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Interview

Robert Andrich
„Hoffe, Flo Wirtz geht nicht – schon gar nicht zu den Bayern“

Lesezeit 6 Minuten
Bayer Leverkusen's German midfielder #08 Robert Andrich celebrates scoring during the German first division Bundesliga football match between XBayer Leverkusen and Eintracht Frankfurt in Leverkusen on October 19, 2024. (Photo by INA FASSBENDER / AFP) / DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND/OR QUASI-VIDEO

Robert Andrich feiert seinen Treffer gegen Eintracht Frankfurt.

Robert Andrich spricht im Interview über die Meisterschaftschance, seine Rolle in der DFB-Elf und einen möglichen Abgang von Florian Wirtz.

Herr Andrich, Sie können am Samstagnachmittag gegen Union Berlin mit Ihrer Mannschaft die Bayern vor deren Duell mit Dortmund unter Druck setzen. Ist es als Verfolger in so einer Situation besser, vorlegen zu können?

Wenn wir Druck aufbauen, kann das mit den Bayern schon etwas machen. Somit ist das Vorlegen auf jeden Fall mehr Vorteil als Nachteil.

Reiner Calmund hat gesagt, er bewerte die Meisterchancen von Bayer 04 auf zehn bis 20 Prozent. Auf welche Prozentzahl kommen Sie?

Grundsätzlich ist es in der Konstellation noch nie passiert, dass der Verfolger noch die Meisterschaft gewonnen hat. Ich bin kein Mathematiker und wir wollen auch nicht rechnen. Wir wollen versuchen, alle sechs Spiele zu gewinnen. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch eine Chance haben. Wenn ich so darüber nachdenke, würde ich sogar mit Calli mitgehen. (lacht)

Nach dem blamablen Aus im Pokal bei Drittligist Bielefeld kam es am Zaun zu Diskussionen mit den Fans. Wie bewerten Sie das?

Natürlich kann ich die Fans auch verstehen, es ging um die Enttäuschung, dass wir aus dem Pokal geflogen sind. Aber man muss auch die Gesamtsituation sehen. Wenn man bedenkt, was wir die vergangenen zwei Jahre abgerissen haben, dann ist es nicht ganz einfach damit umzugehen, so angemotzt zu werden. Man braucht das aber nicht überzubewerten. Das sind Emotionen.

Ist dieser gestiegene Anspruch an Bayer 04 denn gerechtfertigt?

Natürlich. Wir wollten ja auf dieses Niveau. Wenn du dich als Mannschaft und als Verein zum Topklub entwickelst, dann musst du dich auch an Titeln messen lassen, völlig klar. Diesen Anspruch haben wir uns über die Jahre erarbeitet. Wir brauchen auch nicht um den heißen Brei zu reden: Uns war klar, dass wir den Pokal gewinnen müssen – oder zumindest ins Finale einziehen. Das haben wir nicht geschafft. Das war für uns so, als wenn Bayern nicht Deutscher Meister wird.

Durch diese Entwicklung hat Bayer auch Begehrlichkeiten geweckt. Zuvorderst sind da Xabi Alonso und Florian Wirtz zu nennen. Wie sehen Sie die Spekulationen?

Das ist völlig normal. Um Trainer gibt es immer mehr Gerüchte. Da fließen ja mittlerweile auch hohe Ablösesummen. Das gehört jetzt genauso dazu wie bei uns Spielern. Generell lenkt das alles nicht ab, da machen wir uns mal gar keinen Stress.

Ich hoffe natürlich, dass Flo nicht geht, schon gar nicht zu den Bayern, weil er sie dadurch wesentlich stärker machen würde.
Robert Andrich

Was würde aber ein Verlust von Florian Wirtz für Bayer bedeuten?

Klar, erstmal stünden alle da und würden sich fragen: Flo ist weg, was machen wir jetzt? Aber das Leben bei Bayer 04 wird auch ohne Flo weitergehen. Wir haben mehrere unfassbare Spieler und werden auch weiterhin unfassbare Spieler haben. Von daher werden wir das schon überleben, wenn es denn mal so weit sein sollte. Das ist der Anspruch dieses Vereins.

