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Linienstreit beim 1. FC KölnFC-Bosse schweigen zu Baumgarts Kritik

Lesezeit 5 Minuten
FC-Geschäftsführer Christian Keller und Präsident Werner Wolf beim Trainingsauftakt im Juli 2023

FC-Geschäftsführer Christian Keller und Präsident Werner Wolf beim Trainingsauftakt im Juli 2023

Der Kölner Trainer stellt die Strategie des Vereins infrage, seine Chefs lassen ihn gewähren.

Steffen Baumgart wäre auch am Mittwoch stehengeblieben, der Trainer des 1. FC Köln zeigt sich seit dem ersten Tag seiner Mission beim 1. FC Köln stets ansprechbar für die Medienvertreter, die den Weg ans Geißbockheim finden und seine Trainingsarbeit verfolgen. „Braucht ihr mich heute?“, rief Baumgart den Reportern zu, als er seine Autogramme geschrieben hatte und auf dem Weg in die Kabine war. Doch war Nachwuchsspieler Jan Thielmann bereits zur Presserunde angekündigt und hatte seinen Trainer damit befreit. So gab Baumgart nur kurz das medizinische Bulletin durch: Leart Pacarada hatte die Einheit früher verlassen, Davie Selke war gar nicht erst auf den Platz gegangen. Beide Spieler klagten über Unwohlsein. Der 1. FC Köln hat es nach dem Sieg in Darmstadt am Magen.

Am Dienstag hatte Baumgart etwas auf dem Herzen. Und sich umfassend zur Lage des 1. FC Köln geäußert. Anlass waren Spekulationen darüber, dass der Verein im Winter Mittelfeldspieler Dejan Ljubicic verkaufen könnte, um Geld zu haben für Neuverpflichtungen. Baumgart stellte die Logik hinter diesem Plan umfassend in Frage: „Mein Ziel kann nicht sein, jedes Jahr Substanz zu verlieren und jedes Jahr gegen einen Berg anzulaufen. Das funktioniert auf Dauer nicht. Wenn ich das lese, bin ich einfach anderer Meinung“, erklärte Baumgart, der nicht Teil einer Strategie sein will, die nur funktioniert, indem Leistungsträger verkauft und Entwicklungsspieler verpflichtet werden, die der Trainer ausbildet, um sie mit Gewinn wieder abzugeben. „Wir haben nicht die Zeit zum Entwickeln“, stellte der 51-Jährige fest.

Der 1. FC Köln will wachsen, ohne Anteile an Investoren abzugeben

Der 1. FC Köln hat mehrfach für sich beschlossen, ohne Investoren oder strategische Partner auskommen zu wollen und aus eigener Kraft zu wachsen. Dieser Standpunkt war ein zentrales Versprechen des Vorstands zumindest an die Mitglieder, die ihn gewählt und vor einem Jahr im Amt bestätigt haben. Die Geschäftsführung setzt die Strategie um – Baumgart muss im Kerngeschäft vor allem sicherstellen, dass nicht der gesamte Verein untergeht, indem die Bundesliga-Mannschaft in die Zweite Liga absteigt.

Den Abstieg zu verhindern, gestaltet sich zusehends schwierig. „Acht Stammspieler“ habe Köln in den vergangenen drei Sommern verloren, gab Baumgart zu bedenken. Das sei nicht unendlich fortzusetzen. „In dieser Stadt, in diesem Verein muss es möglich sein, anders zu agieren als so, wie wir es momentan machen. Es darf nicht sein, dass wir unsere besten Spieler abgeben, um uns zu verstärken“, sagte der Trainer und präsentierte eine Formel, die in ihrer Schlichtheit beinahe lustig war: „Wenn kein Geld da ist, muss welches besorgt werden.“ Baumgart weiß selbst, dass das nicht ganz so einfach ist. Im Gegenteil erweist sich der Kölner Weg als langwierig.

