Trainer-Veteran Friedhelm Funkel spricht über das spannende Aufstiegsrennen und darüber, was bei seinem Ex-Klub 1. FC Köln schief läuft.
Ex-FC-CoachDarum sieht Funkel das Wirken von Kölns Sportchef besonders kritisch

Trainer-Legende Friedhelm Funkel war 2024 zuletzt beim 1. FC Kaiserslautern tätig. 2021 hatte er den 1. FC Köln vor dem Bundesliga-Abstieg bewahrt.
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Im Profi-Geschäft hat er alles erlebt und weit über 1400 Spiele als Profi und Trainer absolviert. Doch auch mit mittlerweile 71 Jahren kann Friedhelm Funkel nicht ganz von seinem Beruf lassen, der für ihn eine Berufung ist. Jedenfalls hat der gebürtige Neusser seine Trainer-Karriere noch nicht beendet – er fühlt sich schließlich noch fit.
Das Aufstiegsrennen in der 2. Bundesliga steht bei Funkel ganz besonders im Fokus. Am Samstagabend wird der Coach auf dem Betzenberg beim Zweitliga-Verfolgerduell zwischen seinen Ex-Klubs Kaiserslautern und Düsseldorf zu Gast sein. Aber mindestens genauso verfolgt Funkel auch den 1. FC Köln, den er gleich zwei Mal trainierte und 2021 vor dem Abstieg aus der Bundesliga bewahrte.
Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Funkel über das spannende Aufstiegsrennen und darüber, was beim FC schief läuft. Der Coach hat da eine deutliche Meinung und sieht vor allem das Wirken des Kölner Sport-Geschäftsführers Christian Keller kritisch.
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Herr Funkel, Sie haben in der jüngeren Vergangenheit mit dem 1. FC Köln, dem 1. FC Kaiserslautern und Fortuna Düsseldorf drei Vereine trainiert, die in dieser Saison noch allesamt Chancen auf den Sprung in die Bundesliga haben. Wie beurteilen Sie das Aufstiegsrennen?
Friedhelm Funkel: Am Anfang der Saison hatte ich mich festgelegt, dass es der FC und der Hamburger SV schaffen werden. Dabei bleibe ich. Beim HSV gehe ich sogar zu 100 Prozent davon aus. Die Mannschaft wirkt unter Trainer Merlin Polzin, der bei den Spielern ankommt, deutlich stabiler als in den Jahren zuvor. Von einem erneuten Einbruch auf der Zielgeraden gehe ich deshalb nicht aus. Der HSV hat zudem mit Davie Selke, Ransford Königsdörffer und dem wiedergenesenen Robert Glatzel gleich drei echte Torjäger – da kann kein anderer Verein auch nur annähernd mithalten. Für den FC wie den HSV ist der Aufstieg Pflicht. Für die Kölner wird bereits die kommende Partie in Paderborn zum absoluten Schlüsselspiel. Der FC muss mindestens ein Unentschieden holen um Paderborn auf Distanz halten. Sollten die Kölner verlieren, ist das große Ziel aber in Gefahr. Paderborn hätte dann auch das Momentum auf seiner Seite. Und beim FC würde die Unruhe, die bereits unterschwellig zu vernehmen ist, aber von Platz zwei und den knappen Siegen zuletzt noch in den Hintergrund gedrängt wird, deutlich zunehmen. Der Samstag wird spannend: Paderborn ist aus meiner Sicht leicht favorisiert, die Mannschaft hat deutlich weniger zu verlieren als der FC. Sollte der FC nicht aufsteigen, dürfte die Mannschaft in wesentlichen Teilen auseinanderfallen. Abends bin ich dann beim Spiel zwischen Lautern und Fortuna auf dem Betzenberg. Klar ist: Verliert die Fortuna, ist sie aus dem Aufstiegsrennen raus. Und Lautern mittendrin.
Der frühere FC-Profi Davie Selke hat für den HSV in 24 Ligaspielen 17 Treffer erzielt. Hätten Sie ihm das zugetraut? Und war es fahrlässig vom FC, ihn in der Sommerpause nicht zu halten?