ALONSO Xabi Trainer Team Bayer 04 Leverkusen bei der Siegerehrung mit der Meisterschale DFL Bundesliga Saison 2023 - 2024 Meisterfeier Bundesliga Spiel Bayer 04 Leverkusen - FC Augsburg am 18.05. 2024 in Leverkusen DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and/or QUASI-VIDEO *** ALONSO Xabi Trainer Team Bayer 04 Leverkusen at the award ceremony with the championship trophy DFL Bundesliga season 2023 2024 Championship celebration Bundesliga match Bayer 04 Leverkusen FC Augsburg on 18 05 2024 in Leverkusen DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS as IMAGE SEQUENCES and or QUASI VIDEO Copyright: xLacixPerenyix

Xabi Alonso mit der Meisterschale - im Hintergrund Andrich.

Sind Sie einer, der mal zu Florian Wirtz hingeht und sagt: „Wenn du schon weggehen willst, dann vielleicht aber nicht zu den Bayern, sondern lieber ins Ausland“?

Ja, da gibt es natürlich so ein paar Sprüche, die man in die Richtung macht. Ich hoffe natürlich, dass er nicht geht, schon gar nicht zu den Bayern, weil er sie dadurch wesentlich stärker machen würde. Aber grundsätzlich ist Flo in seiner Wahrnehmung und im Kopf schon sehr klar, hat zudem ein sehr gutes Umfeld. Also egal, was er am Ende machen wird, er wird es in jedem Fall gut durchdacht haben. Am besten natürlich, wenn er bei uns bleibt.

Bei Ihnen stehen 24 von 41 möglichen Startelfeinsätzen bei Bayer zu Buche. Wie sehen Sie diese Statistik?

Auf die Statistik will ich gar nicht so eingehen. Ich habe meine Einsätze gesammelt, ich würde mir trotzdem mehr wünschen. Ich will immer spielen, ist doch klar. Aber es macht uns ja auch so stark, dass wir wirklich viele, viele Spieler auf Top-Niveau haben.

Wie ist der Austausch mit Xabi Alonso? Gibt es da Reibung, oder passt das?

Ich sage es mal so: Es gibt schon mal Situationen – die sind aber völlig normal im Fußball –, in denen du nicht verstehst, warum du jetzt nicht spielst. Grundsätzlich habe ich Xabi mit den Jahren besser kennengelernt und weiß auch, wie er tickt. Deswegen kann ich manche Sachen ein bisschen besser einschätzen oder anders reflektieren, als wenn ich jetzt erst seit einem halben Jahr mit ihm zusammenarbeiten würde.

Bei der Nationalmannschaft waren Sie in der Gruppenphase bei allen Spielen gesetzt. Fanden Sie es auch etwas merkwürdig, dass Sie in der Nationalmannschaft eher gesetzt waren als im Klub?

Es war 2023 sehr überraschend, dass ich trotz einer schweren Phase in die Nationalmannschaft eingeladen wurde. Jetzt habe ich mir ein gutes Standing – auch abseits des Platzes – erarbeitet, was mich natürlich freut. Deswegen überrascht mich das nicht und ich finde es auch nicht merkwürdig. Im Fußball ist es immer so: Wenn du die Chance hast, musst du sie nutzen - und ich denke, ich habe sie ganz gut genutzt.

Fussball, UEFA Nations League Saison 2024/2025 Gruppe A3 - 5.Spieltag Deutschland - Bosnien-Herzegowina 16.11.2024, Europa-Park-Stadion Kai Havertz Deutschland, 7 Florian Wirtz Deutschland, 17 Robert Andrich Deutschland, 8 Tim Kleindienst Deutschland, 9 Torjubel Freiburg im Breisgau Europa-Park-Stadion Baden-Württemberg Deutschland *** Sport, Football, UEFA Nations League Season 2024 2025 Group A3 5 Matchday Germany Bosnia Herzegovina 16 11 2024, Europa Park Stadion Kai Havertz Germany, 7 Florian Wirtz Germany, 17 Robert Andrich Germany, 8 Tim Kleindienst Germany, 9 Goal celebration Freiburg im Breisgau Europa Park Stadion Baden Württemberg Germany

Robert Andrich (r.) im Trikot der deutschen Nationalelf.

