Neun Jahre lang war Timo Horn die Nummer eins im Kölner Tor. Am Ende dieser Saison dürfte Horns Ära beim FC enden.
Abschied drohtTimo Horns Ära beim FC könnte nach zwei Jahrzehnten enden
Am Donnerstag hütete Timo Horn im Test gegen St. Truiden mal wieder das Tor des 1. FC Köln. Derartige Einsätze sind rar geworden für Horn, der neun Jahre lang Kölns Nummer 1 war und in dieser Zeit 329 Pflichtspiele absolvierte. Es war eine Traumkarriere: Zehn Jahre nach dem Wechsel vom SC Rondorf in die Jugendabteilung des 1. FC Köln debütierte Horn im Jahr 2012 bei den Profis. 2016 stand er mit der deutschen Auswahl im Finale des Olympischen Fußballturniers von Rio. Horn wurde in wechselhaften Zeiten zur Konstante und Identifikationsfigur beim FC.
Nach dem Abstieg 2018 verlängerte Horn seinen Vertrag bis zum Jahr 2023. Der scheinbar so schwierige Gang in die Zweite Liga wurde durch allerhand Ausgleichszahlungen erleichtert. Durch den direkten Wiederaufstieg wurde Horn zu einem der Top-Verdiener beim FC – und blieb es bis heute.
Kritik am Kölner Torwart-Star
Sportlich war Horn durchaus umstritten. Das Torwartspiel des mit so großen Ambitionen in seine Karriere gestarteten Kölners stagnierte. Im Sommer 2021 kam Marvin Schwäbe als dänischer Meister und Pokalsieger von Bröndby IF zum FC, zwei Jahre jünger und hoch ambitioniert. Und es kam ein neuer Torwarttrainer: Uwe Gospodarek, beim FC Bayern sozialisierter Fachmann. Wer Gospodarek zu Beginn über Timo Horn sprechen hörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass etwas dran war an den Erzählungen über den Keeper, der beim 1. FC Köln reich und berühmt geworden war und es sich dann ein wenig zu gemütlich gemacht hatte. „Er ist gewillt, unseren Weg mitzugehen. Ich sehe einen gewissen Rhythmus bei ihm, der anders ist als meine Vorstellung. Aber das kann man erlernen“, sagte Gospodarek damals. Man musste den Trainer nicht böswillig missverstehen, um darin eine Kritik an Horns Eifer zu verstehen.
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Baumgarts Gespür für Torhüter
Dennoch blieb Horn Kölns Nummer eins, auch unter Steffen Baumgart, der selbst ausgebildeter Torwart ist und ein Gespür für Keeper hat. Bis zum 21. November 2021. Im Spiel gegen Mainz erlitt Horn eine Knieverletzung, fünfmal vertrat ihn anschließend Marvin Schwäbe mit teils herausragenden Leistungen. Als Horn im Januar darauf wieder fit war, blieb Baumgart bei Schwäbe.
Vor fast genau einem Jahr vertrat Horn den Corona-infizierten Schwäbe noch einmal beim 1:0 gegen Frankfurt, im Juli stand er beim Erstrunden-Aus im DFB-Pokal in Regensburg im Tor. Seitdem ist kein Pflichtspiel hinzugekommen. Es könnte dabei bleiben.
Horns Vertrag läuft in diesem Sommer aus. Rund 3 Millionen Euro Jahresgehalt soll der Torhüter einstreichen. Das ist außerordentlich viel Geld für die klammen Kölner. Hinzu kommt, dass der Verein seine Personalkosten in den Griff bekommen will, indem strikt nach Einsatzzeiten bezahlt wird. Ein Perspektivspieler, der ab und zu eingewechselt wird, muss weniger verdienen als ein Leistungsträger. Das klingt logisch, doch in Köln saßen zu oft Top-Verdiener auf der Bank.
Zwar gab es zuletzt ein lockeres Vertragsangebot der Klubführung an Horn. Doch das entsprach bei weitem nicht dem gewohnten. Horn hätte auf mehr als zwei Drittel seiner bisherigen Einkünfte verzichten müssen.
Die Zeichen stehen damit auf Trennung. Horn lässt den Markt sondieren. Doch entschieden ist nichts. „Es gibt keinen neuen Stand“, sagte Steffen Baumgart am Donnerstagabend: „Wir haben im Moment ein anderes Problem, das heißt Punkte. Er ist ein sehr wichtiger Spieler, aber es ist keine Entscheidung getroffen.“
Für den Sportler Timo Horn ist die Vertragssituation bitter, allerdings gehört es zum Profitum, ständig beurteilt zu werden. Die öffentliche Kritik an Horn vor allem in den beiden Spielzeiten vor seiner Ablösung hatte auch mit der enttäuschten Hoffnung zu tun, den nächsten Schumacher oder Illgner gefunden zu haben. Auch für Horn ist es eine Enttäuschung. „Es gab die Traumvorstellung, ein Leben lang bei seinem Verein zu bleiben. Auf der anderen Seite habe ich es nie ausgeschlossen, den Verein auch mal zu wechseln. Das ist das Geschäft, das ist manchmal hart“, sagte Horn zuletzt: „Unter der Woche im Training gelingt es mir ganz gut, damit umzugehen. Ich habe versucht, die Situation positiv anzunehmen. Wenn man sich am Wochenende auf die Bank setzen muss, dann tut das weh.“ Gemessen an seiner sportlichen Lage verhält sich Horn weiterhin vorbildlich. Seine Popularität bei den Fans am Geißbockheim ist ungebrochen. Der Keeper erfüllt praktisch jeden Wunsch.
Marvin Schwäbe erlebt derzeit ebenfalls seine erste Delle in Köln, zuletzt kassierte er haltbare Bälle. Insgesamt fällt auf, dass Schwäbe gar kein so anderer Torhüter ist als Horn. Zwar hat Schwäbe überragende Qualitäten in den direkten Duellen und wirkt weniger anfällig bei Fernschüssen. Doch die Statistiken legen nicht unbedingt nahe, dass Schwäbe besser geeignet ist für Baumgarts offensiven Fußball als Horn: Kein Torhüter der Bundesliga agiert so nah vor seinem Tor wie Schwäbe, keiner hat weniger Aktionen außerhalb des Strafraums. Und ein Flankenjäger ist Schwäbe wie Horn nicht: Nur drei Bundesliga-Torhüter stoppen weniger Flanken im Strafraum als Schwäbe.
Doch die Kölner sind glücklich mit Schwäbe – und Schwäbe ist zufrieden beim FC. Der Vertrag des 27-Jährigen läuft bis 2024. „Ich fühle mich sehr wohl beim FC, in der Mannschaft und in der Stadt“, sagte der Torhüter unlängst im Interview mit der „Kölnischen Rundschau“.
Für die Zukunft hat sich der 1. FC Köln im Tor bereits aufgestellt. Intern wird Jonas Urbig der „Kronprinz“ genannt. Bis Juni 2024 ist er 19-jährige Euskirchener nach Regensburg in die Zweite Liga ausgeliehen. Dann soll er versuchen, beim FC in große Fußstapfen zu treten.