FC-Sieg im Kölner Pokalfinale 1983„Jubelt endlich, ihr Schweine“
- 1983 gewann der 1. FC Köln dank eines 1:0 gegen den SC Fortuna den DFB-Pokal.
- Doch der Bundesligist spielte lange schwach gegen den Außenseiter und Stadtrivalen.
- Trotz Pierre Littbarskis Siegtor kam im Müngersdorfer Stadion nicht nur Freude auf.
In vielerlei Hinsicht ist das 40. deutsche Pokalendspiel besonders. Zum ersten und bislang einzigen Mal kommen die beiden Finalisten aus derselben Stadt. Während es für den Bundesligisten 1. FC Köln bereits die neunte Teilnahme ist, so ist es für den Zweitligisten SC Fortuna Köln eine Premiere. Auch für einen 10-jährigen Jungen aus Glessen im Rhein-Erft-Kreis ist der Tag ein Novum. Noch nie hat er ein echtes Fußballstadion betreten oder eine Anlage, die größer ist als die Aschenplätze im westlichen Kölner Umland. Erst nach dem Mittagessen eröffnen die Eltern ihrem Sprössling an diesem 11. Juni 1983 die Überraschung. Und so betritt der Junge an der Seite seines Vaters eine für ihn völlig neue Welt.
Nach 1938 erlebt das Müngersdorfer Stadion sein zweites Pokalfinale. Zwar ist das in seiner ursprünglichen Form 1923 eröffnete Stadion inzwischen zu einer modernen Arena umgebaut worden und – man möchte sagen: „Typisch Köln!“ – pünktlich eineinhalb Jahre nach der Weltmeisterschaft 1974 fertiggestellt worden, doch Spiele mit landesweiter Aufmerksamkeit sind selten in Köln. So stellen die 61000 Fans, die dieses Derby verfolgen, eine der größten Kulissen in der Geschichte des Kölner Stadions dar. Als Schiedsrichter Walter Engel die Partie um 16 Uhr anpfeift, ahnt niemand im weiten Rund, welche Reaktionen dieses Spiel auslösen wird.
Natürlich ist der FC Favorit. Dabei ist die Mannschaft von Trainer Rinus Michels gewarnt. Bereits zweimal traf der größte Kölner Klub in einem Pokalfinale auf eine Mannschaft aus der Zweiten Liga. So hat der FC auch die zweifelhafte Ehre als erster Bundesligist ein Endspiel gegen einen Zweitligisten verloren zu haben. Die Offenbacher Kicker schafften 1970 die Sensation und verwehrten dem FC den zweiten Pokalerfolg im vierten Finale.
Jürgen Gede trifft die Latte
Auch an diesem Samstagnachmittag läuft es nicht wunschgemäß für den FC. Fortunas Dieter Schatzschneider, in seinem letzten Spiel vor dem Wechsel zum HSV, legt in der Anfangsphase gut für Bernd Grabosch auf, der aber kann die Chance nicht nutzen. Es wird unruhig auf den Rängen. Zwar hat der FC auch seine Möglichkeiten, aber Fortuna ist die engagiertere Mannschaft. In der 29. Minute trifft Jürgen Gede die Latte. In der Halbzeit spricht Fortuna-Trainer Martin Luppen, gefilmt von einem Kamerateam des ZDF, seiner Mannschaft Mut zu: „Wir haben aggressiv und frech mitgespielt. Man merkt nichts von einem Klassenunterschied. Es ist ein gutes Spiel.“
Das sehen die FC-Fans ganz anders. Sie murren über das ideenlose Spiel ihrer Mannschaft. Der 10-Jährige neben seinem Vater in Reihe drei im Oberrang Ost ist eingeschüchtert. Um ihn herum wird geschimpft und geflucht. Warum? Es steht doch 0:0. Nichts ist verloren.
Auch die zweite Hälfte bringt keine Veränderung. Die Fortuna spielt das größte Spiel ihrer Vereinsgeschichte. Der Großteil des Publikums sympathisiert mittlerweile mit dem Südstadt-Klub. Schatzschneider versucht sein Glück mit einem Fallrückzieher, nachdem es kurz zuvor Paul Steiner für den FC mit der Hacke probiert hatte. In der 68. Minute dann kann Fortunas Torwart Bernd Helmschrot, gestört von einem Mitspieler, eine Flanke von Klaus Allofs nicht festhalten, der Ball fällt vor die Füße von Pierre Littbarski. Der lässt sich nicht lange bitten und hämmert den Ball ins Netz. Erleichterung. Bei den Spielern auf dem Platz. Beim Trainer. Und natürlich bei einem 10-Jährigen, der vor Freude hüpft. Die hämischen Kommentare der Reihennachbarn hört er nicht. Er will sie nicht hören. Sie sind ihm egal. Der FC führt.
„Papa, lass uns gehen“
In seinem Grußwort im Programmheft zum Spiel hat Kölns Oberbürgermeister Norbert Burger geschrieben: „Wem soll ich den Sieg gönnen? In meinem Verständnis für Sport und Fairness kann nur einer gewinnen: Der Bessere.“ Gemessen an dem Pfeifkonzert, das nach dem Abpfiff einsetzt, ist der Wunsch des Oberbürgermeisters nicht erfüllt worden. Auch bei der Siegerehrung sind die Unmutsäußerungen lauter als der Jubel. Ein FC-Spieler schimpft: „Jubelt endlich, ihr Schweine.“
Im Oberrang Ost versteht der Junge die Welt nicht mehr. Wegen seines Jubels über den Pokalsieg seines FC sieht er sich Anfeindungen von Erwachsenen ausgesetzt. Er ist enttäuscht: „Papa, lass uns gehen.“ Es wird nicht die letzte Enttäuschung im Zusammenhang mit seiner gerade erst erwachten Leidenschaft sein.
Trotz allem ist es besonders, dieses 40. deutsche Pokalendspiel. Im ersten Spiel direkt ein Titel. Ein Traumspiel.
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