Der 1. FC Köln tut sich besonders in der Offensive extrem schwer. Die Erfahrung früherer Aufstiege zeigt: Die Mannschaft müsste für die Erste Liga extrem aufgerüstet werden.
1. FC Köln in der Zweiten LigaWie gelingt der Aufstieg – und was kommt danach?

Sollte der Aufstieg in dieser Saison gelingen, bräuchte FC-Sportchef Christian Keller auf dem Transfermarkt mehr Glück als in der Vergangenheit.
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Der Ärger war groß nach dem 0:1 gegen Hertha BSC im Topspiel am Samstagabend, und die Niederlage wurde nicht leichter zu ertragen, als am Sonntagnachmittag auch noch der 1. FC Kaiserslautern gegen Magdeburg verlor. Zwar rückte das Verfolgerfeld dadurch enger zusammen. Doch für den 1. FC Köln blieb kurioserweise eine positive Bilanz des Wochenendes: Wieder ist ein Spiel abgehakt; bei noch sechs ausstehenden Partien in dieser Zweitliga-Saison haben die Kölner vier Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz. Die Geschichte scheint tatsächlich den Verlauf zu nehmen, der sich seit dem Winter abgezeichnet hat: Am Ende könnte der FC aufgestiegen sein, ohne ein einziges überzeugendes Rückrundenspiel absolviert zu haben.
Torflaute mit historischer Dimension
Am Samstag jedenfalls konnte die Kölner Mannschaft den leichten Aufwärtstrend des Spiels gegen Paderborn (2:1) nicht bestätigen. Gegen zeitweise fulminant aufspielende Berliner blieb der FC erstmals seit 2014 in einem Zweitliga-Heimspiel ohne Tor. Dabei hatte Mannschaft durchaus Chancen. „Da muss halt einer rein gegen einen Gegner mit dieser Qualität“, sagte Sportchef Christian Keller.
Dennoch deutet einiges auf den Aufstieg hin. Ein Sieg über Hertha BSC hätte den Kölner Vorsprung auf sieben Punkte geschraubt, das wäre womöglich die Vorentscheidung im Kampf um die direkte Rückkehr ins Oberhaus gewesen. So fehlen noch ein paar Punkte, doch angesichts der Ausgeglichenheit einer zwar prominent besetzten, fußballerisch jedoch eher biederen Liga könnte in diesem Jahr auch eine geringe Ausbeute genügen.
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Da muss halt einer rein gegen einen Gegner mit dieser Qualität
Der punktschwächste direkte Aufsteiger der letzten fünf Jahre war Werder Bremen in der Saison 2021/22 mit 63 Punkten – einem Schnitt von 1,85 Punkten pro Spiel. Der FC liegt derzeit nach 28 Spielen mit 50 Zählern und einem Schnitt von nur 1,78 Punkten auf dem zweiten Rang. Würden die Kölner so weiterpunkten und auch die Konkurrenz ihren bisherigen Schnitt beibehalten, käme die Mannschaft nach 34 Spieltagen auf 61 Punkte. Eine Schande wäre das nicht, der VfB Stuttgart kehrte im Frühjahr 2020 mit nur 58 Punkten in die Bundesliga zurück. Dennoch ist die Ausbeute ziemlich gering.
61 Punkte für den direkten Aufstieg – der FC müsste also seine ausstehenden Heimspiele gegen die Abstiegskandidaten Münster und Regensburg gewinnen und zum Abschluss im eigenen Stadion noch den 1. FC Kaiserslautern besiegen. Besser wäre jedoch, es nicht darauf ankommen zu lassen, denn ein Finale um Platz 2 wäre zwar ein schöner Höhepunkt zum Abschluss. Aber auch etwas nervenzehrend. Besser, Köln gewinnt bereits eines der Auswärtsspiele. Am Freitag bietet sich etwa beim Tabellen-14. in Fürth eine gute Gelegenheit.
