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Unruhe in Saison-EndphaseDas sind die Hintergründe für die Entlassung von FC-Chefscout Schulz

Lesezeit 6 Minuten
1. FC Köln, Training,  von links: Christian Keller, Thomas Kessler, Erich Rutemöller, Martin Schulz, Jörg Jakobs (1. FC Köln), 04.01.2024, Bild: Herbert Bucco

Aktuelle und Ex-FC-Verantwortliche (v.l.): Christian Keller, Thomas Kessler, Berater Erich Rutemöller, Martin Schulz, Jörg Jakobs. Von Jakobs und jetzt auch von Schulz hat sich der Klub getrennt.

Der FC tauscht auf Betreiben von Sportchef Keller den Chefscout. Von unterschiedlichen Auffassungen ist die Rede.

Voller Fokus auf den Aufstiegskampf in der 2. Bundesliga, das Ziel fest im Blick, bloß keine Ablenkung durch Einmischungen oder kritische Wortmeldungen von außen: Das ist das Mantra des 1. FC Köln in der Saison-Endphase. „Wir bleiben bei uns“, heißt das heute oft im Fußballer-Jargon. Das Ziel, der direkte Wiederaufstieg, soll in einer sportlich äußerst fragilen Saison nicht noch zusätzlich durch neue Unruhe gefährdet werden.

Das Widersprüchliche an der Devise ist indes, dass der FC nicht zum ersten Mal selbst für die Unruhe sorgt, die man so sehr fürchtet. Erst im Januar war es zur viel beachteten Trennung vom erfahrenen Geschäftsführer Markus Rejek gekommen. Es war am Geißbockheim ein offenes Geheimnis, dass sich Marketing-Fachmann Rejek und Sport-Geschäftsführer Christian Keller nie verstanden und Kompetenzgerangel hatten.

Jetzt sorgt die sofortige Freistellung von Chefscout Martin Schulz auf Betreiben von Keller für Unruhe im Klub. Der 38-Jährige war bereits seit 2013 für den Klub als Scout tätig. Schulz gilt als beliebt am Geißbockheim, Mitarbeiter schätzen ihn als meinungsstarken, uneitel im Hintergrund arbeitenden Geist. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte am Dienstag von Schulz' Demission berichtet. Der 1. FC Köln bestätigte die Personalie am Mittwoch im Zuge der „Neuaufstellung im Scouting“ offiziell. „Der FC bedankt sich bei Martin Schulz für seinen großen Einsatz über all die Jahre und wünscht ihm alles erdenklich Gute für seine Zukunft“, teilte der Klub in einem kurzen Statement mit.

Alles zum Thema Christian Keller

1. FC Köln: Keller offenbar unzufrieden mit Schulz' Wirken als Abteilungsleiter

Keller wollte sich auf Nachfrage dieser Zeitung nicht darüber hinaus äußern. Aus dem Geißbockheim war aber zu vernehmen, dass die sportliche Führung um Keller Schulz zwar als guten Scout, aber nicht als fähigen Leiter der Scouting-Abteilung betrachtete. Eine Sichtweise, die überrascht und paradox klingt, denn schließlich war Schulz bereits seit Dezember 2020 als Chefscout Abteilungsleiter.

Zudem sollen Keller und Schulz bei der Kadergestaltung unterschiedlicher Meinung gewesen sein. Es heißt, dass der Geschäftsführer Sport mit dem ausgearbeiteten Schattenkader für die vergangene Winter-Transferperiode offenbar nicht zufrieden gewesen war. Die war die erste, in der der 1. FC Köln nach seiner einjährigen Fifa-Sperre tätig werden durfte und auf die er sich hatte sehr lange vorbereiten können.

Und sie verlief nicht nach Wunsch, vermeintliche A-Lösungen kamen nicht. Der FC verpflichtete zwar bereits Anfang Januar Rechtsverteidiger Jusuf Gazibegovic und kurz darauf Innenverteidiger Joel Schmied, doch der dringend benötigte neue Mittelstürmer kam erst auf den letzten Drücker. Imad Rondic wechselte erst am letzten Tag des geöffneten Transferfensters zum Bundesliga-Absteiger, der sich die drei Transfers insgesamt rund sechs Millionen Euro Ablöse kosten ließ.

„Ich bin nicht zufrieden“, sagte Keller im Trainingslager im Januar in Andalusien, als er im Interview mit dieser Zeitung auf die stockend verlaufende Transferperiode angesprochen wurde. Fortan kümmerte sich der Sportchef maßgeblich selbst um die Verpflichtungen, führte bisweilen zähe Verhandlungen mit Schmieds Ex-Klub Sion und segnete vor allem die Transfers ab. Schulz, der für diese Zeitung für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, soll in dieser Phase schon außen vor gewesen sein.

