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Wechsel zum FC Bayern perfektJonas Urbig hat die Chance seines Lebens

Lesezeit 5 Minuten
Jonas Urbig verabschiedete sich am Samstag nach dem Sieg über die SV Elversberg von den FC-Fans im Rhein-Energie-Stadion.

Jonas Urbig verabschiedete sich am Samstag nach dem Sieg über die SV Elversberg von den FC-Fans im Rhein-Energie-Stadion.

Jonas Urbig wechselt vom 1. FC Köln zu Bayern München, wo er als Manuel Neuers Nachfolger aufgebaut werden soll, der Torwart unterschreibt einen Vertrag bis 2029

Elf Pflichtspiele hat Jonas Urbig am Ende für den 1. FC Köln absolviert und damit elf mehr als Florian Wirtz, Kölns letzter Jugendspieler, dem eine internationale Karriere vorausgesagt wurde, als er seinen Heimatklub verließ. Dass Wirtz nie als Profi das FC-Trikot getragen hat, trägt zum Kölner Trauma bei. Hinzu kam damals, dass Wirtz praktisch keine Ablösesumme einbrachte, als er vor exakt fünf Jahren Abschied nahm vom Geißbockheim und nach Leverkusen wechselte, wo er sich nun anschickt, einer der besten Fußballer der Welt zu werden.

Auch das ist im Fall des Torhüters Jonas Urbig anders, besser. Knapp zehn Millionen Euro für einen Spieler, für den in Köln in dieser Saison keine Spielzeit mehr reserviert war. Für einen Spieler zumal, dessen Vertrag im Sommer nur noch ein Jahr gültig gewesen wäre. Die Trennung vom „Kronprinzen“, wie der frühere FC-Sportchef Jörg Jakobs Urbig einmal ungewollt plakativ genannt hatte, ist eine, von der die Kölner finanziell profitieren. Dass Jonas Urbig zu gut für den 1. FC Köln der Gegenwart war, um wie vor ihm Toni Schumacher oder Bodo Illgner eine Ära prägen zu können, war ohnehin klar.

Für Urbig selbst bedeutet der Abschied aus der Heimat einen weiteren Aufbruch. Der 21-Jährige hat bei seinen Leihen nach Regensburg und Fürth bewiesen, dass er trotz seiner Jugend in der Lage ist, sich auf fremde Umgebungen einzustellen. In München wird er erneut auf die Probe gestellt. Zwar war er in Köln an Nervosität und öffentliche Aufmerksamkeit gewöhnt. Doch beim FC Bayern wird er eine Kabine voller Superstars vorfinden, in der er zwar als Torwart der deutschen U-21-Nationalelf, aber eben auch als die Nummer 2 eines Zweitligisten begrüßt werden wird. Dennoch wird der Rekordmeister den gebürtigen Euskirchener menschlich wie sportlich weiterbringen, finanziell sowieso.

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Gleichzeitig hat sich der FC Bayern das spannendste deutsche Torwarttalent gesichert. Urbig könnte für den Rekordmeister der Spieler sein, dem man zumindest zutrauen darf, eines Tages in Manuel Neuers Fußspuren zu gehen. Ob Urbig dann tatsächlich das Potenzial zur absoluten Weltklasse hat, wird sich erweisen müssen. Ein paar Zentimeter mehr Körperlänge würden dem mit 1,89 Metern gemessenen Keeper nicht schaden. Doch an seiner Größe wird Urbig nicht scheitern. Marc-André ter Stegen ist 1,87; Jan Oblak 1,88 Meter groß. Urbig wäre nicht der erste Spitzenkeeper unter 1,90 Metern.

Jonas Urbig im Trikot der deutschen U21-Nationalmannschaft im Spiel gegen Dänemark

Jonas Urbig im Trikot der deutschen U21-Nationalmannschaft im Spiel gegen Dänemark

Marvin Schwäbe wird seinem jungen Kollegen nicht lange nachtrauern. Der 29-Jährige ist im besten Torhüteralter und mag zwar nicht der beste Flankenfänger im deutschen Fußball sein. Doch spielt er eine grundsolide Saison – und noch wichtiger im Torwartkontext: Er hat eine außerordentliche Wirkung auf seine Vorderleute. Bis 2027 steht der Keeper noch in Köln unter Vertrag, lebt mit der Familie im Umland. Ihn zu überzeugen, über 2027 hinaus beim FC zu bleiben und womöglich hier seine Karriere zu beenden, scheint für den FC gut machbar.

