Kölns Trainer reagiert beim 2:1-Sieg gegen Darmstadt für seine Verhältnisse geradezu radikal.
Früher Dreifach-Wechsel, klare WorteGerhard Strubers neue Härte zahlt sich für den 1. FC Köln aus

Erneut knapp gewonnen: FC-Trainer Gerhard Struber ballt nach dem Abpfiff und dem2:1-Sieg gegen Darmstadt die Fäuste.
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Es war eine Wortmeldung, die aufmerksame Beobachter des 1. FC Köln in dieser Schärfe von Gerhard Struber wohl noch nie vernommen hatten. Und es war eine Maßnahme, die für den Trainer des Bundesliga-Absteigers gerade zu radikal war, aber die am Ende fruchtete und der Schlüssel für den gewünschten Erfolg, den 2:1-Sieg am Samstagabend gegen den SV Darmstadt 98, war.
Struber hatte zur Pause nach einem leidigen, quälenden Auftritt seiner Mannschaft gleich drei Wechsel vorgenommen. Der Österreicher zog die Reißleine und nahm Ex-Kapitän Florian Kainz, Abräumer Mathias Olesen und den erneut harmlosen Stürmer Steffen Tigges raus und brachte Denis Huseinbasic, Dejan Ljubicic und Winter-Neuzugang Imad Rondic für den Angriff. Struber begründete diese für ihn ungewohnte Maßnahme mit einer „totalen Unzufriedenheit mit der ersten Halbzeit, mit unserem Spieldenken und unserer offensiven Ausrichtung.“ Eine deutliche Ansage. „Wir hatten uns vorgenommen, dass wir uns viel mehr zutrauen, viel mutiger agieren und in der Positionierung eine bessere Disziplin aufbringen – speziell, wenn man mit 1:0 führt. Das hat uns in der ersten Halbzeit gefehlt.“
Struber war zuvor wahrlich nicht als Wechsel-König bekannt. Das Gegenteil war der Fall: Vor dem 26. Spieltag hatte nur ein Verein weniger Auswechslungen vorgenommen – Schalke 04. Der Österreicher hatte seinen seltenen Personaltausch damit begründet, dass der Moment für Wechsel immer stimmig sein müsse. Er wollte sich nicht treiben lassen. Und er stützte vielfach kritisierte Spieler lange in der Hoffnung, dass sie das Vertrauen zurückzahlen würden. Doch gegen Darmstadt wurde er von einigen Spielern – im Speziellen in Halbzeit eins – arg enttäuscht.
Dabei hatten die Gäste den zuletzt nicht gerade selbstbewusst wirkenden Kölner schon ein ganz frühes Geschenk gemacht. Denn ohne den katastrophalen Rückpass von Sergio Lopez wäre der FC nicht in der ersten Minute durch Jan Thielmann in Führung gegangen. Doch das 1:0 gab den Kölnern nicht die Sicherheit und das breite Kreuz, das man sich erhofft hatte. Mit zunehmender Spielzeit agierten sie immer mut- und planloser. Eine Idee von Fußball war nicht zu erkennen. Das 1:1 von Darmstadts Fraser Hornby per Elfmeter nach einem Handspiel im Strafraum von Dominique Heintz war folgerichtig.
1. FC Köln: Struber korrigiert die eigenen Entscheidungen rechtzeitig
Struber hatte in der ersten Halbzeit auf eine Dreierabwehrkette mit Heintz, Eric Martel und Timo Hübers gesetzt. Kainz musste erneut auf der Sechs ran, eine Position, die dem ehemaligen Kölner Spielführer bereits in der vergangenen Saison nicht behagte. Neben ihm lief Olesen auf, der von den vergangenen sechs Ligaspielen gleich fünf Mal in der Startelf stand. Ein Abräumer, der gegen offensiver orientierte, stärkere Mannschaft seine Qualitäten besser einbringen kann. Doch gegen Darmstadt war Olesen, der eher auf Sicherheitsfußball setzt und selten Ideen im Spiel nach vorne entwickelt, nicht der richtige Mann. Das Duo konnte aus der Schaltzentrale heraus das Spiel nie wie gewünscht ankurbeln.
Und ganz vorne im Sturmzentrum war Steffen Tigges zwar erneut nicht das Bemühen abzusprechen, er lief immer wieder hoch an. Doch der 26-Jährige ist ein Ausbund an Harmlosigkeit. Der Angreifer hatte 17 Ballkontakte ohne jegliche Toraktion. Also kein Torschuss, keine Torschussvorlage. Sein xGoals-Wert (xG steht für „Expected Goals“, auf Deutsch: „zu erwartende Tore“) betrug 0,0. Beim 1:0-Sieg in Ulm und gegen Darmstadt hatte Struber zuletzt dem Hünen jeweils das Vertrauen geschenkt und von Beginn an gebracht. Auch, weil der FC zunehmend von Verletzungssorgen in der Offensive gebeutelt war. Doch Torgefahr entwickelte der Stürmer nie. Und so wartet Tigges seit dem 18. Mai 2024, dem 1:4 in Heidenheim am letzten Bundesliga-Spieltag, weiter auf ein Tor oder eine Torvorlage.
Der Dreifach-Wechsel und die Umstellung auf eine Viererabwehrkette rentierten sich. Das Kölner Spiel war zwar weiterhin weder eine Augenweide noch sonderlich strukturiert, aber es war druckvoller, mutiger, lebendiger. Und Struber sprach im Brustton der Überzeugung davon, dass seine Maßnahmen gegriffen hatten und er eben doch nicht so unflexibel in Sachen Personal ist: „Die zweite Halbzeit war ein Wendepunkt. Ein Schlüssel, dass wir das Spiel positiv gedreht haben, waren sicher auch die Wechsel. Wir haben den Gegner viel mehr unter Druck gesetzt, waren dynamischer und haben bessere Entscheidungen getroffen.“ Das war sicher als Lob für die eigenen Entscheidungen und als eines für die Joker zu werten, zugleich aber auch ein Denkzettel für das ausgewechselte Trio.
Es war eine Härte, die man so von Struber nur selten kannte. Es ist nicht davon auszugehen, dass insbesondere Olesen und Tigges demnächst erneut von Beginn an die Chance bekommen werden. Zumal Struber nach der Länderspielpause vor allem in der Offensive wieder deutlich mehr Optionen hat. Die neue Härte und Konsequenz von Struber auf der Zielgerade der Saison: Sie steht ihm gut und könnte ein Schlüssel zum Aufstieg werden.
1. FC Köln: Schwäbe - Hübers, Martel, Heintz - Gazibegovic (69. Lemperle), Olesen (46. Rondic), Kainz (46. Ljubicic), Finkgräfe - Waldschmidt (87. Uth) - Thielmann, Tigges (46. Huseinbasic). - SV Darmstadt 98: Schuhen - López (86. Lakenmacher), Riedel, Vukotic, Bueno - Papela, Müller (80. Maglica), Marseiler (63. Boëtius), Corredor - Lidberg, Hornby.- Schiedsrichter: Heft (Neuenkirchen).- Tore: 1:0 Thielmann (1.), 1:1 Hornby (25., Handelfmeter nach VAR), 2:1 Waldschmidt (80., Foulelfmeter nach VAR). Gelb-Rot: Hornby (Darmstadt, 66.).- Zuschauer: 50.000 (ausverkauft).