Die Woche war für den 1. FC Köln geprägt von der Aufarbeitung der Niederlage in Bremen und der konfrontativen Mitgliederversammlung.
FC-Kolumne DauerkarteUnruhe im Verein – und jetzt kommen die starken Stuttgarter
Ich musste echt lachen, als mir zu Beginn der Mitgliederversammlung am Mittwochabend ein FC-Verantwortlicher sagte, er rechne mit drei Stunden Veranstaltungsdauer. Viel falscher konnte man nicht liegen, was aber ja schon wieder zeigt, was so eine Versammlung für einen Blindflug bedeutet. Die FC-Mitgliederversammlung als totale Blackbox – eines der letzten großen Abenteuer unserer Zivilisation und schlechter planbar als eine Auswärtsfahrt mit dem Deutschlandticket.
Wer sich allerdings etwas intensiver mit dem Thema befasst, der weiß jedes Jahr im Herbst: Das wird ein langer Abend. Dass es dann sieben Stunden wurden, kam zwar auch für mich überraschend, war aber angesichts der Stimmung im Saal früh abzusehen. Die Aussprachen nehmen traditionell viel Zeit in Anspruch. Und es gab einige Themen zu erörtern. Der Fehlstart in der Bundesliga nahm da noch vergleichsweise wenig Raum ein.
Es ist keine allzu subtile, aber gewiss nicht falsche Strategie, erwartbare Konfliktthemen direkt anzusprechen. Dass etwa Christian Keller den Vorwurf, er „spare den Verein kaputt“, gleich als Einstieg in seine Rede benutzte, war ein kluges Vorgehen. Denn der Sportchef fand die richtigen Worte und auch eine angemessene Tonlage, um den Bedenken der Mitglieder zu begegnen. Dass er als Treuhänder des Vereinsvermögens darauf achten muss, nicht alles Geld auf Profis zu setzen, von denen ihm keiner versprechen kann, dass sie am Ende den Unterschied ausmachen zwischen Platz 16 und Platz 15, ist aus Kellers Perspektive nachvollziehbar.
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Dass die Mitglieder finden, dass es gerade Kellers Job sei, die Mittel so einzusetzen, dass finanzielles Risiko und sportlicher Ertrag in einem ausgewogenen Verhältnis sind, ist ebenso verständlich. Über die Ausgewogenheit wird der Tabellenstand nach dem 34. Spieltag entscheiden. Bis dahin kann man diskutieren und auch unterschiedlicher Meinung sein, zumal nach nur einem Punkt aus fünf Spielen. Doch Keller blieb rhetorisch sicher und konsequent in seinen Argumenten. Er wird nicht jeden Anwesenden davon überzeugt haben, dass die Mannschaft im Rahmen des Möglichen optimal zusammengestellt ist. Aber er brachte die Leute dazu, ihm zuzuhören und seinen Standpunkt zu verstehen.
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Statt wie in der Vergangenheit Reden zu halten, ließen sich die Klubverantwortlichen auf der Bühne in einem „Talk-Format“ interviewen. Solche Simulationen funktionieren in der Regel nicht, weder inhaltlich noch bezüglich des Vortrags. Vorgelesene Antworten auf vorgelesene Fragen – da entsteht dann selten etwas, das an ein echtes Gespräch erinnert. Markus Rejek ist immerhin ein guter Redner. Der unter anderem für das Marketing zuständige Geschäftsführer ließ sich im Talk gleich auf die Partnerschaft des FC mit der Gauselmann-Gruppe ansprechen, deren Marke „Merkur“ man von Spielautomaten kennt, von denen man besser die Finger lässt.
Nun macht man kein schwieriges Thema auf, wenn man nicht ohnehin damit rechnet, dass es kommt. Tatsächlich verfolgt man auch beim 1. FC Köln die Diskussionslinien in den Sozialen Medien und Foren. Und da war zuletzt zu sehen, dass viele Fans der Ansicht sind, dass ein Unternehmen, das sein Geld auch mit Süchtigen verdient – bei dem die Spielsüchtigen womöglich zum Geschäftsmodell gehören – kein angemessener Partner ist.