Ich hätte ihm das ehrlicherweise nicht zugetraut. Ich bin kein Fan von Davie Selke, weder von seiner Theatralik, Körpersprache noch von seiner Spielweise. Er hatte zuvor auch überhaupt nur in einer Saison zweistellig getroffen. 17 Tore jetzt sind ein Statement – dafür absoluten Respekt! Ob Selke allerdings auch in Köln so funktioniert hätte, das ist im Nachhinein einfach, es zu behaupten. Selke profitiert auch von der Spielweise des HSV mit den vielen Flanken. Beim FC sehe ich diese Flankenstärke, die die Mannschaft mal hatte, längst nicht mehr so.
Gelingt der Aufstieg, ist das große Ziel erreicht. Dennoch ist dann nicht plötzlich alles gut. Auch dann sollten die Verantwortlichen die Saison auf den Prüfstand stellen
Der FC steht auch für seine Spielweise unter Coach Gerhard Struber in der Kritik. Was ist Ihre Meinung?
Ich sehe das natürlich auch aus Trainer-Sicht: Das Wichtigste ist, die Spiele zu gewinnen. Zu Beginn der Saison hat der FC attraktiver gespielt, aber die Ergebnisse nicht erzielt. Und damit war auch keiner glücklich, im Gegenteil, der Druck auf Struber und Sportchef Christian Keller wurde immer größer. Gerhard Struber hat von der Grundausrichtung und der Herangehensweise etwas geändert, mehr auf Erfahrung gesetzt – und die Ergebnisse wurden besser. Gelingt der Aufstieg, ist das große Ziel erreicht. Dennoch ist dann nicht plötzlich alles gut. Auch dann sollten die Verantwortlichen die Saison auf den Prüfstand stellen und ihre Schlüsse ziehen. Denn der Kader des FC gibt eigentlich mehr her.
Warum ist der FC mit diesem Kader denn nicht in der Lage, besseren Fußball zu spielen?
Die Mannschaft, aber im Prinzip der ganze Verein steht unter Druck. Auch, weil vieles in der jüngeren Vergangenheit schiefgegangen ist und der Abstieg in der vergangenen Saison absolut vermeidbar gewesen wäre. Von außen betrachtet fehlen mir in der Mannschaft ein, zwei Persönlichkeiten, Führungsspieler, die die Richtung vorgeben. Mir ist auch zu wenig Reibung in der Truppe.
Trainer Struber wechselt wiederholt zwischen Dreier- und Viererabwehrkette. Trägt das zur Verunsicherung bei?
Das darf kein Alibi sein. Eine Profi-Mannschaft mit Ambitionen muss absolut in der Lage sein, zwei Systeme zu spielen. Das wird schließlich in den Trainingseinheiten immer wieder einstudiert. In der vergangenen Saison habe ich mit Kaiserslautern in der Endphase des Abstiegskampfs auch von Vierer- auf Dreierabwehrkette umgestellt und das darauffolgende, ganz wichtige Spiel in Kiel 3:1 gewonnen.
Klare Meinung von mir: Das sind keine Verstärkungen. Die Verantwortlichen hatten über ein Jahr Zeit, sich auf die Transferperiode vorzubereiten. Die Neuzugänge hätten Soforthilfen sein müssen
Der FC hat im Winter nach Ende der Transfersperre in Imad Rondic, Joel Schmied und Jusuf Gazibegovic drei Spieler verpflichtet. Wie sehen Sie das Trio?
Klare Meinung von mir: Das sind keine Verstärkungen. Die Verantwortlichen hatten über ein Jahr Zeit, sich auf die Transferperiode im Winter vorzubereiten. Es galt, erst einmal die Chance auf den direkten Wiederaufstieg zu erhöhen. Dann kann ich aber nicht öffentlich sagen, dass die Transfers nicht als Soforthilfen gedacht seien. Doch, es müssen Soforthilfen sein, die aber natürlich auch mittelfristig der Mannschaft weiterhelfen sollen. Sind sie es nicht, hätte man auch nicht so viel Geld investieren müssen. Was ich nicht verstehe: Seit Monaten war klar, dass der FC händeringend einen Mittelstürmer sucht. Und der kommt dann am letzten Tag des Transferfensters. Bislang sehe ich nicht, warum Rondic für die Mannschaft eine Verstärkung sein soll. Er hat einen Viereinhalb-Jahres-Vertrag – mein lieber Mann…
Die Kritik an Sport-Geschäftsführer Christian Keller, der seit drei Jahren im Amt ist, lässt nicht nach. Zurecht?