Wir haben den Matchplan überarbeitet. Der Matchplan ist im Geißbockheim angekommen. Jeder kennt seine Ziele
FC-Präsident Werner Wolf zum Stand der Dinge im Herbst 2023

Der Vorstand hat das Wachstumsprogramm „Matchplan“ aufgelegt, das zuletzt auf zwei Mitgliederversammlungen nacheinander schwer kritisiert wurde. In diesem Herbst bemängelte der Mitgliederrat in seinem Jahresbericht das Ausbleiben „konkreter Ergebnisse“ und forderte ein höheres Pensum der Führung um Präsident Werner Wolf. Schon anlässlich der Nominierung des Vorstands für eine zweite Amtszeit hatte der Mitgliederrat erklärt, dass im Auswahlprozess noch einmal deutlich geworden sei, „dass die Umsetzung der Strategie Matchplan hinter den Erwartungen zurückliegt“. Werner Wolf nahm die Ermahnung durch sein Aufsichtsgremium im Herbst an. „Auch ich wäre an der ein oder anderen Stelle lieber deutlich weiter“, räumte der Präsident ein. Andererseits sei erst vor einem Jahr der Umbau der Geschäftsführung abgeschlossen worden, alle drei Geschäftsführer sind nun nach ausgiebigen Prozessen vom Präsidium ausgesucht und eingesetzt. Die Neuaufstellung habe Kraft gekostet, zumal in Zeiten ständiger Krisen.

Das hat den Vorstand dastehen lassen, als stünde er auch nach über vier Jahren im Amt noch tief in den Startlöchern. In Klub und Stadt sind Wolf und seine Gefährten kaum ein Faktor. Doch wirke man im Hintergrund. „Wir haben den Matchplan überarbeitet. Der Matchplan ist im Geißbockheim angekommen. Jeder kennt seine Ziele“, beteuerte Wolf auf der Mitgliederversammlung. Dass Baumgart nun seine Bosse an einem regnerischen Dienstagnachmittag am Geißbockheim wie im Vorbeigehen aufforderte, Geld zu besorgen, widerspricht dem deutlich.

Die Geschäftsführung hat viel Arbeit in Strukturen investiert, doch zu sehen und zu spüren war zuletzt vor allem, dass der 1. FC Köln Preise erhöhte und Kosten reduzierte. Die Dauerkarten wurden erheblich teurer, gleichzeitig sank der Etat der Lizenzspieler auf 45 Millionen Euro. Eine Alternative zu diesem Vorgehen zeigte auch Baumgart nicht auf, „das ist nicht meine Aufgabe. Ich rede nur aus sportlicher Sicht“, sagte der Trainer und merkte an, er habe eigentlich „nicht so offen sprechen wollen“, doch nun war es raus: Offenbar nicht geplant, doch scheint Baumgart das Thema schon einige Zeit mit sich herumzutragen.

Steffen Baumgart zeigt sich auf dem Trainingsplatz weiterhin bei bester Laune. Doch die Geduld des Trainers ist offenbar endlich.

Steffen Baumgart zeigt sich auf dem Trainingsplatz weiterhin bei bester Laune. Doch die Geduld des Trainers ist offenbar endlich.

Vorstand und Geschäftsführung wollten sich am Mittwoch auch auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht dazu äußern, dass der Trainer die Vereinslinie mit Verve infrage stellt. Allerdings verschickte das Kölner Präsidium am Nachmittag eine Mitteilung an die Mitglieder, in der man erklärte, sich am 11. Dezember erneut gegen den Einstieg eines Investors bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu positionieren.

Grundsätzlich setze sich der 1. FC Köln für „eine autarke, sich aus Maßnahmen der Binnenfinanzierung weiterentwickelnde DFL ein“, hieß es. Sollte es nötig werden, externes Kapital zu besorgen, „muss die unter Kosten-Nutzen-Aspekten strategisch sinnvollste Kapitalquelle erschlossen werden. Der Private Equity-Ansatz ist zu teuer“, ließ man die 135.000 Mitglieder wissen. Der Vorstand wiederholte seine „generellen Bedenken, was der Einstieg eines internationalen Finanzinvestors für die einzigartige deutsche Fußballkultur bedeuten wird“.

Die Klubspitze bleibt also konsequent und erfüllt damit den Auftrag ihrer Wähler. Steffen Baumgart scheint allerdings die Geduld zu verlieren. Und seinerseits generelle Bedenken zu haben.