Glücksspiel ist gefährlich, und als Verein, der wie der 1. FC Köln seit diesem Mittwoch sogar im Vereinszweck festgeschrieben hat, sich zum Nachhaltigkeitsprinzip zu bekennen und „wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte“ zu berücksichtigen, muss besonders sensibel mit der Wahl seiner Partner umgehen. Rejek war gut vorbereitet und argumentierte sicher. Doch war die Debatte längst in einer viel grundsätzlicheren Umlaufbahn. Es ging um die Frage, ab welchem Preis die Vereinswerte verhandelbar sind. Auf diese Debatte ließ sich Rejek final nicht ein. Denn eine Diskussion darüber, dass womöglich auch beim „spürbar anderen“ Bundesligaklub 1. FC Köln alles seinen Preis hat, hätte den Rahmen einer Mitgliederversammlung gesprengt.
FC muss mit sich ausmachen, wo der Weg im Profifußball hinführen soll
Dennoch muss der FC diese Debatte führen und für sich selbst noch einmal klarstellen, wofür man stehen will. Denn ganz am Ende schießt längst auch in der Bundesliga das Geld die Tore, nicht ein Werterad oder eine herausragende Jugendabteilung. Wer auf Geld verzichtet, der verzichtet mittelbar auch auf sportlichen Erfolg. Dazu darf jeder stehen, wie er mag. Es muss nur ehrlich kommuniziert und dann auch konsequent gelebt werden. Dafür ist der FC ein Mitglieder-geführter Verein. Mit dieser Debatte darf der Vorstand allerdings die Geschäftsführung nicht alleinlassen. Das Präsidium hat viel Arbeit vor sich, mit nur 65 Prozent Entlastungsquote ging es schwer angeschlagen aus der Mitgliederversammlung hervor.
Eine Sache noch, um Missverständnissen vorzubeugen: Werner Wolf teilte den Mitgliedern am Mittwoch zu Beginn der Versammlung mit, man habe vorab bewusst keine Interviews gegeben. Dafür bekam der Präsident einiges an Applaus. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Von den relevanten Medien, die regelmäßig über den 1. FC Köln berichten, hatte nur ein einziges um ein Vorab-Gespräch mit dem Vorstand gebeten.
Ich war am vergangenen Samstag beim Spiel in Bremen, wo die Fans heftig gegen Immobilienfirmen protestieren, die den Verein mitfinanzieren. Immerhin hat sich Werder mittlerweile vom umstrittenen Trikotsponsor „Wiesenhof“ getrennt – nach elf Jahren voller Kritik. Eine Debatte über Werte hat der FC also nicht für sich allein.
Womit wir beim Sport wären. In Bremen hätte ich nach einer halben Stunde im Leben nicht geglaubt, dass der FC das Spiel verlieren könnte. Im Gegenteil fragte ich mich, was Trainer Ole Werner, den ich richtig gut finde, seiner Mannschaft mitgegeben hatte. Werder machte alles falsch, war dann aber zur Stelle, als wiederum der 1. FC Köln kollabierte.
Steffen Baumgart sagte uns gestern, der habe genug von Videositzungen, auf denen er seinen Spielern ihre Fehler vorführen müsse. Im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart mit dem herausragenden Ex-FC-Stürmer Serhou Guirassy soll am Samstag eine Kölner Mannschaft auftreten, die nicht nur in Phasen, sondern über 90 Minuten ihrem Plan folgt. Der FC hat seine Stabilität noch nicht wiedergefunden, was einerseits sicher daran liegt, dass Jonas Hector und Ellyes Skhiri nach wie vor extrem fehlen. Aber auch daran, dass Leistungsträger, die nun endgültig in die erste Reihe treten sollten, Probleme mit sich selbst haben.
Steffen Baumgart vertritt weiterhin die Ansicht, dass das alles eine Frage der Zeit ist. „Wir treffen keine guten Entscheidungen. Die Jungs arbeiten gut, aber nicht gut genug“, sagte er gestern. Allerdings droht die Einstellung eines Vereinsrekords: Nie in seiner Geschichte startete der 1. FC Köln schwächer als mit einem Punkt aus sechs Spielen. Ein guter Zeitpunkt also für den ersten Sieg.