Herr Jakobs, im vergangenen Sommer haben Sie gesagt, dass es erstaunlich wäre, wenn Sie ihre berufliche Doppelrolle an der Deutschen Sporthochschule Köln und als Sport-Verantwortlicher beim 1. FC Köln mit Erfolg meistern würden. Haben Sie denn nun Erfolg gehabt?Jörg Jakobs: Ich persönlich habe Erfolg gehabt, weil trotz meiner Arbeit an der Hochschule aus meiner Sicht nichts liegen geblieben ist. Daher hat es funktioniert.
Es stand in Frage, ob es überhaupt möglich sein würde, das Volumen der Arbeit zu schaffen. Wie steht es um die Qualität der Entscheidungen?
Wir hatten einen großen Kader, der Anpassungen erforderlich machte. Hinzu kam ein neuer Cheftrainer und zwei neue Co-Trainer. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich Thomas Kessler, Lukas Berg und der FC-Geschäftsstelle, ohne die das alles nicht funktioniert hätte. Einen wesentlichen Anteil hat aber natürlich auch unser Cheftrainer. Der sportliche Erfolg ist die Grundlage der Beurteilung meiner Arbeit. Wenn man einen Trainer wie Steffen Baumgart hat, muss man selbst eigentlich nur noch dafür sorgen, nicht zu viele Fehler zu machen.
Wie groß war die Belastung der beiden Jobs – und hätten Sie es womöglich gern fortgesetzt?
Vielleicht schaffen es andere, aber ich würde es dauerhaft nicht schaffen. Es war als Übergangslösung angelegt, und für mich wäre es anders auch nicht machbar gewesen. Dabei geht es gar nicht so sehr um den zeitlichen Aufwand, vieles hat mit Organisation zu tun. Es ist eher eine Frage der Energie. Die Arbeitsbelastung wäre auf Dauer schlicht zu hoch.
Wie ist der Zeitplan Ihres Ausscheidens?
Zum 1. April übernimmt Christian Keller, ich werde aber bis zum Saisonende weiterhin die Spiele begleiten. Nach der Saison werden wir dann besprechen, wie es mit meiner Person weitergeht.
Das steht noch nicht fest?
Nein. Wir wollen einander im laufenden Betrieb anschauen. Ende Mai, Anfang Juni werden wir dann überlegen, wie es weitergehen kann.
Sie würden gern weiter für den FC arbeiten.
Absolut. In den letzten Jahren hat sich ergeben, dass Köln dauerhaft mein Lebensmittelpunkt sein wird. Ich will nicht pendeln zwischen Familie, Sozialleben und der Arbeit. Außerdem hat sich meine emotionale Verbindung zum Klub noch mal verstärkt, so dass ich glaube, dass das eine dauerhafte Beziehung werden kann.
Welche Art Geschäftsführer bekommt der FC mit Christian Keller?
Einen Mann, der in Strukturen und Konzepten denken kann, gleichzeitig aber auch weiß, wie das Geschäft funktioniert und sich nicht in der Theorie verliert. Er hat einen klaren Plan und möchte ihn im Team weiterentwickeln. Er erwartet, dass sich diese Art, die Dinge anzugehen, im gesamten Klub wiederfindet.
Die Vereinsführung will Personen-unabhängige Strukturen schaffen. Wie weit ist der FC da?
Mein Anspruch ist, darauf zu achten, dass wir dahinkommen. So verstehe ich auch meine Aufgabe bei der Beratung des Vorstandes und ich habe den Eindruck, dass auch die neue Geschäftsführung die Dinge nicht derart auf sich zentriert, dass das hier nur funktioniert, wenn sie da sind. Natürlich erwarte ich von einer Führungsebene besonders gute Arbeit. Aber ich halte es für die größte Aufgabe der Geschäftsführung, Strukturen zu schaffen, die den Verein weniger abhängig von Personen zu machen.
Ist es schwierig, ohne Kölner Vergangenheit beim FC Fuß zu fassen?
Nein. Ich setze natürlich voraus, dass eine Führungskraft sozial kompatibel ist. Aber abgesehen davon hängt es einzig von der Qualität der Entscheidungen ab, die im Fußball sehr direkt zu Resultaten führen, an denen man gemessen wird.
Der 1. FC Köln hat gleich nach Kellers Verpflichtung bekanntgegeben, dass der neue Sportchef ein halbes Jahr pausieren werde. Hätten Sie damit gerechnet, dass er diese sechs Monate tatsächlich durchhalten würde?
Es spricht für seine Klarheit und auch seine Verbindlichkeit. Ich hätte mich gewundert, wenn er plötzlich am 1. Januar angefangen hätte. Der Saisonverlauf hat das aber auch unterstützt. Wenn hier Druck auf dem Kessel gewesen wäre, hätten wir eine andere Situation gehabt.
Wie steht es um Ihr Verhältnis zum Trainer?
Wir kommen durchaus aus unterschiedlichen Welten, haben aber sehr gut zusammengefunden und schätzen, wie der jeweils andere die Dinge sieht und tut. Wir sind unterschiedliche Typen, aber vielleicht hat genau das dazu geführt, dass wir sehr gut miteinander klarkommen. Dennoch: Dass wir so gut dastehen, ist nicht mein Verdienst. Das hat der Trainer hinbekommen.
Baumgarts Vertrag läuft 2023 aus. Noch gab es keine Vertragsgespräche. Müssen Sie da nicht jetzt handeln?