Christian Keller wird zufrieden auf sein Werk blicken. Der Kölner Sportchef hatte im Sommer davon ausgehen müssen, Schwäbe zu verlieren und daraufhin Leih-Rückkehrer Urbig etwas hastig zur Nummer 1 erklärt. Dass Schwäbe dann blieb und nicht ganz glücklich war, seinen Stammplatz so einfach an den Kollegen verloren zu haben, war nicht allein schlechtes Management, sondern auch eine Verkettung unglücklicher Umstände. Wenngleich ein ideales Management derlei Umstände einkalkuliert. Doch der 1. FC Köln neigt grundsätzlich nicht dazu, Dinge kommen zu sehen. So drohte zeitweise eine ganz andere Konstellation. Nämlich die, im Sommer 2025 Marvin Schwäbe zu verlieren. Und Jonas Urbig noch dazu, dann allerdings mit einem auslaufenden Vertrag für weniger Geld.

Ungeplant in perfekter Position

So ist der 1. FC Köln in eine großartige Lage geraten, für die niemand etwas konnte. Schwäbe war nicht so überragend im Training, dass er Urbig zwangsläufig beerben musste. Urbig wiederum war in seinen elf Pflichtspielen zuvor nicht schlecht genug, um dringend ausgetauscht werden zu müssen. Andererseits war er auch nicht so gut, um auf dem Radar des FC Bayern aufzutauchen und unbedingt für eine Millionenablöse verpflichtet werden zu müssen.

Dennoch hatten die Münchner Bedarf. Manuel Neuer ist mit 38 Jahren auf der Zielgeraden seiner Karriere, früher oder später braucht der Rekordchampion einen angemessenen Ersatz für den Weltmeister. Da es stets der Anspruch des Rekordmeisters war, die besten deutschen Spieler im Kader zu haben, war Urbig ein natürliches Ziel. Sven Ulreich, der 36-jährige Routinier, fehlte zuletzt mehrfach aus privaten Gründen. Daniel Peretz (23) vertrat Manuel Neuer, als der wegen eines Rippenbruchs fehlte, war aber zuletzt selbst mehrfach verletzt.

Zuletzt musste Trainer Vincent Kompany seinen Kader mit Jugend-Torhütern auffüllen. Da lag es für die Münchner nah, zwei Schritte auf einmal zu tun. Und nicht nur kurzfristig ihre Torwartgruppe aufzufüllen. Sondern gleich einen Mann zu verpflichten, der Aussichten hat, ihre Nummer 1 zu werden.

Die Ablöse wird die Bayern nicht weiter schmerzen. Acht Millionen Euro fix sind keine Summe, die Max Eberl am Einschlafen hindert. Mögliche Bonuszahlungen von bis zu fünf Millionen Euro werden sich weniger an künftigen Erfolgen des FC Bayern als an Einsatzzeiten für Urbig orientieren. Als Kölner muss man also nicht unbedingt den Münchnern die Daumen drücken. Es reicht, Jonas Urbig zu wünschen, Manuel Neuers Position zu erben.

Für Christian Keller, der im Poker um Jonas Urbig nichts zu verlieren hatte außer der vielleicht besten Nummer 2 der Zweitligageschichte, waren es angenehme Verhandlungen. Schließlich wusste er nicht nur um den Willen der Bayern, Urbig zu verpflichten. Er kannte auch die gewaltigen Budgets beim Rekordmeister. Zudem verhandelte er, ohne finanziell unter Druck zu stehen. Auch deshalb haben die Kölner zuletzt oft zum Besten gegeben, dass sie nicht mehr auf Transfererlöse angewiesen sind. Das erwies sich nun bereits als hilfreich.

So können alle ihren Frieden schließen mit dem Wechsel des größten deutschen Torwarttalents zum größten deutschen Verein, wo derzeit noch der größte deutsche Torwart aller Zeiten zwischen den Pfosten steht: die FC-Fans, die Münchner, Marvin Schwäbe, Christian Keller.

Und am Ende vor allem Jonas Urbig selbst, auf den nicht weniger wartet als die Chance seines Lebens.