Beim bislang letzten Aufstieg überquerte der FC die 60-Punkte-Marke bereits am 29. Spieltag. Es war ein besonderes Jahr. Nach Niederlagen in den folgenden Partien gegen Dresden und Darmstadt vollzog der Verein die Trennung von Cheftrainer Markus Anfang. Am 32. Spieltag machte Köln dann in Fürth mit einem 4:0-Sieg den Aufstieg perfekt – in jener Saison hätten sogar Anfangs erspielte 60 Punkte genügt, um als Meister aufzusteigen. Paderborn wurde mit 57 Zählern Zweiter. Anfang, der gebürtige Kölner, dürfte der Möglichkeit, mit seinem aktuellen Klub 1. FC Kaiserslautern in Köln am letzten Spieltag aufzusteigen, durchaus aufgeschlossen sein.
Offensiv überzeugten die Kölner in der Zweitligasaison unter Anfang vollends. Mit einem Durchschnitt von 2,41 erzielten Toren pro Spiel und 1,32 Gegentreffern stellte die Mannschaft die mit Abstand beste Offensive der Liga. Auffällig waren die individuellen Offensivleistungen: Simon Terodde, Jhon Córdoba, Louis Schaub, Dominick Drexler und Serhou Guirassy kamen mit dem erst nachverpflichteten Anthony Modeste auf durchschnittlich fast sechs Torbeteiligungen pro 90 Minuten – ein herausragender Wert, der zeigt, wie sehr die Klasse der Einzelspieler damals zum dominanten Spielstil beitrug. Nach dem Aufstieg in die 1. Bundesliga blieb der Großteil dieses offensiven Kerns erhalten: Fünf der sechs Topscorer gehörten auch in der Folgesaison zum Kader, nur Guirassy war bereits im Januar 2019 nach Frankreich verliehen worden. Doch der Schritt in die höhere Spielklasse hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Effektivität der Kölner Angreifer. Die Torbeteiligungen der verbliebenen fünf Spieler fielen drastisch auf 2,21 pro 90 Minuten – weniger als die Hälfte des Vorjahreswerts.

Gerhard Struber (l.) und Geschäftsführer Christian Keller mühen sich derzeit durch die Zweite Liga.
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Die Gründe dafür sind vermutlich vielfältig: höhere individuelle Qualität der Gegner, weniger Raum im letzten Drittel, schnelleres Spieltempo und nicht zuletzt eine möglicherweise fehlende Anpassung an das Bundesliga-Niveau. Klar ist: Die Spieler, die in der Zweiten Liga überragten, hatten auf der nächsthöheren Stufe deutliche Schwierigkeiten, ihre Leistung aufrechtzuerhalten.
In dieser Saison zeigt sich ein komplett anderes Bild in der Offensive als 2019. Tim Lemperle, Damion Downs, Linton Maina, Luca Waldschmidt, Florian Kainz und Dejan Ljubicic kommen bislang zusammen auf im Schnitt 3,3 Torbeteiligungen pro Spiel, nur gut halb so viele wie 2018/19. Die individuelle Qualität der Kölner Mannschaft ist zusammengebrochen, und sollte sich der Trend des letzten Aufstiegs wiederholen, droht den Kölnern in der Bundesliga Schlimmes.
Die Ergebnisse stimmen – einigermaßen
Strukturell ist der FC dennoch in der Lage, Ergebnisse zu liefern – jedenfalls in der Zweiten Liga mit ihren deutlich geringeren Ansprüchen. Individuell ist dagegen schon jetzt deutlich, dass dem Team nach dem Aufstieg die Substanz fehlen dürfte. Und es ist damit zu rechnen, dass es nicht unbedingt besser wird. Tim Lemperle wird im Sommer gehen, auch Linton Maina hat noch kein Bekenntnis abgegeben. Diese Profis gleichwertig zu ersetzen, wird schwierig genug. Eine deutliche Verbesserung herbeizuführen, wirkt nach den jüngsten Kölner Leistungen auf dem Transfermarkt beinahe ausgeschlossen.
Die sinkende individuelle Klasse hat sich in dieser Saison nur bedingt über eine bessere Arbeit im Kollektiv auffangen lassen. Zwar spricht Trainer Gerhard Struber schon seit Monaten davon, dass seine Mannschaft fußballerisch erstarken müsse. Doch von einem ausgefeilten Offensivkonzept, das auch nach dem Aufstieg greifen könnte, ist derzeit wenig zu sehen. Es wird auf die Mischung ankommen aus einem stimmigen Konzept des Trainers. Und punktuellen Verstärkungen durch den Sportchef.