Christian Keller ist ein sehr intelligenter Mann. Ich glaube, dass seine Kompetenzen vor allem in anderen Bereichen liegen. Er ist eloquent, kann vieles gut erklären. Er ist ein guter Verkäufer. Und er scheint ein guter Zahlenmensch zu sein, der wesentlichen Anteil daran hat, dass sich der finanziell konsolidiert hat. Das war ganz sicher in einem bestimmten Maß auch unausweichlich. Aber um welchen Preis? Der Abstieg in der vergangenen Saison, der – wie erwähnt – absolut zu vermeiden gewesen wäre – kostet immer deutlich mehr als bestimmte Einsparungen beim Kader. Ich frage mich nur: Woher sollte Christian Keller denn auch die Expertise und Erfahrung haben, um bei einem großen Klub wie dem FC auch sportlich die richtigen Entscheidungen zu treffen? Unbestritten hatte er zuvor seine Verdienste bei Jahn Regensburg, aber der FC ist eine ganz andere Hausnummer. Und beim FC kommt es eben noch mehr auf Teamwork an. Es gibt heute im Fußball Leute, die denken, sie könnten alles und wüssten auch alles. Diese Leute sind mir in fünf Jahrzehnten im Profifußball aber nur ganz, ganz selten begegnet.
Woher sollte Christian Keller denn auch die Expertise und Erfahrung haben, um bei einem großen Klub wie dem FC auch sportlich die richtigen Entscheidungen zu treffen?
Und beherrscht Keller kein Teamwork? Entscheidet er zu viel alleine?
Beim FC gibt es mit Thomas Kessler auch noch den Leiter der Lizenzspielerabteilung. Den Eindruck hat man, wenn man mit Leuten im und rund um den FC spricht. Es hat wohl auch Gründe, warum mit Markus Rejek der dritte Geschäftsführer aufgehört hat. Ich kenne Markus seit sehr vielen Jahren, er ist ein absoluter Fachmann und zudem ein guter Typ. Thomas Kessler hat einen guten Einblick in die Mannschaft und ins Geißbockheim, er hat Ahnung vom Geschäft, aber irgendwie nimmt man ihn öffentlich kaum wahr. Vielleicht überlegt der FC ja, im sportlichen Bereich neben Christian Keller noch einen weiteren Mann zu installieren, der eine gewisse Erfahrung und Expertise mitbringt. Ich weiß nur nicht, ob Keller das auch mittragen würde. Er scheint mir sehr meinungsstark zu sein.
Kritisiert wird auch der FC-Vorstand, den man derzeit ebenfalls kaum wahrnimmt. Wie ist Ihr Verhältnis zu Werner Wolf und Co.?
Das ist derzeit absolut in Ordnung, die drei Herren sind sehr freundlich zu mir. Dass ein Vorstand sich grundsätzlich eher im Hintergrund hält, das kann manchmal auch ein Vorteil sein – da spreche ich aus Erfahrung (lacht). Ich nehme allen dreien ab, dass ihnen das Wohl des Klubs am Herzen liegt. Dennoch bin ich der Meinung, dass es dem aktuellen Vorstand an sportlicher Kompetenz fehlt.
ZUR PERSON
Friedhelm Funkel, geboren am 10. Dezember 1953 in Neuss, hat weit über 1400 Partien als Spieler (u. a. 1. FC Kaiserslautern und Bayer 05 Uerdingen, 1985 Pokalsieger) und Trainer im Profifußball bestritten. Für den 1. FC Köln war er gleich zwei Mal als Coach tätig: 2002/2003 und 2021. 2003 gelang ihm mit dem FC der Bundesliga-Aufstieg, 2021 rettete er den FC vor dem Erstliga-Abstieg. Zudem trainierte der Rheinländer im Profibereich den MSV Duisburg, Hansa Rostock, Eintracht Frankfurt, Hertha BSC, VfL Bochum, Alemannia Aachen, 1860 München, Fortuna Düsseldorf und 2024 den 1. FC Kaiserslautern, der er vor dem Zweitliga-Abstieg bewahrte. Funkel ist der einzige Coach, der sechs Mal in die Bundesliga aufstieg. (ksta)