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Kommentar

1. FC Köln-Kolumne „Dauerkarte“
Der Weg aus der FC-Krise führt über Augsburg

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Lesezeit 6 Minuten
Halten weiterhin zusammen: Steffen Baumgart, Christian Keller, Thomas Kessler

Halten weiterhin zusammen: Steffen Baumgart, Christian Keller, Thomas Kessler

Der 1. FC Köln hat trotz des Derbysiegs eine Krise. Am Samstag kann Steffen Baumgarts Team gegen Augsburg ein großer Schritt gelingen.

Schwere Tage für den 1. FC Köln, und längst richtet sich der Blick in die Vergangenheit und auf die elende Saison 2017/18, als der Verein nach dem größten Erfolg der jüngeren Vergangenheit mit Platz fünf und der Qualifikation für die Europa League ins Bodenlose stürzte. Damals hatte der FC am neunten Spieltag mit einem 0:0 daheim gegen Werder Bremen seine Punktezahl verdoppelt – zwei Zähler nach neun Partien bedeuteten einen historisch schwachen Saisonstart. Und zeitigten erste personelle Konsequenzen: Am Donnerstag zuvor hatte ich den FC in Borissow verlieren sehen, beim 0:1 in Belarus in der Europa League hatte es deutliche „Schmadtke raus“-Rufe aus dem Kölner Block gegeben. Das würde sich der stolze Sportchef nicht lange bieten lassen.

Am Sonntagnachmittag folgte dann ein Heimspiel gegen Bremen, von dem mir vor allem in Erinnerung geblieben ist, dass Serhou Guirassy einen Ball aus dem Fünfmeterraum frei über das Tor schoss. 21 Jahre alt war der Franzose damals, ein interessanter Spieler, der aber Schwierigkeiten hatte, im Erstligafußball anzukommen. Wir mochten ihn alle sehr, aber er trug ein sagenhaftes Desinteresse vor sich her. Man hätte ihm auch „Egal“ auf das Trikot flocken können, hätte gut gepasst. Und es hätte ihn garantiert nicht gestört.

Peter Stöger zog nach dem 2:2 auf Schalke am 2. Dezember 2017 seinen Hut vor den FC-Fans und nahm damit Abschied. Die Klubspitze hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht informiert.

Peter Stöger zog nach dem 2:2 auf Schalke am 2. Dezember 2017 seinen Hut vor den FC-Fans und nahm damit Abschied. Die Klubspitze hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht informiert.

Ich erinnere mich noch, wie mir irgendwann auffiel, dass der 1. FC Köln ihn immer „Sehrou“ schrieb, er sich selbst aber bei Twitter „Serhou“ nannte. Ich sprach damals irgendwann jemanden aus der Medienabteilung des Klubs darauf an, der sich dann an die Recherche machte, wie denn nun der Mittelstürmer hieß, den man da beschäftigte. Es stellte sich heraus, dass der Verein Guirassy so lange konsequent falsch geschrieben hatte, bis der Spieler gefunden hatte, dass es nun auch egal sei.

Später spielte Guirassy dann in Markus Anfangs ultrakompliziertem 4141-System eine Art Linksaußen, machte auf der Position alles falsch und wurde dafür in jedem Training derart zusammengebrüllt, dass wir eigentlich täglich glaubten, Guirassy würde am nächsten Tag einfach nicht mehr erscheinen. Er kam dann trotzdem jedes Mal, weil es ihm womöglich egal war, dass Markus Anfang und sein Stab ihn dafür anschrien, dass er kein Linksaußen war und auch keiner zu sein versuchte. Der Rest ist Geschichte, sagt man in solchen Fällen wohl. Guirassy wurde erwachsen, verließ Köln und ist jetzt ein Stürmer, der sämtliche Rekorde bricht. Allerdings derzeit verletzt ist.

Ich bin verantwortlich für die Personalsituation, die Zusammenstellung des Kaders und die Verpflichtung des Trainers. Ich werde den Verein mit sofortiger Wirkung verlassen
FC-Manager Andreas Rettig im Dezember 2005

Bremen hielt damals jedenfalls die Null gegen Köln und Guirassy, der unter Peter Stöger immerhin Stürmer spielen durfte. Am nächsten Morgen traf ich mich mit Präsident Werner Spinner in unserer Lieblingsbäckerei auf dem Kirchweg in Junkersdorf auf einen Kaffee und ein Stück Streuselkuchen. Ja, so glamourös ist das Reporterleben.

Wir plauderten ein wenig über den Stand der Dinge, es ging da weniger um konkrete Geheimnisse als darum, einander die jeweilige Sichtweise darzulegen. Kann nie schaden, im Austausch zu bleiben. Dann klingelte das Präsidenten-Telefon, und Herr Spinner wurde ziemlich still. Er ließ mich dann mit drei Vierteln seines Streuselkuchens zurück, ohne mir zu verraten, was los war. Für mich war allerdings relativ klar, dass Jörg Schmadtke hingeschmissen hatte. Was ja dann auch so war.

