Donaueschingen/Köln – Vor der Abreise gab es auch mal kurz Zeit für Kalauer. Das Trainingslager des 1. FC Köln in Donaueschingen beendete der Kapitän höchstpersönlich im „FC-Morgääähn-Magazin“ mit einem „Gag aus der unterersten Schublade“, wie Jonas Hector selbst anfügte, der für das im Trainingslager tägliche Format in die Rolle des Spaßvogels geschlüpft war: „Ich beim Brötchen angerufen – war belegt.“
Lustiger wird es wohl nicht, dachte sich wohl auch der 1. FC Köln. Am Sonntag verließ der Bundesligist sein Quartier im Schwarzwald und reiste nach Köln. Spaß beiseite: Hinter der Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart lagen sieben Tage mit schweißtreibender Arbeit, zwei Testspielen und Teambuilding. Nach zwei trainingsfreien Tagen bittet der Coach am Mittwoch wieder am Geißbockheim zur nächsten Einheit. Der FC präpariert sich dann für den Höhepunkt der Vorbereitung: Am Samstag (19 Uhr) empfangen die Kölner den großen AC Mailand. Der FC hat für das Spiel bereits 42.000 Karten verkauft, es ist also mit einem voll besetzten Rhein-Energie-Stadion zu rechnen.
Doch wo steht der 1. FC Köln in der Vorbereitung? Was läuft gut, wo gibt es noch Verbesserungsbedarf? Ein Fazit der ersten beiden Trainingswochen.
Mit der stattlichen Anzahl von 32 Spielern, darunter die die vier Nachwuchskräfte Joshua Schwirten, Rijad Smajic, Winzent Suchanek und Maximilian Schmid, reiste der Kölner Tross nach Donaueschingen. Am vergangenen Dienstag stieß ein 33. Profi dazu: Neuzugang Sargis Adamyan traf am Öschberghof ein. Mit ihm hat Baumgart eine weitere, vielseitige Offensiv-Option.
Baumgart zog ein positives Fazit der vergangenen Tage: „Es war ein sehr gutes Trainingslager. Alles war bestens organisiert, die Bedingungen waren sehr gut. Die Jungs haben gut mitgezogen. Es gab keine schwerwiegenden Verletzungen. Und die, die im Reha-Bereich viel gearbeitet haben, werden nächste Woche mehr und mehr dazu kommen. Wir können aus dem Vollen schöpfen.“
Einsatzfähig waren allerdings nicht alle Profis: Die noch angeschlagenen oder im Aufbau befindlichen Hector, Steffen Tigges, Jan Thielmann, die allesamt weitere Fortschritte machten, und Adamyan, der noch Trainingsrückstand hat, kamen in den beiden Testspielen gegen Austria Lustenau (4:0) und Grasshoppers Zürich (1:1) nicht zum Einsatz. Das galt auch für Innenverteidiger Luca Kilian, der seit Mittwoch über muskuläre Probleme klagte und nicht mitwirkte – wohl als Vorsichtsmaßnahme. Ellyes Skhiri musste bereits am Montag nach einem Pressschlag kürzertreten, sein Knie zeigte eine Reaktion. Doch schwerwiegend war die Blessur nicht, der Führungsspieler kam gegen Zürich von Beginn an und ohne Probleme zum Einsatz.
Die Spieler mussten in den vergangenen Tagen leiden und wurden körperlich an ihre Grenzen geführt. Baumgarts Team benötigt allerdings eine absolute körperliche Fitness für seine aktive Spielweise und eine anstrengende Saison mit drei Wettbewerben – sofern sich der FC in den Playoffs für die Conference League qualifiziert. Gegen den österreichischen Erstliga-Aufsteiger Lustenau spielte der FC dennoch erfrischend auf, gefiel vor allem durch ein schnelles Umschaltspiel und hätte nach einer sehr ansprechenden Leistung noch deutlich höher gewinnen können als mit 4:0. Der Gegner am Freitagabend in Singen forderte den FC allerdings kaum.
Das war einen Tag später in Bad Dürrheim anders: Die Grasshoppers waren ein anderes Kaliber, vor allem in der ersten Halbzeit hatte der FC Probleme, Lösungen zu finden und Chancen zu kreieren. Doch zum einen hatte Baumgart seine Mannschaft wild durcheinandergewürfelt, zum anderen machten sich die schweren Beine nach den harten Tagen bemerkbar. Am Ende war der Coach mit dem zweiten Test nur bedingt zufrieden.