Die Personalie des Trainers genießt höchste Priorität. Aber Steffen Baumgart tickt ein bisschen anders als andere Trainer. Wenn er sagt: Ich bin entspannt, ich warte ab, bis der neue Geschäftsführer da ist, dann finden wir eine Lösung – dann ist das genauso. Christian Keller weiß, dass es das große Thema sein wird. Der Trainer weiß, dass Christian auf ihn zukommen wird. Ich bin da völlig ruhig.
Durch seine Arbeit ist Baumgart auch für andere Klubs interessant geworden. Haben Sie keine Bedenken, dass ein größerer Verein nicht noch dazwischenfunken könnte?
Ausschließen kann man das natürlich nicht. Dann käme es auch auf Steffens Reaktion an. Aber aktuell macht mir das keine Sorgen. Grundsätzlich wäre es auch komisch, wenn andere Vereine nicht registrieren würden, was hier gerade passiert.
Sind Sie auch so entspannt bei Anthony Modeste? Sein Vertrag läuft ebenfalls 2023 aus, er übte zuletzt öffentlich Druck auf den Verein aus.
Auch da bin ich entspannt. Unsere Meinung ist bekannt, wir sind da ganz klar. Es ist nicht der Zeitpunkt, eine Vertragsverlängerung öffentlich zu fordern. Die Gespräche bleiben intern.
Welche Spieler haben die positivste Entwicklung genommen?
Zu diesen gehört zweifelsfrei Tony Modeste. Ich habe nicht erwartet, dass er noch einmal so zu alter Stärke zurückfindet. Das hat er durch harte Arbeit und einen klaren Fokus erreicht. Das ist beeindruckend. Erst recht in seinem Alter. Er hat es noch einmal allen bewiesen. Dass Salih Özcan ein guter Bundesligaspieler sein kann, die Hoffnung hatte ich immer. Doch dass er so schnell so gut wird, das hätte ich nicht gedacht. Er ist zu einem dominanten, selbstbewussten Spieler geworden. Auch daran hat Steffen Baumgart sicherlich einen großen Anteil.
Auch Özcans Vertrag läuft 2023 aus. Auch bei ihm wird der FC sicherlich finanziell etwas drauflegen müssen…
Du musst Salih eine entsprechende Vertragsverlängerung und andere Bezüge anbieten, und da muss man ein gewisses Risiko eingehen. Der Verein wird dokumentieren, dass er das Gehalt an seine Leistungen anpassen wird. Ob das am Ende reicht, wird man sehen. Aber die klare Absicht dazu ist hinterlegt. Das Angebot wird Salih auch zeitnah erhalten.
Der Spieler steht vor einer schwierigen Entscheidung, ob er für Deutschland oder die Türkei spielen soll, dem Heimatland seiner Eltern. Gibt es da eine Tendenz oder sogar schon eine Entscheidung?
Ich lasse mich da selbst überraschen. Auch wenn er zur Türkei eine emotionale Beziehung hat, ist die DFB-Auswahl doch sportlich reizvoller.
Hat der FC denn für Özcan konkrete Anfragen anderer Klubs vorliegen?
Nein, es gibt derzeit keine. Wir wollen ihm hier eine Perspektive bieten. Dass er als Ehrenfelder Jung vielleicht mal eine prägende Figur wird und den FC im Idealfall mit Trainer Steffen Baumgart noch weiter nach oben bringt.
FC-Kapitän ist seit einigen Jahren Jonas Hector. Er soll mit dem Gedanken spielen, nach Vertragsende 2023 seine Karriere zu beenden.
Jonas wird uns seine Entscheidung mitteilen. Ich glaube nicht, dass er noch einmal für einen anderen Verein in Deutschland spielen wird. Er wird aufhören oder noch mal beim FC verlängern. Und wahrscheinlich nicht auf Anraten seiner Hausbank, sondern, weil er ganz einfach Bock darauf hat.
Stehen Sommer-Abgänge bereits fest?
Ja, aber das werden wir erst intern mit den Spielern besprechen.
Wie gehen Sie mit Timo Horn um? Wird er den FC im Sommer nach 20 Jahren verlassen?
Darüber wurde noch gar nicht gesprochen. Timo steht bei uns bis 2023 unter Vertrag. Auch wenn die neue Rolle als Nummer zwei für ihn ungewohnt und unbefriedigend ist, so verhält er sich doch super und lässt nicht nach. Davor ziehe ich meinen Hut.
Wird sich der FC im kommenden Sommer verstärken können?
Durch den aktuellen Kader haben wir eine sehr gute Ausgangslage und viele Möglichkeiten. Der Kader steht weitgehend. Wenn sich Spieler verändern wollen, dann können sie mit uns reden. Wir haben klare Vorstellungen davon, welche Spielertypen wir holen wollen – wenn es eine Vakanz gibt und die finanziellen Möglichkeiten passen. Und da sind wir wieder beim Trainer: Steffen guckt nicht, aus welcher Liga der Spieler kommt, sondern welche Qualitäten er hat und ob man diese weiterentwickeln kann. Und bei den Spielern hat es sich mittlerweile rumgesprochen, dass genau das unter diesem Trainer funktionieren kann.
Zur Person
Jörg Jakobs, geboren am 20. September 1970 in Aachen, war von 2002 bis 2009 bei Alemannia Aachen beschäftigt, u. a. als Co-Trainer von Jörg Berger und Dieter Hecking. Von 2010 bis 2012 arbeitete er für Hannover 96 als Chefscout. Seit Juli 2012 ist Jakobs für den 1. FC Köln in unterschiedlichen Funktionen tätig: als Sportlicher Leiter, Chefscout, Sportdirektor (2014 bis Anfang 2018), Aufsichtsratsmitglied und seit Juni 2021 als Interims-Sportchef. (ksta)