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Im Interview vor Duell am FreitagRachid Azzouzi über Ex-Klub Fürth, FC-Gerüchte und kühne Reformen

Lesezeit 7 Minuten
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Rachid Azzouzi war bis Ende Oktober 2024 Sport-Geschäftsführer beim kommenden FC-Gegner Greuther Fürth.

Rachid Azzouzi war bis Herbst 2024 insgesamt 22 Jahre für den kommenden FC-Gegner Fürth tätig und spielte einst selbst im Köln.

Er wuchs in Aachen auf, spielte in der Jugend kurz für den 1. FC Köln und später als Profi für Fortuna Köln: Rachid Azzouzi. Der heute 54-Jährige ist nach seiner aktiven Karriere, die er 2004 beendete, seit rund 20 Jahren als Manager im Profifußball tätig, war Sportdirektor für den FC St. Pauli, Fortuna Düsseldorf und hat vor allem über eine Dekade für den kommenden Kölner Gegner SpVgg Greuther Fürth (Freitag, 18.30 Uhr) in verantwortlicher Position gearbeitet. Doch Ende Oktober 2024 folgte für den Geschäftsführer Sport das überraschende Aus bei den Franken, die er zwei Mal in die Bundesliga geführt hatte.

Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Azzouzi über FC-Gegner Fürth, die Kölner Saison, die Entwicklungen von Jonas Urbig und Tim Lemperle (spielten 2023/24 als FC-Leihspieler in Fürth), das Niveau der 2. Bundesliga, spannende Reform-Pläne und seine Zukunft.

Herr Azzouzi, Sie waren rund 20 Jahre lang fast ununterbrochen als Sportchef im Profifußball tätig, zuletzt und bis Ende Oktober 2024 sieben Jahre beim kommenden FC-Gegner Greuther Fürth. Wie fühlt sich gerade die Zeit ohne den täglichen Druck an?

Rachid Azzouzi: Das Ende und die Zeit in Fürth musste ich am Anfang erst einmal verarbeiten, denn ich war insgesamt 22 Jahre und zuletzt sieben Jahre am Stück für den Verein tätig. Diese Verarbeitung braucht etwas Zeit, der Klub lag und liegt mir schließlich am Herzen. Und es kamen Fragen auf: Warum ist es zur Trennung gekommen? Klar, Trennungen, erst recht auf Führungspositionen, gehören im Profi-Geschäft nun einmal dazu. Es gibt dir die Möglichkeit, die Zeit des eigenen Wirkens zu reflektieren. Und das habe ich getan. Derzeit genieße ich gerade die Zeit ohne den ständigen Druck und die tägliche Erreichbarkeit und bin für ein paar Tage in meinem Geburtsland Marokko unterwegs.

Kam das vorzeitige Ende in Fürth für Sie überraschend?

Ja, und es hat mir anfangs auch sehr weh getan. Wir hatten in den letzten sieben Jahren gemeinsam viel erreicht. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass wir mit einem kleineren Klub wie Fürth zwei Mal innerhalb von zehn Jahren in die Bundesliga aufgestiegen sind. Auch infrastrukturell hat sich vieles zum Positiven entwickelt. Das Feedback auf unsere Arbeit war und ist immer noch positiv. Und was mich besonders freut: Die SpVgg steht für besondere Werte, eine klare Haltung und einen Weg insbesondere mit jungen Spielern. Man hat uns da oft mit dem SC Freiburg verglichen. Mit David Raum, Anton Stach und Jamie Leweling zählen drei Kleeblatt-Aufstiegsspieler von 2021 zum Kader der deutschen A-Nationalmannschaft.

Haben Sie konkrete Pläne? Noch sind Sie freigestellt, Ihr Vertrag in Fürth läuft bis 2026.