Schulz soll andere Winter-Transfers vorgeschlagen haben

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte der Chefscout andere Spieler vorgeschlagen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht zum FC wechselten. Keller, der sich auch mit der Kaderplanung für die kommende Saison beschäftigen muss, die trotz der guten Ausgangslage im Aufstiegskampf bis dato nur zweigleisig geplant werden kann, drängte nach dem Ende der Transferperiode auf eine Trennung vom langjährigen Chefscout und verteidigt weiterhin die letztlich getätigten Verpflichtungen.

Keller hat bereits einen Nachfolger für Schulz gefunden, denn ein Vakuum auf der wichtigen Position kann sich der Klub nicht leisten. Und dieser kommt aus den eigenen Reihen. Der FC teilte am Mittwoch mit, dass Gabor Ruhr, der bereits von 2015 bis 2018 als Spielanalyst für den FC tätig war und nach seiner Zeit in selber Funktion bei Eintracht Frankfurt und darauf als Chefanalytiker bei Hertha BSC im Februar 2024 zum FC zurückgekehrt war, Schulz beerben wird. Keller hatte bereits im März 2023 mit Lennart Strufe und Markus Stegili zwei Scouts von seinem Ex-Klub Jahn Regensburg ans Geißbockheim gelotst. Im Juli 2023 folgte dann Andreas Wagner – auch er kam aus Regensburg.

Nachfolger Gabor Ruhr kommt aus den eigenen Reihen

Ruhr ist nun neuer Koordinator Scouting & Kaderplanung. Zuvor bearbeitete der 36-Jährige für den FC vor allem den skandinavischen Markt. Im aktuellen FC-Kader steht ein Spieler aus Skandinavien: der langzeitverletzte dänische Mittelfeldspieler Jacob Christensen, der bereits im Sommer 2023 nach Köln kam.

Ist Schulz nun ein weiteres Bauernopfer beim 1. FC Köln? Nicht wenige sehen das so. In Erinnerung ist noch die Aufarbeitung der in Deutschland bisher einzigartigen Transfersperre. Die einzige personelle Konsequenz war, dass Vorstandsberater Jörg Jakobs gehen musste. Jakobs war ab 2012 in verschiedenen Rollen für den FC tätig gewesen, unter anderem ab Mai 2021 interimsweise als Sportlicher Leiter. Im Februar 2024 folgte dann sein Aus.

Keller dagegen blieb nach der Transfersperre und dem Abstieg des FC im Amt – auch, nachdem die Kölner Ende Oktober zwischenzeitlich auf Platz zwölf abgestürzt waren. Im Dezember 2024 gab der Verein dann die vorzeitige Vertragsverlängerung mit Keller um ein weiteres Jahr bekannt – offenbar bis Ende Februar 2026. Aus dem Vorstand soll vor allem Vizepräsident Eckhard Sauren Kellers großer Fürsprecher sein. Andere aus dem wichtigen Gemeinsamen Ausschuss sehen das Wirken des mittlerweile seit drei Jahren beim FC tätigen Sportchefs dagegen allem Anschein nach kritisch. Hartnäckig hält sich weiter das Gerücht, dass Keller – wenn er denn bliebe – in Zukunft ein Sportdirektor zur Seite gestellt werden soll. Bestätigt ist das freilich nicht.

Trainer Struber „ganz wenig im Austausch“ mit Chefscout

Derzeit kann Keller seine Pläne konsequent durchziehen und nutzt damit ebenfalls ein Vakuum. Denn weder die Liga-Zugehörigkeit des FC ab dem Sommer steht fest, noch wer dem Verein ab dem Herbst vorstehen wird. Dann wird bekanntlich ein neuer Vorstand gewählt. Und der wird laut Satzung vom Mitgliederrat vorgeschlagen.

Und wie sieht der Trainer, der sicherlich konkrete Kadervorstellungen haben sollte, die neuesten Entwicklungen am Geißbockheim, die kaum für Ruhe sorgen dürften? Gerhard Struber: „Ich muss dazu sagen, dass ich mit dem Chefscout ganz wenig im Austausch und Kontakt war. Meine Schnittstelle ist immer zum Geschäftsführer Sport, Christian Keller, oder zu Thomas Kessler als Lizenzspieler-Leiter. Da ändert sich in meiner Herangehensweise erstmal gar nichts. Aber ich wünsche natürlich mir und dem Klub, dass wir hier gute Lösungen für die Zukunft finden.“