Der Sportchef hatte nach zwei Punkten aus neun Spielen seine Konsequenz gezogen, wobei ich angesichts der sagenhaften Abfindung eher fand, dass sich da jemand aus der Verantwortung stahl. Peter Stöger machte anschließend noch acht weitere Pflichtspiele, ehe auch er Abschied nahm. Unvergessen, wie der Österreicher nach dem 2:2 auf Schalke vor den Kölner Fanblock Schritt, seine Mütze zog und „Servus“ sagte. Ich telefonierte in diesem Moment mit Kölner Klub-Verantwortlichen, die bereits auf der Autobahn zur Krisensitzung waren. Die Lage sei offen, man werde nun debattieren, was zu tun sein. Und ich rief im Lärm der ausverkauften Arena: „Können Sie ja gern machen, aber Ihr Trainer verabschiedet sich gerade da unten von den Fans.“ Irgendwie waren es auch herrliche Zeiten.

Im Dezember 2005 zog Andreas Rettig seine Konsequenzen aus dem Absturz der Kölner Mannschaft, Trainer Uwe Rapolder folgte bald.

Im Dezember 2005 zog Andreas Rettig seine Konsequenzen aus dem Absturz der Kölner Mannschaft, Trainer Uwe Rapolder folgte bald.

Christian Keller, soviel steht fest, wird sich nicht aus dem Staub machen. Allerdings war ich auch zugegen, als Andreas Rettig im Dezember 2005 auf der Bielefelder Alm seinen Rücktritt erklärte: „Ich bin verantwortlich für die Personalsituation, die Zusammenstellung des Kaders und die Verpflichtung des Trainers. Ich habe dem Präsidenten Wolfgang Overath meinen Rücktritt angeboten und werde den Verein mit sofortiger Wirkung verlassen“, sagte er damals auf der Pressekonferenz. Ich weiß noch, dass ich damals ziemlich grippal nach Bielefeld gefahren war. Daher glaubte ich zunächst, es läge am Fieber, als ich Rettig mit dem Schlusspfiff gestenreich mit dem FC-Präsidium debattieren sah. Aber es war die Realität.

Ich habe allerdings weiterhin das Gefühl, dass Christian Keller sich längst nicht gescheitert sieht. Und es ist ja auch noch nicht gesagt, wie diese Saison ausgeht. Denn angesichts der Zweiteilung der Liga geht es für den FC nicht in Duellen mit Leipzig um alles. Sondern in den Spielen gegen die Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte. Köln will sich im Kampf der Abgeschlagenen behaupten, was weiterhin möglich ist. Es ist schließlich erst Anfang November.

Unnötiges und damit besonders schmerzhaftes Pokal-Aus in der Pfalz

Allerdings war das Pokal-Aus in Kaiserslautern ein schwerer Schlag. Die Kölner Mannschaft hat trotz eines verkorksten Transfersommers die Substanz, einen Kader wie den der Pfälzer zu beherrschen und sicher zu schlagen. Doch die Pleite in Leipzig hat die Köpfe der Spieler erreicht, es war nun erstmals die Tragik zu sehen, die Mannschaften ausstrahlen, die in die Hilflosigkeit drehen. Es sind bekannte Bilder. Nie werde ich vergessen, wie wir am 30. Spieltag der Abstiegssaison 2017/18 nach der 1:2-Niederlage in der Mixed-Zone des Berliner Olympiastadions auf die FC-Spieler warteten, die dann weinend aus dem Innenraum kamen.

Steffen Baumgart am Freitag auf der Pressekonferenz zum Spiel seines 1. FC Köln gegen den FC Augsburg

Steffen Baumgart am Freitag auf der Pressekonferenz zum Spiel seines 1. FC Köln gegen den FC Augsburg

So weit waren die Kölner in Leipzig noch lange nicht, aber sie haben Wirkung gezeigt und sind damit bei ihrem Trainer nicht unbedingt auf Verständnis gestoßen. Steffen Baumgart fordert den unerschütterlichen Glauben an seinen Fußball ein, und wer sich den Glauben erschüttern lässt, bekommt Schwierigkeiten. Dass der Trainer seine Mannschaft für das Zustandekommen der Niederlage in Leipzig derart angegangen ist, hat in Kaiserslautern zu einer 60 Minuten langen Bankrotterklärung geführt.

Dann aber kamen Mark Uth und Jan Thielmann, und gerade Uth ist ein Spieler, der eine schlechte Mannschaft bessermachen kann. Mit dem Offensivstrategen änderte sich alles, denn Uth trägt seine Kollegen. Wäre Florian Kainz nicht vom Platz geflogen, hätte der FC noch den Ausgleich erzielt, darauf lege ich mich fest – wissend, dass niemand das Gegenteil beweisen kann.


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So aber schied der FC aus, anders übrigens als 2017/18, als Köln erst im Achtelfinale scheiterte. Vier Punkte nach neun Spielen, Aus in der zweiten Pokalrunde – viel schlechter war der FC noch nie, das sollten sich die Verantwortlichen vor Augen führen, wenn sie wieder die Platte auflegen vom 1. FC Köln, der seit 40 Jahren keinen Titel mehr gewonnen hat. Mag ja alles sein. Aber es muss auch niemand so tun, als sei der Verein derzeit auf geradem Weg zurück in die Spitze. Selbstverständlich ist es derzeit die zentrale Aufgabe, den FC finanziell zu heilen. Doch auch mit den in Köln zur Verfügung stehenden Mitteln muss mehr drin sein als ein 0:3-Rückstand in Kaiserslautern nach 65 Minuten.

Der FC hat in den kommenden Wochen alle Möglichkeiten, die sportliche Rettung einzuleiten. Am Samstag daheim gegen Augsburg muss es dann allerdings auch losgehen.