Das stimmt, das ist der Vertrag. Wissen Sie, ich bin zwar schon lange im Geschäft, aber ich fühle mich auch mit 54 noch relativ jung (lacht). Ich bin fit und verspüre auch wieder Lust auf eine neue Aufgabe und Herausforderung. Ich bin bereit für etwas Neues, aber ich gehe das gelassen an, denn es muss auch passen. Der Klub muss zu mir passen und auch die Menschen, die in diesem Klub arbeiten.

Man empfindet natürlich Wertschätzung, wenn dein Name bei einem Klub mit der Strahlkraft des FC gehandelt wird
Rachid Azzouzi über einstige Köln-Gerüchte

Sie kommen aus dem Rheinland, haben in der Jugend für den FC und später im Profibereich für Fortuna Köln gespielt. Dann waren Sie zwei Mal auch beim FC als Sportchef im Gespräch – 2012 und noch einmal im Herbst 2019. Wie konkret war das?

Man empfindet natürlich Wertschätzung, wenn dein Name bei einem Klub mit der Strahlkraft des FC gehandelt wird. Es gab Anfragen, allerdings beide Male am Ende keine konkreten Gespräche. 2012 bin ich dann als Sportdirektor zu St. Pauli gewechselt, 2019 habe ich meine Arbeit in Fürth fortgesetzt. Es ist alles okay, wie es gelaufen ist.

Der 1. FC Köln hat natürlich aktuell eine sportliche Führung. Würde Sie der Verein dennoch in Zukunft noch einmal reizen?

Sie sagen es, der FC hat eine sportliche Führung, da äußert man sich aus Respekt vor Christian Keller und seinem Team natürlich nicht. Ich bin im Rheinland groß geworden, habe gerne in Köln gelebt und gespielt und mag auch den Karneval und die kölschen Lieder. Und wenn du vor den FC-Heimspielen dann das Stadion in Müngersdorf betriffst und kurz darauf die FC-Hymne hörst, da bekommst du Gänsehaut – auch als Vertreter des Gegners.

In der vergangenen Saison liefen Tim Lemperle und Jonas Urbig als Kölner Leihgaben für Fürth auf. Wie bewerten Sie ihre Entwicklung?

Von dem Leihgeschäft haben alle Seiten profitiert. Sie haben die Mannschaft verstärkt. Und den Jungs hat die Saison in Fürth richtig gutgetan, sie haben einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht – auch in Sachen Persönlichkeit.

Waren Sie überrascht davon, dass Urbig Ende Januar zum FC Bayern gewechselt ist?

Nein. Der Saisonverlauf in Köln und die Situation mit Konkurrent Marvin Schwäbe im Tor, der dann doch beim FC geblieben und ein überdurchschnittlicher Torwart ist, war natürlich nicht einfach für ihn. Doch Jonas ist nicht nur ein herausragender Torwart mit enormem Potenzial, sondern für sein junges Alter auch schon eine erstaunliche Persönlichkeit. Er ist ein sehr ehrgeiziger, fokussierter junger Mann, der auf Ziele genau hinarbeitet. Als ich manchmal um 9 Uhr morgens ins Büro ging, kam er mir schon entgegen – und zwar von seiner ersten eigenen Trainingseinheit. Jonas ist zudem selbstkritisch, familiär und bodenständig. Ich bin mir ganz sicher, dass er seinen Weg machen wird. Er kann jetzt noch hinter Manuel Neuer weiter reifen und von ihm profitieren. Ich traue Jonas so gut wie alles zu (lacht).

Dass beide Jungs, die vom FC ausgebildet worden sind, ihre Zukunft woanders sehen, ist natürlich bitter für den Verein. Allerdings wird man das als Zweitligist nie ganz verhindern können
Azzouzi über Jonas Urbig und Tim Lemperle, die 2023/24 in Fürth spielten

Und wie sehen Sie Tim Lemperle, der im Sommer vom FC zur TSG Hoffenheim wechselt?

