Die Länderspielpause hat gezeigt, warum Gerhard Struber in der Zweiten Liga bislang eher zaghaft wechselt: Der zweiten Reihe fehlt die Substanz.
1. FC KölnStürmer auf Formsuche – Struber hadert mit zweiter FC-Reihe
Neun Nationalspieler des 1. FC Köln waren in den vergangenen Tagen auf Reisen. Das ist nicht vergleichbar mit der Lage bei Bundesliga-Spitzenklubs, wo während der Abstellungsphasen kaum genug Personal da ist, um ein reguläres Training abhalten zu können. Doch fehlte dem FC ein nennenswerter Teil der Kernbesetzung. Und das hatte durchaus Auswirkungen.
Gerhard Struber war jedenfalls nach dem Blitzturnier im Bonner Nordpark merklich unzufrieden, trotz des Pokals, den es für den Sieg gegeben hatte. Grundsätzlich betreiben Trainer in Länderspielpausen gern Stimmungspflege. Setzen einen Test an. Schonen die Profis, die zuvor viel gespielt hatten. Überschütten die Reservisten mit Lob und äußern anschließend ihre Freude darüber, sich auf die Zweite Reihe verlassen zu können.
Gerhard Struber verzichtet auf Lob und fordert besseres Verteidigen
Struber verzichtete auf derlei Lob. Im Gegenteil machte der Österreicher deutlich, dass er nicht begeistert war vom Auftreten seiner Spieler. „Wir sehen, dass wir mit einigen Jungs schon noch viel zu tun haben“, erklärte der Trainer. Zwar spielen die Kölner einen anspruchsvollen Stil. Doch dass sich der FC gegen Drittligist Viktoria und Regionalligaklub Fortuna Köln derart anfällig präsentiert hatte, hatte den Trainer verstimmt. „Wir haben mit komplett verändertem Personal gespielt, waren aber trotzdem zu offen. Das darf uns so nicht passieren. Da müssen wir besser verteidigen“, sagte Struber.
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Struber hat großes Vertrauen in seine Stammbesetzung – oder eben kaum welches in die Zweite Reihe. Mit 20 eingesetzten Profis nach vier Spieltagen stehen die Kölner im Mittelfeld der Liga. Vom Kader eines Bundesliga-Absteigers würde man erwarten, dass der Trainer von einer größeren Auswahl Gebrauch machte. 17 Auswechslungen nahm Struber in vier Partien vor, nur Schalke und Aufsteiger Preußen Münster (15) wechselten seltener. Und nur bei Fortuna Düsseldorf erhielten Einwechselspieler weniger Spielminuten. Zwar hatte Köln zuletzt einige Verletzte. Doch die haben andere Klubs auch.
Auch erfahrenere FC-Profis verpassten in Bonn die Chance, sich näher an die Stammelf zu spielen. Christian Keller begründete das mit fehlender Spielpraxis: „Die ist unabdingbar, deswegen war das Turnier wichtig“, befand der Sportchef in Bonn: „Wir müssen Spieler, die in Pflichtspielen nicht so viel zum Einsatz kommen, über Testspiele in Wettbewerbsformat bekommen.“
Sargis Adamyan etwa wäre ein Kandidat gewesen, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Brandenburger verbrachte die Länderspielpause in Köln – nicht bei der armenischen Nationalmannschaft, für die er vor elf Jahren das erste seiner 36 Länderspiele bestritt. Im Sommer 2022 kam Adamyan aus Hoffenheim zum 1. FC Köln und erhielt einen Vierjahresvertrag. 1,5 Millionen Euro gab Keller damals für den Angreifer aus, es war ein nach aktuellen Maßstäben unvorstellbar teurer Transfersommer in Köln: Neben Adamyan kamen noch Steffen Tigges, Eric Martel, Nikola Soldo und Denis Huseinbasic, insgesamt rund acht Millionen Euro investierte der FC damals.
Sargis Adamyan und Steffen Tigges suchen ihre Form
Doch Adamyan hat auch nach dem Abstieg noch nicht zu seiner Form gefunden. 46 Minuten stand er in vier Zweitligaspielen auf dem Platz, blieb ohne Tor oder Vorlage. Noch schlechter läuft es für Tigges, der nach vier Spieltagen bei 25 Minuten steht.
Keller möchte Adamyan nicht als Problemfall verstanden wissen. Beim Mitgliederstammtisch in der vergangenen Woche betonte der Geschäftsführer Adamyans Funktion im Mannschaftsgefüge. „Man braucht alle, die im Kader sind. Und wenn man unsere jungen Spieler reden hört, wird immer wieder betont, wie wichtig die schon etwas älteren, erfahrenen Spieler sind“, sagte Keller. Besonders bei Adamyan falle ihm auf, „wie viel er mit den jungen Spielern redet, wie viele Tipps er denen gibt. Dann sieht man die Bedeutung für den Kader.“
Es sei zwar auch für Keller nicht unerheblich, ob ein FC-Profi am Spieltag auf dem Rasen stehe oder nicht, „wenn wir 25 Spieler im Kader haben, dann sollten alle den Anspruch haben, zu spielen“, räumte er ein. Sagte aber auch: „Trotzdem überlegen Sie sich Rollen für einzelne Spieler. Denn nur mit einem klaren Rollenverständnis wird auch das Gesamtgefüge funktionieren.“
Sargis Adamyan, der Königstransfer des Sommers 2022, ist mit 31 Jahren und nach zehn Toren in 90 Bundesligaspielen offenbar nur noch bedingt dafür vorgesehen, in der Offensive einer Zweitligamannschaft für Furore zu sorgen. Womöglich erlebt Adamyan derzeit also eine viel bessere Saison, als die Zuschauer auf den Tribünen glauben. Zumindest deutete Keller das beim Stammtisch an. „Niemand hier weiß, was ich zu den einzelnen Spielern gesagt habe, was ihre Rolle hier ist.“