Donaueschingen – Der Mann, der die extrem schwierige Aufgabe hat, den 1. FC Köln wirtschaftlich zu sanieren und sportlich weiter voranzubringen, gibt sich in den Tagen des Trainingslagers in Donaueschingen locker und volksnah. Autogramme und Fotos von Trainer Steffen Baumgart oder Torjäger Anthony Modeste sind am Trainingsplatz die begehrtesten, aber für einen Geschäftsführer steht Christian Keller hoch im Kurs. Kein Wunder, der Schwarzwald-Baar-Kreis ist seine Heimat.
Keller, in Donaueschingen geboren, ist nur elf Kilometer vom Trainingsgelände des SV Aasen entfernt aufgewachsen. Und Heimat, das sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung, bedeute ihm „sehr, sehr viel, fast alles. Hier leben meine Familie, meine Freunde, hier schlummern Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend. Ich vergesse nie, wo ich herkomme.“ Der neue FC-Sportchef hat im 800-Einwohner-Ort Gutmadingen immer noch eine Wohnung, auch wenn der 43-Jährige stets sagt, dass er vom Bodensee komme, „weil Gutmadigen kennt Mensch kennt.“ Sein Bruder Andreas ist Trainer des Bezirksligisten SC 04 Tuttlingen, am Donnerstag schaute der 39-Jährige beim Training der Kölner vorbei.
Blick aufs Handy von Christian Keller
Wie sehr der Sportchef eines Bundesligisten immer noch mit der Region verankert ist, beweist der Blick auf sein Handy. Auf einer Fußball-App hat er per Suchprofil eingestellt, dass ihm gleich die Ergebnisse seiner Ex-Klubs FC Gutmadingen und des SC 04 Tuttlingen sowie des FC 08 Villingen angezeigt werden. „Aber der 1. FC Köln steht ganz oben. Vorbildlich, oder?“, sagt Keller mit einem Schmunzeln.
Sein Vorgänger am Geißbockheim, Horst Heldt, hatte noch einen Lebenslauf, der oft typisch für die Fußball-Branche ist: Heldt war erfolgreicher Profi, auch beim FC, dann rutschte er beim VfB Stuttgart nach der aktiven Karriere mehr oder minder in den Sportchef-Job rein. Kellers Vita ist eine gänzlich andere. Auch der Badener spielte aktiv, doch nach einer bakteriellen Infektion im Knie und vielen Operationen musste er bereits mit 18 Jahren die Fußballschuhe an den Nagel hängen. „Ich war ein ordentlicher Fußballer, aber es gab Jungs, die viel besser waren – Ali Günes zum Beispiel“, sagt Keller und blickt in Richtung des ehemaligen Freiburg- und Besiktas-Profis, mittlerweile Spielerberater, der am Nachbartisch im FC-Teamhotel Öschberghof sitzt.
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Auch wenn er gesund geblieben wäre, zum Profi hätte es für Keller nicht gereicht. „Ich habe Fußball gespielt, weil ich das Spiel liebe. Dann konnte ich das nicht mehr. Ich war enttäuscht, ein Lebensbestandteil war weg. Da musste ich mir überlegen, wie ich sonst Bezug zum Fußball halten konnte.“ Er wurde Trainer, machte alle Scheine bis zur A-Lizenz und war Übungsleiter von den Bambinis bis zur Landesliga. Keller studierte Außenwirtschaft und International Business Development. 2008 promovierte er zudem an der Universität Tübingen und hatte später einen Lehrstuhl an der Hochschule Heidelberg.