Tim ist ein ganz anderer Typ als Jonas. Er gefällt mir von seiner Spielweise. Er ist ein eleganter Spieler, der eine Anlauf-Maschine ist, der aber vielleicht nie der ganz große Torjäger wird – auch wenn er zu Beginn der Saison sehr oft getroffen hat. Es war bitter für ihn und den FC, dass er länger verletzt war. Ich traue ihm zu, dass er sich auch in der Bundesliga durchsetzt. Dass beide Jungs, die vom FC ausgebildet worden sind, ihre Zukunft woanders sehen, ist natürlich bitter für den Verein. Allerdings wird man das als Zweitligist nie ganz verhindern können. Als Bundesligist wird der FC für viele Spieler wieder eine andere Anziehungskraft besitzen.

Wie beurteilen Sie die Kölner Saison?

Erst einmal: Ich gönne dem 1. FC Köln den Bundesliga-Aufstieg und bin mir auch sicher, dass er es neben dem Hamburger SV am Ende schaffen wird – trotz gewisser Probleme. Beide Klubs haben für mich dann doch die besten Kader der Liga. Der HSV hat in der Offensive noch mehr Optionen und Qualität, insgesamt sehe ich den Kölner Kader aber noch etwas besser besetzt. Der FC hat anfangs sehr offensiv gespielt, mutig und attraktiv, aber nicht erfolgreich wie gewünscht. Dann hat der Trainer nachjustiert und ergebnisorientierter spielen lassen. Das Wichtigste ist erst einmal, dass dir der Aufstieg gelingt. Und danach ist es wichtig, dass du die Saison genau analysierst, um dann in der Bundesliga auch bestehen zu können.

Was das spielerische Niveau angeht, stimmt das nicht. Das hat dann auch viel mit Marketing zu tun
Azzouzi über das Gerede von der „besten 2. Bundesliga aller Zeiten“

Oft war von der „besten 2. Bundesliga aller Zeiten“ die Rede. Wie sehen Sie das als Insider?

Was das spielerische Niveau angeht, stimmt das nicht. Das hat dann auch viel mit Marketing zu tun. Was man sagen kann: Es ist eine ungemein interessante und spannende Liga mit sehr vielen Traditionsklubs und großartigen Kulissen. Die Fußballkultur lebt einfach in der 2. Bundesliga. Doch in vielen Bereichen ist der Abstand zur Bundesliga auch groß. Und er wird zunehmend noch größer, die Schere geht vor allem aufgrund der völlig unterschiedlichen Einnahme-Möglichkeiten immer weiter auseinander. Der FC ist leider schon sieben Mal abgestiegen. Jede Saison in der 2. Bundesliga raubt dir ungemein Substanz – erst recht großen Traditionsklubs wie Köln und dem HSV, der jetzt aufsteigen dürfte – allerdings im siebten Anlauf. Der Fußball in der ersten Liga ist zudem noch athletischer, schneller, handlungsschneller, auch technisch versierter.

In den vergangenen Jahren hat man in den Relegationsspielen oft die Kräfteverhältnisse gesehen. In 13 von 16 Relegationsrunden hat sich der Erstligist durchgesetzt, in den letzten fünf Jahren immer der Bundesligist. In der Bundesliga kann vielleicht noch der Zehnte um Europa spielen, in der zweiten Liga steigen zwei Klubs direkt auf, aber für viele Vereine zwischen Aufstiegs- und Abstiegszone geht es ab einem gewissen Zeitpunkt in der Saison um wenig bis nichts mehr. Deshalb bin ich für eine Reform mit Aufstiegs-Play-offs nach englischem Vorbild: Der Bundesliga-16. spielt im Halbfinale gegen den Zweitliga-Fünften und der Zweitliga-Dritte gegen den Zweitliga-Vierten. Und dann kommt es zu einem Endspiel um die Bundesliga auf neutralem Platz.

Herr Azzouzi, und was erwarten Sie für ein Spiel am Freitag zwischen Fürth und Köln?

Ein sehr intensives, spannendes Spiel. Beide stehen unter Druck. Ich bin mir aber sicher, dass beide Vereine ihre Ziele erreichen werden: Köln den Aufstieg und Fürth den Klassenerhalt.