Köln – In den letzten Spielminuten hielt es keinen Kölner mehr auf seinem Sitz. Die FC-Fans in Müngersdorf standen und wollten ihre Mannschaft zum Derbysieg treiben. Daraus wurde am Ende zwar nichts mehr, doch der 1. FC Köln war an diesem Tag zumindest der gefühlte Sieger. Die Hausherren holten gegen Bayer 04 Leverkusen einen 0:2-Rückstand auf und verdienten sich am Ende das 2:2-Unentschieden. Die Gäste allerdings müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nach rund 30 überlegen geführten Minuten immer passiver wurden und das Ergebnis nur noch verwalteten.
Mit Sprechchören gefeierter Mann war nach dem Abpfiff Anthony Modeste. Der FC-Stürmer hat das Kunststück geschafft, mit 33 Jahren wieder in die Form von vor vier, fünf Jahren zu kommen. Nach dem Doppelschlag von Bayer-Torjäger Patrik Schick (15.) und Karim Bellarabi (17.) verkürzte der Franzose erst mit einem Rechtsschuss zum 1:2 (63.). Nach seinem Kopfballtor in der 82. Minute wurde das Rhein-Energie-Stadion dann zum Tollhaus. Die packende Aufholjagd war belohnt worden. Die Kölner hatten nicht nur mehr Ballbesitz (58 Prozent zu 42), sondern auch mehr Torschüsse (17:9), mehr Flanken (11:2), die bessere Passquote (79 Prozent:67).
FC kämpfte sich aus dem Leistungsloch
Dabei hatte es erst nach einem Kölner Debakel ausgesehen. Doch der FC kämpfte sich selbst aus dem Leistungsloch, während die Gäste drei Tage nach dem Spiel bei Betis Sevilla (1:1) immer kraftloser wurden und zu viele Konter verspielten.
„Wir haben das Spiel umgedreht, das ist unsere Stärke in dieser Saison. Das ist unser Wohnzimmer, da kann man eben nicht so einfach gewinnen. Wenn du viel investierst, kriegst du eben viel zurück“, sagte ein strahlender Modeste. Die Spieler lobten vor allem die Halbzeitansprache von Trainer Steffen Baumgart, der sein Team wachgerüttelt hatte. „Ich habe sie nur darum gebeten, mal Mut zu haben und sich nicht in die Hose zu machen“, sagte Baumgart. Bayer-Torwart Lukas Hradecky war dagegen total bedient: „Wenn du in einem Derby ein 2:0 verspielst, fühlt es sich wie eine Niederlage an. Wir hätten das 3:0 oder 4:0 machen müssen in den Kontersituationen. Und dann schalten wir ab. Das kotzt mich an, das ist ärgerlich. Ich bin nur ein Torwart, da muss man die Stürmer fragen. Wir haben Tausende davon.“
Frostiger Empfang für Florian Wirtz
Für Leverkusens Florian Wirtz gab es gleich nach dem Anpfiff den erwartet frostigen Empfang. Bei jedem Ballkontakt wurde der beim FC ausgebildete Jungstar ausgepfiffen. Doch das beeindruckte den Nationalspieler wenig. Überhaupt war Bayer 04 zunächst wenig beeindruckt. Und es zeigte sich schnell: Wenn sich die Kölner Ballverluste leisteten, wurde es brenzlig. Denn sofort schwärmten die Leverkusener aus. Wie beim 1:0 in der 15. Minute: Moussa Diaby sprintete auf links davon und hatte das Auge für Patrik Schick, der im Strafraum cool blieb und mit seinem achten Saisontor die Werkself in Führung brachte. Nur rund 90 Sekunden später ließ Robert Andrich FC-Verteidiger Rafael Czichos alt aussehen und legte mit etwas Glück für Karim Bellarabi ab, der das Leder zum 2:0 über die Torlinie schob.
Der FC war schwer angeschlagen. Und hatte Glück, dass Bayer in der 25. Minute nicht auf 3:0 erhöhte, doch Jeremie Frimpong traf nach einem Konter die Latte. Danach legten die Kölner ihre Scheu ab und kamen besser ins Spiel. Jonas Hector hatte die ersten beiden Chancen.
Direkt nach der Pause hätte Leverkusen auf 3:0 erhöhen können, spielte aber seine Überzahl-Situationen zu nachlässig aus. Und das sollte sich rächen. Der FC spürte, dass ein Wandel möglich ist. Und belohnte sich mit dem Anschlusstor. Nach einer Flanke von Hector verschätzte sich Tah kolossal. Modeste war zur Stelle und vollstreckte flach (63.), Müngersdorf bebte – und die Wechsel von Baumgart zahlten sich aus. Der kopfballstarke Sebastian Andersson und der schnelle Jan Thielmann brachten weiteren Schwung. Andersson war es dann auch, der Torschütze Modeste bediente.