In beiden Partien ließ Baumgart sein Team im 4:1:3:2-System spielen. Neuzugang Eric Martel (20) machte am Freitag ein starkes Spiel au der Sechser-Position und konnte auch im Training überzeugen. Denis Huseinbasic konnte in den Tagen ebenfalls Werbung in eigener Sache betreiben. Die Neuverpflichtung aus der Regionalliga hat sich erstaunlich schnell an das deutlich höhere Niveau angepasst. Im Gespräch war, dass der Mittelfeldspieler ausgeliehen werden soll, um Spielpraxis zu sammeln. Doch vielleicht bleibt er auch. Neuzugang Linton Maina, der besonders flink auf den Beinen ist, konnte sein Potenzial andeuten. Ein Spieler dagegen hat an Boden verloren: Wechselkandidat Ondrej Duda, der sich mit Corona infiziert hat, verpasste auch die zweite Trainingswoche.
Nicht gefallen haben dürften Baumgart, den Verantwortlichen und vielleicht sogar einigen Teamkollegen der Auftritt von Anthony Modeste am Dienstag, als der Stürmerstar in „Dinner for One“-Manier wieder einmal mit seinem Abschied kokettierte – the same procedure as every year, Tony! Doch die Verantwortlichen haben mittlerweile eine Routine darin entwickelt, mit Modestes Vertragsspielchen umzugehen und reagierten so, wie es richtig ist: nüchtern und gelassen.
Der Trainer
Steffen Baumgart präsentierte sich so, wie man es von ihm kennt: Anpackend, hemdsärmelig, klar und volksnah. Obwohl erst ein Jahr beim FC, gibt es in der Bundesliga kaum einen Trainer, der in der Öffentlichkeit so sehr den Verein verkörpert wie Baumgart. Sein Hauptjob ist Fußballlehrer, sein Nebenjob Öffentlichkeitsarbeiter. Er füllt damit ein gewisses Vakuum beim FC. Der Coach, dessen Vertrag Ende Juni bis 2024 verlängert wurde, erfüllt geduldig auch alle externen Wünsche: die der Fans, die der Medien. Das Wichtigste aber ist sein Verhältnis zur Mannschaft und die Vermittlung seiner Spielphilosophie. Eigentlich jeder Spieler lobt den Trainer und den Typen Baumgart. Aber der kann auch anders: Wer nicht mitzieht, der hat bei ihm einen schweren Stand.
Ob sich die Art von Baumgart mal abnutzen kann? Möglich ist das, doch derzeit gibt es dafür keine Anzeichen. Der Trainer moniert nicht, dass der FC zum Sparen gezwungen ist und die finanziellen Spielräume sehr eng sind. Er ist zufrieden, dass der Verein bereits zu einem frühen Zeitpunkt sechs Neuverpflichtungen getätigt hat. Diese sind zwar überwiegend wie Projekte anzusehen und keine garantierten Verstärkungen, Baumgart reizt aber diese Aufgabe. Doch der Coach weiß nach fast 30 Jahren im Profifußball, dass Erfolg schnell vergänglich ist, die Erwartungshaltung nach Platz sieben gestiegen und eine Bestätigung der gezeigten Leistungen schwierig ist. Er hält sich damit aber nicht auf, sondern packt an.
Die Verantwortlichen
Präsident Werner Wolf, sein Stellvertreter Eckhard Sauren und Finanz-Geschäftsführer Philipp Türoff machten sich ein paar Tage vor Ort selbst ein Bild vom Stand der Vorbereitung. Der Vorstand kann seines Amtes walten: Zwar steht auf der Mitgliederversammlung am 20. September der Wahl des Präsidiums auf dem Programm, doch ein Wahlkampf fällt im Vorfeld aus. Der Mitgliederrat hat das amtierende Trio (Wolf, Sauren, Carsten Wettich) zur Wiederwahl vorgeschlagen, eine Kampfkandidatur ist nicht in Sicht.
Also alles rosig beim 1. FC Köln? Nein. Den Klub drücken enorme Verbindlichkeiten. Er ist vor allem wegen, aber nicht alleine durch Corona mit 52 Millionen Euro überschuldet. Die Verantwortlichen wissen, dass im Kader einige Großverdiener stehen, dessen Preis-Leistungsverhältnis nicht im Einklang steht. Doch diese Verträge wurden beidseitig und im Vollbesitz der geistigen Kräfte abgeschlossen – hoffentlich.
Der neue Sport-Geschäftsführer Christian Keller muss es dennoch noch schaffen, dringend benötigte Transfereinnahmen zu generieren. Das ist alles andere als eine leichte Arbeit, doch Keller geht sie mit Tatendrang an. Der 43-Jährige vermittelt bisher einen guten Eindruck: Er ist klug, offen, freundlich, aber in der Sache hart. Seine Botschaft, die er sichtbar umsetzt: „Wir müssen gesunden, aber das schließt sportlichen Erfolg nicht aus. Und die einzige Chance, nachhaltig zu gesunden, ist profitabel zu arbeiten. Und um profitabel zu arbeiten, müssen wir eben Dinge verändern.“ Keller scheint sich beim FC wohl zu fühlen, in den vergangenen Tagen fühlte er sich sogar heimisch: Den Keller stammt aus der Region zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb.