Steffen Baumgart besprach am Montag mit seiner Mannschaft noch einmal das 0:6 in Leipzig, anschließend begann die Vorbereitung auf das Pokalspiel in Kaiserslautern.
1. FC Köln vor KaiserslauternSteffen Baumgarts Abrechnung: „Hier weiß keiner, worum es geht“
Steffen Baumgart hatte das 0:6 bei RB Leipzig auch am Montagmorgen noch nicht hinter sich gelassen, wie sollte er auch. Obwohl das Pokalspiel in Kaiserslautern bereits am Dienstagabend ansteht (20.45 Uhr/ZDF) und der Trainer des 1. FC Köln seine Spieler gleich nach dem Debakel noch auf dem Rasen der Leipziger Arena in einer heftigen Ansprache mitgenommen hatte auf eine Reise in seine Gefühlswelt, ging es für seine Profis am Montag ein weiteres Mal um ihren Auftritt in Sachsen. „Die Aufarbeitung beginnt, wenn ich gleich diesen Raum verlassen habe“, kündigte Baumgart mit einigem Ernst an: „Das lassen wir nicht einfach an uns vorbeilaufen, das ist im Moment wichtiger als die Vorbereitung auf das ganz wichtige Spiel in Kaiserslautern. Ich bin mal gespannt, wie lange es dauert“, sagte Baumgart.
Zu den Details der Unterredung wollte Baumgart nicht viel sagen; damit blieb er sich treu, denn schon am Samstagabend in Leipzig hatte er darauf bestanden, auf dem Platz zu lassen, was auf dem Platz besprochen worden war. Nur so viel: „99 Prozent der Sitzung werden mit meinen Worten laufen, und ich gehe davon aus, dass die Jungs zuhören werden.“
Dennoch bedurfte es am Montagmorgen nur einer Nachfrage, um Baumgart zumindest die Inhalte zu entlocken. Trotz zweimal Schlafen seit dem Untergang in Leipzig ist der Trainer weiterhin sehr grundsätzlich angefasst, das offenbarte sich in zwei für Baumgarts Verhältnisse erstaunlich langen Monologen. „Es gibt Dinge, die uns starkmachen – und wenn wir die nicht umsetzen, haben wir in der Bundesliga nichts zu suchen“, stellte er fest. „Wir haben ein schweres Jahr, das wird Abstiegskampf bis zum letzten Tag. Für uns ist jedes Spiel ein Endspiel. Ich darf meine Chancen nicht so wegwerfen wie in Leipzig. Ich bin jemand, der lange hinter den Jungs steht und das auch weiterhin tut. Aber irgendwann ist dann auch Feierabend. Dann geht es darum, dass das, was hier gefordert wird, auch zu machen ist. Und wenn das einige nicht umsetzen können, muss ich noch deutlicher werden. Dann muss ich erklären, was Bundesliga bedeutet. Ich erwarte, dass wir nicht fünf Minuten vor der Halbzeit die Köpfe hängenlassen und aufhören.“
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Baumgart fordert den Kampf, für den er als Spieler selbst stand
Es gehört zu Baumgarts Markenkern, den Abstand zwischen seinen Mannschaften und der individuell mitunter haushoch überlegenen Konkurrenz mit Einsatz, einem bis ins Detail erarbeiteten taktischen System und viel Mentalität vielleicht nicht zu schließen. Aber zumindest so zu verkleinern, dass eine Überraschung immer möglich ist. Es war eine stete Qualität auch der Kölner Mannschaft, bei Rückständen jederzeit zurückkommen zu können. In Leipzig allerdings waren die FC-Profis an den Grenzen ihrer Überzeugung angelangt, was menschlich war angesichts der krassen Überlegenheit eines Champions-League-Kaders. Doch das ist nichts, das Baumgart akzeptieren kann.
Die Gründe dafür liegen auch in Baumgarts Biografie. „Ich habe persönlich ein Problem damit, denn ich war selbst ein Spieler, der nur über Mentalität Erfolg hatte. Das verkörpere ich auch als Trainer. Und wenn ich eine Mannschaft habe, die das nicht verkörpert, bin ich irgendwann angepisst. Das ist jetzt ein Moment, in dem ich sage: Bis hierher und nicht weiter. Dafür will ich nicht stehen.“
Der 51-Jährige begibt sich damit auf eine Gratwanderung. Denn auch Baumgart versteht, dass er keine Siege gegen Gegner wie Leipzig, Leverkusen oder den FC Bayern verlangen darf. Tatsächlich nimmt er sogar grundsätzlich in Kauf, dass seine Mannschaft mal untergeht, weil die Konkurrenz zu stark ist. Aber der Auftritt am Samstag, als Köln sich aufgab, hat den Coach getroffen. „Ich nehme alles mit. Ich nehme Defizite mit, ich nehme meinetwegen auch mit, dass wir nicht alles richtig machen. Was ich aber nicht mitnehme, ist, wenn keiner weiß, worum es geht. Das hat nichts mit dem Spiel in Leipzig zu tun. Wir haben jedes Spiel zu einhundert Prozent anzugehen. Wenn wir das nicht hinbekommen, ist es der falsche Weg. Die Spieler haben hier zweieinhalb Jahre lang in jedem Spiel bis zum Ende alles gegeben; egal, wie das Spiel ausgegangen ist. Das habe ich in Leipzig nicht gesehen, und das ist meine große Enttäuschung.“ Die Feststellung, niemand wisse, worum es gehe, ging womöglich etwas weit. Belegt aber, wie alarmiert der Trainer ist, der im Sommer noch beinahe euphorisch war, obwohl sein Kader viel Klasse verloren und wenig dazubekommen hatte.
Die Qualitätsfrage ließ Baumgart am Montag dennoch weiterhin nicht zu. Er verlangt von seinen Spielern bedingungslosen Glauben und Widerstand über 90 Minuten – unabhängig vom Spielstand und davon, ob beim Gegner womöglich wie am Samstag gerade internationale Spitzenspieler heißlaufen. „Wir suchen die Gründe nicht bei anderen. Wenn ich in gewissen Phasen unterlegen bin – kein Problem. Aber darum geht es nicht. Körpersprache, Einstellung, Mentalität gehören im Fußball immer dazu. Wenn ich das nicht auf den Platz bringe, habe ich ein Problem.“ Gegen einen Zweitligisten im Pokal wird es vergleichsweise einfach sein, die geforderten Tugenden auf den Platz zu bringen. Sollte die Mannschaft auch auf dem Betzenberg verzagen, dürfte Baumgarts Debatte eine neue Stufe erreichen.
„Ich hoffe, dass ich das den Jungs ruhig und sachlich vermitteln kann.“
Seine weiteren Gedanken mochte sich Baumgart für seine Spieler aufheben. Der Fußballlehrer wird seinen Leuten auch weiterhin nicht vorwerfen, dass ihre Qualitäten als Fußballer womöglich den Ansprüchen der Bundesligaspitze nicht genügen. Doch es bleibt dabei: Wenn man schon untergeht, dann mit fliegenden Fahnen. „Niederlagen gehören dazu, Fehler gehören dazu. Damit müssen wir umgehen, das können wir aufarbeiten. Was wir nicht aufarbeiten können, ist Körpersprache. Ich habe zum ersten Mal in den zweieinhalb Jahren, in denen ich hier war, so eine Körpersprache erlebt. Da bin ich genau der Falsche“, erklärte Baumgart, und formulierte eine Hoffnung, die nach Zweifel klang: „Ich hoffe, das alles den Jungs nachher ruhig und sachlich vermitteln zu können.“