalten. Dennoch gewannen sie. „Ich hatte vor dem Spiel auf ein Ergebnis gehofft, nach dem es im Rückspiel zu Hause die Chance auf ein Wunder gibt, aber das Wunder geschah früher, in Köln“, sagte Pal Dardai vor dem Rückspiel am Donnerstag (19 Uhr/RTL+). Weil es keine Auswärtstorregel mehr gibt, rettet jeder Sieg die Kölner vor dem direkten Aus. Zwei Tore Unterschied genügen zum Weiterkommen.

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Dardai war lange Jahre Profi und später Trainer bei Hertha BSC, sein Sohn Palko erzielte am Donnerstag in Müngersdorf ein Traumtor zum 2:1. „Ich war Palkos Trainer in der Jugend- und A-Nationalmannschaft, also habe ich viele Tore wie dieses von ihm gesehen“, sagte Dardai. Féhervár habe in Köln eine „historische Leistung“ vollbracht.

Die Kölner spielten die Lage zuletzt ein wenig herunter. Christian Keller stellte am Dienstag fest, Köln müsse „gar nichts“, die Mannschaft solle mit „Freude“ spielen. Acht bis zehn Millionen Euro wäre die Gruppenphase allein aus wirtschaftlicher Perspektive wert, hinzu käme der sportliche Reiz sowie für die Fans die Möglichkeit, mindestens bis zur Winterpause von einer K.o.-Phase und sportlichem Ruhm zu träumen, wo es in diesem Jahr im DFB-Pokal nach dem Aus gegen Regensburg schon früh nichts mehr zu hoffen gibt. Die Gefahr ist real, dass der Traum von Europa schon nach zwei Partien gegen einen ungarischen Außenseiter vorüber sein könnte. Und die Fallhöhe ist offenbar groß genug, um die FC-Offiziellen den Versuch unternehmen zu lassen, den Druck zu reduzieren.

Michael Boris hat das zur Kenntnis genommen, der deutsche verfolgt die Medien in der Heimat intensiv. „Die Ausgangssituation ist für uns erst einmal positiv, aber wir wissen auch, dass der FC mit aller Macht in die Gruppenphase einziehen will – auch wenn sich die Aussagen aus Köln gestern etwas anders angehört haben, dass das angeblich nicht so wichtig sei“, sagte er am Mittwoch. Auch Baumgart ging nach der Ankunft in Székesfehérvár auf die Äußerungen von Sportchef Keller ein: „Wir sprechen hier wenn überhaupt vom sportlichen Druck. Wir müssen Spiele gewinnen. Letzte Woche haben wir eine gute Leistung gebracht und dennoch nicht gewonnen. Morgen wollen wir gut spielen und gewinnen. Für Christian Keller und mich zählt zuerst der Sport.“

Ungarn rechnen mit entschlossenem Gegner

Féhervárs Trainer Boris rechnet mit einem entschlossenen Auftritt der Kölner. „Man hat ja schon im ersten Spiel gesehen, wie der FC agiert. Das wird uns morgen auch erwarten, ich glaube sogar, dass die Kölner noch höher pressen werden. “ Trotz Unterzahl kam Köln vor einer Woche auf rund 80 Prozent Ballbesitz, doch vier Torschüsse waren viel zu wenig angesichts der Überlegenheit. „Wir werden 90 Minuten oder mehr nicht zur Ruhe kommen. Wichtig ist, dass wir uns wieder als Einheit präsentieren. Wir müssen ganz weit an unsere Grenzen gehen – oder sogar darüber hinaus“, sagt Boris.

FC-Verteidiger Timo Hübers hofft, dass auch das nicht für die Ungarn ausreichen wird: „Die Zuversicht ist immer noch groß. Wir haben morgen 90 Minuten, um das Ding zu drehen. Und in der jüngeren Vergangenheit haben wir schon viele Spiele gedreht.“

Fehérvár FC: Kovács – Négo, Larsen, Stopira, Schabanow, Heister – Fiola, Pinto – Bamgboye, Dardái - Zivzivadze; 1. FC Köln: Schwäbe - Schmitz, Kilian, Hübers, Hector - Skhiri - Ljubicic, Duda, Kainz - Adamyan, Tigges. Schiedsrichter: Ali Palabiyik (Türkei).