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Trotz Kontakt zu Hansi FlickWarum sich Salih Özcan für die Türkei entschieden hat

Lesezeit 4 Minuten
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Einer der Gewinner der Saison beim 1. FC Köln: Salih Özcan

Köln – Als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Mitte Februar vom Werben des türkischen Fußballverbandes und dessen Nationaltrainer Stefan Kuntz um Salih Özcan berichtet hatte, dachte zunächst kaum jemand daran, dass der Mittelfeldspieler des 1. FC Köln schon einen Monat später sein Debüt für die Türkei geben könnte. Doch am Dienstag (20.45 Uhr) im Länderspiel gegen die in den WM-Playoffs gescheiterten Italiener soll genau dies der Fall sein: Özcan, der noch im Sommer 2021 als Kapitän unter Trainer Kuntz die deutsche U21 zum EM-Titel geführt hatte, hat sich entschieden: Er wird künftig nicht mehr für Deutschland, sondern für die Türkei spielen. Dies gab der 24-Jährige am Freitag bekannt.

„In den vergangenen Wochen habe ich mich intensiv mit dieser Frage beschäftigt, mir viele Gedanken gemacht, viele Gespräche mit meiner Familie geführt und am Ende eine Entscheidung aus voller Überzeugung getroffen: Ich möchte für die Türkei spielen“, erklärte Özcan bei Instagram. Aufgrund seiner guten Leistungen im Kölner Trikot in der laufenden Saison hatte er auch als Kandidat für eine baldige Nominierung durch Bundestrainer Hansi Flick gegolten. Özcan betonte, dass es eine Entscheidung gewesen sei, „die meinen Respekt vor Deutschland und dem DFB-Team kein bisschen schmälert“. Er bedankte sich ausdrücklich bei Flick, „der mit mir gute Gespräche geführt und mir reizvolle Perspektiven aufgezeigt hat“. Zuvor hatte Özcan, der in Köln geboren wurde, in Ehrenfeld aufwuchs und seit 2007 das FC-Trikot trägt, alle Nachwuchsteams durchlaufen und insgesamt 61 Länderspiele für Deutschland absolviert.

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Özcan-Förderer Kuntz hatte im Februar erklärt, dass der türkische Verband den Verbandswechsel prüfe. Dies schien auf den ersten Blick schwierig. Denn laut den Fifa-Statuten muss dieser bis zum Alter von 21 Jahren erfolgen. Beim EM-Gewinn war Özcan 23. Doch der türkische Verband fand nach Informationen dieser Zeitung ein Schlupfloch. Özcans Eltern wurden beide in der Türkei geboren. Und da der Kölner zudem noch kein A-Länderspiel für Deutschland absolvierte hatte, erkannte der Weltverband diese Umstände an und gab am Donnerstag doch seine Zustimmung. Sie kam schneller als erwartet, denn eigentlich wollte Özcan seine Entscheidung erst nach der Saison bekanntgeben. Sie kam aber auch nicht mehr rechtzeitig zum WM-Playoff-Spiel der Türken in Portugal, das sie 2:3 verloren. Das Turnier in Katar findet deshalb ohne die Türkei statt.

Flick wollte Özcan nominieren

Hansi Flick hatte beabsichtigt, Özcan für die Testspiele des DFB gegen Israel und in den Niederlanden zu nominieren. Doch Özcan bat darum, erst die Fifa-Entscheidung abzuwarten. Der Kölner grübelte schon länger: Beim DFB könnte er im schlechten Fall womöglich nur ein-, zweimal nominiert werden, bei der Türkei dagegen wären die Aussichten auf mehr Länderspiele deutlich größer. Auch das floss in seine Wahl ein.

Seinen Vereinstrainer hatte Özcan kurzfristig in seine Entscheidung eingeweiht. Steffen Baumgart will diese aber nicht beurteilen. „Da gibt es für mich nichts zu bewerten. Salih hat für sich eine klare Entscheidung getroffen. Er hat mit Hansi Flick, Stefan Kuntz und auch mit mir darüber gesprochen. Wir haben ja ein offenes, gutes Verhältnis. Ich habe die Entscheidung nicht zu bewerten, denn diese muss er alleine oder im Austausch mit seiner Familie treffen. Aus meiner Sicht bringt sie aber keine Probleme mit sich“, sagte der FC-Trainer dieser Zeitung. Özcan habe sich intensiv Gedanken gemacht. „Das ist keine Entscheidung, bei der man eine Münze wirft. Offenbar sieht er in der türkischen Nationalmannschaft über lange Sicht bessere Chancen.“ Stefan Kuntz sei natürlich ein Faktor gewesen, für Baumgart dürfe dieser aber nur ein untergeordneter sein.

Nächstes Highlight für Özcan

Für Özcan ist die Nominierung der vorläufige Höhepunkt einer rasanten Entwicklung im Verein. Denn im vergangenen Sommer war der Sechser so gut wie weg vom FC. Erst Baumgart hatte Özcan umgestimmt, zeigte ihm eine Perspektive auf und förderte ihn. Özcan zahlte das Vertrauen mit starken Leistungen zurück. Stolz sei er auf die Entwicklung seines Spielers aber nicht, so Baumgart: „Ich mag Begriffe wie Stolz nicht. Ich freue mich über Salihs Entwicklung. Aber meine Aufgabe als Trainer ist es, Spieler besser zu machen. Dass Salih sehr viel Talent hat, wenn er es richtig macht, das war schon länger klar. Jetzt macht er sehr vieles richtig. Das freut mich für ihn, für den FC, für alle.“

Doch für Deutschland kann Özcan nach Dienstag nicht mehr auflaufen. Der Reiz, für die Türkei zu spielen, war noch größer. „Ich freue mich darauf, für diese Mannschaft, diese Fans und diese Nation alles zu geben und mich auf dem Platz für die Türkei zu zerreißen“, kündigte er an.