Jahn Regensburg als Projekt
Seine wissenschaftlichen Abschlussarbeiten und erst recht seine Dissertation hatten das Management von Profisport-Organisationen zum Thema. Aus eigenem Interesse, aber auch, um in der Branche einen Fuß in der Tür zu bekommen. Aber Keller hatte in dieser noch keinen Namen und entschloss sich, für die Strategie-Berater von Actori zu arbeiten, die zum Branchenriesen Roland Berger gehören. Sein letztes Strategie-Beratungsobjekt als Projektleiter war der finanziell schwer angeschlagene SSV Jahn Regensburg. Man blieb auch danach in Kontakt. Jahn fragte dann 2013, ob er sich vorstellen könne, nicht nur den wirtschaftlichen, sondern auch den sportlichen Bereich zu übernehmen. Das war ganz im Interesse Kellers, denn der Sport sei der „Wesenskern eines Vereins“. Keller sagte zu – aber nicht ohne Bauchschmerzen. „Beim Jahn war damals so gut wie nichts in Ordnung, der Klub war kaputt. Aber ich habe die große Chance gesehen, was bewegen zu können.“ Und das tat Keller – und zwar äußerst erfolgreich. Er und seine Leute formten aus Regensburg einen echten Zweitligisten.
Aber es war kein Weg ohne Rückschläge. Im Sommer 2015 hatte der Klub zwar ein neues Stadion, aber auch einen Abstieg in die Regionalliga zu verkraften. Keller stand in der Kritik. Beim Besuch einer Gaststätte verunglimpften ihn ältere Herren als „Totengräber“. Keller löste dies auf seine Weise: Er setzte sich zu ihnen, erklärte einiges, trank mit ihnen einen Schnaps. Statt Gegner hatte er wenig später neue Freunde.
„Der Jahn war mein Baby“
In seiner Tätigkeit in Regensburg ging Keller auf. Deshalb war es für ihn auch wichtig, vor dem Amtsantritt in Köln eine Pause einzulegen. „Der Jahn war mein Baby, es wäre nicht glaubwürdig gewesen, direkt woanders anzufangen. Als Führungskraft im Fußball ist Identifikation mit der Aufgabe noch wichtiger als in anderen Branchen. Weil es so emotional besetzt ist – vor allem in Köln“, sagt Keller.
Seit drei Monaten ist der 43-Jährige offiziell beim FC im Amt. „Ich hatte eine klare Erwartungshaltung vom Klub und der Aufgabe. Aber ich kannte die Menschen nicht, die beim FC arbeiten. Und wenn ich überrascht bin, dann nur sehr positiv. Alle sind sehr offen, freundlich, hilfsbereit“, sagt der Geschäftsführer, der Kontinuität in den Verein bringen will. „Wenn wir uns positiv nach vorne entwickeln wollen und die letzte Saison keine Eintagsfliege gewesen sein soll, dann wäre Kontinuität wichtig – und diese natürlich mit den richtigen Personen. Wir müssen erst noch den Beweis antreten, dass wir das hinbekommen.“
Geschäftsführer mit Sanierungs-Expertise
Keller sagt diese Sätze oft mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Auch schlechte Nachrichten überbringt er charmant. Zum Beispiel die, als er direkt nach der starken Saison mit Platz sieben und mitten in die Europa-Euphorie hinein davon sprach, dass der FC wirtschaftlich ein Sanierungsfall sei. „Das musste auch mal ehrlich ausgesprochen werden. Denn wir müssen die richtige Erwartungshaltung schaffen. Wir müssen gesunden, aber das schließt sportlichen Erfolg nicht aus. Es war eine negative Botschaft, aber dafür wurden Philipp Türoff und ich unter anderem auch geholt. Wir haben eine gewisse Sanierungs-Expertise. Die einzige Chance, nachhaltig zu gesunden, ist profitabel zu arbeiten. Und um profitabel zu arbeiten, müssen wir eben Dinge verändern“, sagt Keller deutlich. Der 1. FC Köln ist mit 52 Millionen Euro überschuldet – vor allem, aber nicht nur wegen der Pandemie. Den Klub drücken auch Altlasten. Es ist eine Herkulesaufgabe. Keller geht sie mit Verve an. Kölner ist er jetzt auch auf dem Papier. Seinen ersten Wohnsitz hat er an den Rhein verlegt, weil Köln so eine hohe Zweitwohnsitzsteuer habe. Sein Kommentar: „Da war ich mal nicht Badener, sondern Schwabe.“