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Spielerei ohne großen MehrwertTV-Kritik zum „Innovation Game“ in Köln mit Video

Lesezeit 4 Minuten
Bodycam Giroud

So erlebte Timo Hübers das 1:0 durch Olivier Giroud.

Köln – Für viele bedeutet Fußball schauen am Sportplatz zu stehen oder im Stadion dabei zu sein. Der Geruch von Schweiß, Bier und Würstchen gehört genauso dazu wie die Atmosphäre auf den Tribünen. Aber die Stadien haben ein endliches Fassungsvermögen und so bleibt manchmal nichts anderes übrig, als ein Spiel vor dem Fernsehgerät zu verfolgen.

Waren es in den Anfängen der Live-Übertragung von Fußballspielen nur vereinzelte Begegnungen, so werden heutzutage längst nicht nur sämtliche Bundesliga- oder Europapokalpartien gezeigt. Auch Test- oder Freundschaftsspiele flimmern über die Bildschirme in den heimischen Wohnzimmern.

Telekom: Nächste Stufe mit Magenta

Nun versucht die Telekom, mit ihrem Online-Angebot Magenta die nächste Entwicklungsstufe zu zünden. Als Testballon dafür wurde der Freundschaftskick zwischen dem 1. FC Köln und dem italienischen Meister AC Mailand (1:2) auserkoren. Das „Innovation Game“ um den „Telekom Cup“ im Rhein-Energie-Stadion sollte einen Einblick in die Zukunft der Sport-Übertragung gewähren.

So weit, so gut. Dass ausgerechnet beim Telekommunikationsriesen der Stream teilweise nur ruckelnd läuft und dem Vernehmen nach nicht auf allen Endgeräten abrufbar ist, hinterlässt einen ersten Beigeschmack.

Neuerungen: Die REF-Cam

Zu den eingesetzten Neuerungen gehört die so genannte „REF Cam“. Schiedsrichter Sascha Stegemann sowie seine Assistenten sind mit Mini-Kameras ausgerüstet, die sie auf einem Bügel über dem Ohr tragen. Diese Technologie wurde bereits auf Amateur-Ebene getestet. Die ausgewerteten Daten sollen den Unparteiischen zu Trainingszwecken dienen. Darüber hinaus sollen die Kameras die Schiedsrichter vor Übergriffen schützen, die vor allem im Amateurbereich deutlich zugenommen haben. In der Übertragung aus Müngersdorf gibt es davon keine Bilder zu sehen.

Cable Guy und Bodycams

FC-Profi Mark Uth trägt ein Mikrofon am Körper. Bei einer Spielunterbrechung werden kurze Szenen eingeblendet. Uth feuert seine Mitspieler vor Anpfiff mit den Worten „Spaß haben“ an. Dazu ein Smalltalk mit Schiedsrichter Stegemann: „Im Zweifel bitte für die Heimmannschaft pfeifen!“ Später wird noch ein kurzer Austausch mit Trainer Steffen Baumgart eingespielt.

Wenn die Akteure wissen, dass man ihnen zuhört, leidet die Authentizität dieser Unterhaltungen. Der Erkenntnisgewinn für den Zuschauer geht gegen Null.

FC Test Kamera

Die Bodycam von Tim Lemperle

Ähnlich verhält es sich mit den am Körper von Timo Hübers und Tim Lemperle angebrachten Kameras. Es wirkt, als hätte der Spieler einen schwarzen Knopf auf die Brust gepflanzt bekommen. Gezeigt wird der Lauf von Hübers vor dem 0:1. Fast ist man geneigt, den Controller in die Hand zu nehmen – es wirkt wie aus einem Computerspiel. Durch die Bewegung sind die Bilder sehr hektisch. Auch hier stellt sich die Frage nach dem Mehrwert für den Fan.

Scouting Feed für Taktik-Freaks

Schon eher interessant, vor allem für Taktik-Freaks, ist der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI). Die Software wertet die gesammelten Daten des Spiels sofort aus und bietet die Möglichkeit verschiedener Darstellungen. Wie etwa eine realtaktische Aufstellung. Sie zeigt, wo sich die Akteure tatsächlich die meiste Zeit während der Begegnung aufhalten. Oder auf das Spielfeld projizierte Grafiken mit der prozentualen Spielverteilung. FC-Sportgeschäftsführer Christian Keller kommentiert das während der Halbzeit: „Wir sind offen für KI, aber um die Fehler zu erkennen, die wir gemacht haben, dafür brauche ich keine Software.“ So wird es den Zuschauern vor den Bildschirmen ebenfalls gegangen sein.

Unterm Strich ist es in weiten Strecken eine Übertragung wie man sie kennt. Ergänzt durch die angesprochenen technischen Spielereien. Denn mehr als das ist es nicht. Große Einsatzmöglichkeiten etwa für Bodycam und Mikrofone am Körper erschließen sich nach dem „Innovation Game“ nicht. Live analysierte und grafisch dargestellte Spieldaten sind nichts Neues. Einzig die Kameras des Schiedsrichtergespanns könnten künftig der Beweisführung dienen. Ob dies in einer Live-Übertragung eingesetzt werden kann und darf wird wahrscheinlich erst juristisch bewertet werden müssen.

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Nicht alles, was technisch möglich ist, bereichert die Übertragung eines Fußballspiels. Vielleicht wird es einmal möglich sein, den Geruch von Schweiß, Bier und Würstchen in die Wohnzimmer zu transportieren. Vielleicht ist aber nicht einmal das notwendig. Im Mittelpunkt sollte weiterhin das Spiel stehen, das Millionen in seinen Bann zieht – nicht die Technik, die es transportiert.