Wie unterschiedlich sind Julian Nagelsmann und Xabi Alonso?

Das ist immer schwierig zu sagen, weil ich Xabi jeden Tag habe, Julian dann immer nur mal für zehn Tage. Was die beiden auf jeden Fall verbindet, ist, dass sie sich extrem viele Gedanken über Fußball machen – eigentlich den ganzen Tag. Und beide sprechen auch gerne über Fußball. Beide sind in jedem Fall positiv fußballverrückt.

Es ist jetzt noch mehr als ein Jahr hin, wie sehen Sie die Entwicklung der DFB-Elf in Richtung WM 2026?

Wir haben eine sehr, sehr positive Entwicklung gemacht. Der Nationalmannschaft wurde davor immer vorgeworfen, eine Mannschaft mit tollen Spielern zu sein, die auch tollen Fußball spielt, die aber A, nicht verteidigt, und der B, so ein bisschen die Emotionen fehlen. Das haben wir geändert. Wir haben jetzt eine Mannschaft auf dem Platz, die - egal in welcher Konstellation – keinen Leistungsabfall zeigt und auch immer als Mannschaft zusammensteht. Das haben die Leute gemerkt und so kam neue Euphorie dazu. Jetzt hast du das Gefühl, dass viele Leute im Land einfach wirklich gerne wieder Deutschland anfeuern, mit Stolz die Fahne und das Trikot rausholen. Wir sind auf einem guten Weg.

Wie ist das Klima in der DFB-Elf?

Ich spreche, denke ich, für fast alle von der Nationalmannschaft, wenn ich sage: Wir kommen extrem gerne zusammen und wir haben ein unfassbar angenehmes Klima. In den richtigen Situationen haben wir aber auch die nötige Spannung und verlangen uns auch im Training immer alles ab. Wir haben eine gute Balance gefunden.

Sie haben noch Vertrag bis 2028 in Leverkusen. Hegen Sie noch irgendwelche Träume während Ihrer aktiven Karriere?

So richtig nicht. Ich bin immer sehr froh darüber, eine gewisse Sicherheit zu haben. Vor allem, wenn man sich einfach auch wohlfühlt in einer Mannschaft, in einem Verein und in einer Region, in der man lebt. Ich würde zwar weiterhin gerne auch mal in England spielen, kann mir mittlerweile aber auch vorstellen, in Deutschland meine Karriere zu beenden. Ich denke darüber gar nicht so viel nach, weil es am besten ist, wenn man sich den Kopf nicht über solche Sachen zerbricht.

Ist schon klar, wo Sie mit Ihrer Familie die Zelte nach der Karriere aufschlagen? Sie sind gebürtiger Potsdamer, haben Ihre Frau Alicia in Wiesbaden kennengelernt, wohnen jetzt im Rheinland…

Wir sind da relativ frei. Wir sind kein Pärchen, bei dem beide aus dem gleichen Dorf kommen und die wieder dorthin zurückmöchten. Von daher sind wir da relativ entspannt. Wir haben beide auch keine Präferenzen, wo wir gerne hinmöchten. Wir haben jetzt hier aber auch ein Haus gekauft, also ganz so locker ist man jetzt auch nicht mehr. (lacht)

Zusammen mit Ihrer Frau haben Sie auch eine YouTube-Reality-Dokumentation, „Die Andrichs“. Ganz platt gefragt: Warum machen Sie das?

Weil wir daran Spaß haben, das ist mal das Erste. Es ist zum einen kein großer Aufwand. Es kollidiert nicht mit dem Training oder meinem Beruf generell. Zum anderen wollen wir den Leuten vermitteln: Ey, wir sind ganz normale Menschen wie jeder andere auch, wir haben genau die gleichen Probleme wie jeder andere, haben den normalen Alltag mit Stress und Unordnung. Wir haben nicht fünf Nannys und zwei Putzfrauen. Ich bin als Fußballer nichts Besseres als jemand anders. Und wenn ich nach dem Spiel mal ein Bier trinken will – auch wenn ich Leistungssportler bin - dann mache ich das. Das wollen wir den Leuten ein bisschen rüberbringen. Deswegen machen wir das.