Der 1. FC Köln hat sich am Mittwochabend als Verein präsentiert, dem das Miteinander abhandenkommen könnte – und damit seine größte Stärke.
Kommentar zur MitgliederversammlungDem 1. FC Köln fehlt im Kern jede Harmonie
Demokratie kann anstrengend sein, und nicht immer kommt sie unterhaltsam daher. Diese Erfahrung machen Mitglieder des 1. FC Köln Jahr für Jahr anlässlich ihrer Versammlung. Der Klub ist stolz darauf, zu 100 Prozent im Besitz seiner Mitglieder zu sein. Und tatsächlich nimmt Deutschlands viertgrößter Fußballverein damit eine Sonderstellung ein. Die großen Linien beim 1. FC Köln sind nur zu verändern, wenn die Mitglieder und die von ihnen gewählten Gremien ihre Zustimmung geben. Man ist selbstbestimmt. Das bedeutet manchem Mitglied mehr als der Tabellenstand.
Für viele der 130.000 Mitglieder bedeutet es einen sentimentalen Wert, Teil des 1. FC Köln zu sein. Wie die alte Spielzeugkiste auf dem Dachboden: Man rührt sie selten an. Aber hergeben würde man sie nie im Leben, selbst wenn man nicht gestalterisch mitwirken will. Das mag jeder halten, wie er will.
Die Ernsthaftigkeit ist für viele Mitglieder ein wichtiger Faktor
Wer aber zu dem einen Prozent gehört, das zur Mitgliederversammlung erscheint, der weiß, worauf er sich einlässt. Es ist auch die Ernsthaftigkeit, die den Abend in der Lanxess-Arena Jahr für Jahr zu etwas Besonderem macht. Feststellung der Beschlussfähigkeit, Entlastung von Gremien, Satzungsänderungsanträge und deren Begründung. Nichts davon ist großes Kino. Doch ist es auch nicht Aufgabe einer Mitgliederversammlung, straff, modern und sexy zu sein. Den Ernst des Abends zu reduzieren und durch etwas Banales ersetzen zu wollen, ist ein Vorhaben, das am Mittwochabend krachend durchgefallen ist.
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Einmal im Jahr liefern Gremien und Geschäftsführung ihre Berichte ab. In einer Rede, die strukturiert, unterhaltsam und womöglich sogar frei vorgetragen sein darf. Anschließend hat man sich dem Tagesordnungspunkt „Aussprache“ zu stellen, die Mitglieder ernst zu nehmen, mit Demut aufzutreten. Denn wenn ein Mitglied den Mut aufbringt, zum Tagesordnungspunkt „Aussprache“ vor 1000 Menschen ans Rednerpult zu treten, verdient das Respekt. Und darf nicht Anlass sein für die nächste Initiative, die Veranstaltung abzukürzen.
Der Rest ist dann das reine Abarbeiten von Tagesordnungspunkten. Hier eine Wahl, dort eine Satzungsänderung. Am Ende dauert es so lange, wie es eben dauert. Anschließend geht man nach Hause, schläft sich irgendwann womöglich sogar aus. Weiter geht’s.
In diesem Jahr hat der 1. FC Köln viel Arbeit investiert, um die Versammlung zu reformieren. Kürzer und kurzweiliger – so lautete das Vorhaben. Es dauerte dann sieben Stunden lang. In Erinnerung bleiben wird eine an die Sendung „Wetten, dass…?“ erinnernde Couchlandschaft und endlose Erzählungen am „Talktresen“ über die Themen „Werterad“ und „Matchplan“, für die Vorstand und Geschäftsführung teils seit Jahren kaum jemanden begeistern.
Womöglich nicht nur wegen fehlenden Rednertalents. Sondern auch, weil niedergeschriebene Werte und Pläne die Menschen nicht unbedingt mitreißen. Vor allem dann nicht, wenn man über Werte spricht, jedoch gleichzeitig den Eindruck erweckt, dass diese Werte deutlich an Bedeutung verlieren, sobald es ums Geld geht.
Die Debatte um das Sponsoring eines Unternehmens aus der Glücksspiel-Industrie nahm jedenfalls einen großen Teil der Debatten ein, und wenn so etwas geschieht, hat das allein aus der Kraft des Faktischen seine Berechtigung. Doch der Umgang mit dem Thema, so erwartet es aufkam, war ungeschickt. Wie so vieles, was auf der Bühne vor sich ging.
Die Kritik an der sportlichen Lage nahm noch vergleichsweise wenig Raum ein. Darüber wundert sich allerdings nur, wer die FC-Mitglieder unterschätzt. Dass die Stimmung einer Mitgliederversammlung vornehmlich geprägt ist durch den aktuellen Tabellenstand, wäre eine weitere Fehleinschätzung. Das Interesse der Menschen, die sich zur Versammlung begeben, geht weit über die Frage hinaus, wie das letzte Spiel ausgegangen ist. Dass der Vorstand für das abgelaufene Geschäftsjahr mit nur 65 Prozent entlastet wurde, hatte nicht im Ansatz mit dem Fehlstart in der Bundesliga zu tun. Das lag allein am Ungeschick im Umgang mit den Mitgliedern.
Die alarmierende Quote bei der Entlastung, zudem der offen vorgetragene Konflikt zwischen Mitgliederrat und Präsidium. Der 1. FC Köln hat auf seiner Mitgliederversammlung das Bild eines Vereins abgegeben, dem im Kern die Harmonie fehlt. Und dem der Zusammenhalt abhandenkommen könnte, sollte es nicht gelingen, zu einem besseren Miteinander zu finden. Auf der Mitgliederversammlung – und darüber hinaus.