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1. FC KölnNiederlage gegen Hertha BSC – Wenn et Trömmelche schweigt

Lesezeit 4 Minuten
Tim Lemperle fand am Samstagabend kaum ins Spiel, Kölns herausragendem Offensivspieler fehlt nach langer Verletzung noch die Substanz.

Tim Lemperle fand am Samstagabend kaum ins Spiel, Kölns herausragendem Offensivspieler fehlt nach langer Verletzung noch die Substanz. 

1. FC Köln unterliegt einer stark aufspielenden Mannschaft von Hertha BSC verdient 0:1.

Marvin Schwäbe hatte es kommen sehen. „Als der vom Fuß weg ist, wusste ich, dass das nichts mehr für mich wird. Da habe ich nur hinterhergeschaut“, berichtete der Torhüter des 1. FC Köln von seiner Sicht auf die entscheidende Szene am Samstagabend in Müngersdorf.

Fabian Reese, Herthas Spitzenspieler, hatte gleich nach der Pause einen fantastischen Ball seines Kollegen Diego Demme erlaufen, war mit dem Ball am Fuß ins Zentrum gezogen und von Dominique Heintz nur nachlässig begleitet worden. Vor zwei Jahren hatte Reese zuletzt mit dem linken Fuß getroffen, am Samstag folgte ein absolutes Traumtor: Der Offensivmann schlenzte auf das entfernte Toreck, vom Innenpfosten prallte der Ball ins Tor. Ein Treffer wie aus dem Poesiealbum. „Ein unfassbar schönes Tor“, kommentierte Herthas Trainer Stefan Leitl später.

Christian Keller deutete an, dass auch Pech dazugehöre, Opfer eines solchen Geniestreichs zu werden. Insgesamt aber blieb auch dem Kölner Sportchef nur übrig, Respekt zu zollen: „Den trifft er natürlich überragend. Kann er auch, aber so trifft er ihn trotzdem nicht jedes Mal.“

Die Hertha war als Tabellen-13. in den Spieltag gegangen, was kurios genug war, schließlich ist der Kader der Hauptstädter herausragend besetzt. Eigentlich müssten die Berliner um den Aufstieg spielen, und mit dem Trainerwechsel haben sie in den vergangenen Wochen auch begonnen, wie eine Spitzenmannschaft aufzutreten. Ihr Wunderteenager Ibrahim Maza, dazu Reese, aber auch Derry Scherhant und Michael Cuisance – Spieler von solcher Qualität hatte der 1. FC Köln am Samstagabend nicht zu bieten. Der Besuch aus Berlin legte erneut offen, dass Köln einen in der Breite stark besetzten Kader hat. In der Spitze jedoch viele Wünsche offenbleiben.

FC-Trainer Gerhard Struber attestierte der Hertha, „nach vorn eine der interessantesten Mannschaften der Liga“ zu sein. Auch Keller staunte über den stark besetzten Kontrahenten. „Für mich hat die Hertha einen der besten Kader der Liga. Die müssten in einer ganz anderen Tabellenregion stehen.“

Zu einer Heimniederlage, es war bereits die vierte der Kölner in dieser Saison, gehören allerdings immer zwei Mannschaften. Struber verlor sich hinterher ein wenig in taktischen Erwägungen. „Wir haben es nicht geschafft, die Positionierung so herzustellen, dass wir Zugriff aufs Spiel hatten. Wir haben viel investiert, sind viel gelaufen. Das zeigen auch die Daten. Gleichzeitig waren wir viel am Reparieren für unsere Positionierung“, beschrieb der Österreicher. Keller sekundierte, die Mannschaft habe nur ausgesehen, als sei sie „nicht griffig“ gewesen. Doch dieser Eindruck habe getäuscht: „Wir waren schon griffig, wir waren nur falsch positioniert.“ Das habe zu „springenden Achtern“ geführt, dozierte der Geschäftsführer in bester Taktikprosa.

Wir haben ein Topspiel gesehen, das seinen Namen verdient hatte. Zwei klasse Mannschaften sind heute aufeinandergetroffen
Herthas Trainer Stefan Leitl

Man durfte allerdings auch ganz konventionell sagen, dass Berlin die besseren Fußballspieler auf dem Platz hatte, die besser Fußball spielten. Schon zur Pause hätte die Hertha deutlich führen müssen. Winkler hatte nach einer Flanke von der rechten Seite freistehend ein spektakuläres Luftloch getreten, später hatte Pacarada Reeses Schuss geblockt, der ins Tor gegangen wäre. Dann schoss Maza aus nächster Nähe aufs kurze Eck, doch Schwäbe lenkte den Ball noch an den Pfosten.

Zur Pause stellte Struber um, „um systemisch mehr Zugriff zu bekommen“, wie der Trainer formulierte. Noch bevor die neue Formation ihre Wirkung entfalten konnte, war allerdings Fabian Reese aufgetreten. Struber sprach von einem „speziellen Tor“, es war ein respektvoller Umgang mit der Klasse des Gegners. Leitl reihte sich ein, als er befand, die 50.000 im Stadion hätten „ein Topspiel gesehen, das seinen Namen verdient hatte. Zwei klasse Mannschaften sind heute aufeinandergetroffen.“ Das ging vielleicht etwas weit. Doch der Umgang der Protagonisten mit diesem Fußballabend war ein sehr würdevoller.

Gerhard Struber litt am Samstag mit seiner Mannschaft.

Gerhard Struber litt am Samstag mit seiner Mannschaft.

Im zweiten Durchgang schoben sich die Kölner ein wenig weiter nach vorn, hatten gar Momente, in denen sie den Gegner unter Druck setzten. Und auch zwei Gelegenheiten, die derart gut waren, dass Gerhard Struber schon die Kölner Torhymne in den Ohren hatte: „Wir haben Chancen herausgespielt, bei denen grundsätzlich das Trömmelche zum Trommeln anfängt“, sagte er. Doch die „Räuber“ spielten nicht auf am Samstag. Erstmals seit dem Jahr 2014 blieb der 1. FC Köln in einem Zweitliga-Heimspiel ohne Treffer.

Christian Keller schloss mit der Feststellung, die Kölner Leistung sei „okay“ gewesen, Gerhard Struber hob berechtigterweise auch auf die Gäste ab, die dem FC die Grenzen aufgezeigt hatten. „Es hatte heute auch viel mit dem Gegner zu tun. Das war eine bärenstarke Leistung der Hertha.“

1. FC Köln: Schwäbe – Schmied, Martel, Heintz (65. Finkgräfe) – Thielmann (73. Pauli), Olesen (65. Ljubicic), Pacarada – Waldschmidt (77. Kainz), Huseinbasic - Rondic (77. Downs), Lemperle; Hertha: Ernst – Gechter, Leistner, Zeefuik – Kenny, Demme, Winkler (84. Karbownik) – Cuisance (89. Bouchalakis), Maza (73. Sessa) – Reese, Scherhant (73. Schuler); Schiedsrichter: Sven Jablonski (Bremen); Tor: 0:1 Reese (46.); Zuschauer: 50.000 (ausverkauft) .