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Gedenken an eine FC-LegendeWie ich den Moment der Todesnachricht von Maurice Banach erlebte

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Fußball-Spieler des 1. FC Köln verlassen mit enttäuschtem Blick das Spielfeld. Das Foto ist in schwarz-weiß.

Henri Fuchs und Maurice Banach verlassen nach dem 0:3 beim FC Schalke 04 enttäuscht das Spielfeld.

Es gibt Momente im Leben, an die erinnert man sich auch Jahrzehnte später noch genau. Oft reicht ein einzelnes Stichwort, um die Erinnerungskette in Gang zu setzen.

So werden nicht wenige Fans des 1. FC Köln auf die folgende Frage ihre ganz eigene Geschichte erzählen können: „Wo warst Du, als Du von Maurice Banachs tödlichem Unfall erfahren hast?“

Zwei Tore beim letzten Heimspiel

Samstag, 9. November 1991: Wie so oft zu dieser Zeit war das Zuschauerinteresse beim Heimspiel des 1. FC Köln überschaubar. Dabei ging es im kleinen rheinischen Derby gegen Fortuna Düsseldorf. Zwar rangierte die Mannschaft aus der Landeshauptstadt auf dem ersten von vier Abstiegsrängen – nach der Wiedervereinigung wurde die Bundesliga vorübergehend auf 20 Startplätze aufgestockt, um die ostdeutschen Vereine zu integrieren –, doch gegen die Fortuna tat sich der FC oft schwer.

Zwischenzeitlich sah es nach einer dieser zähen Partien aus. Die frühe Führung durch Henri Fuchs (4.) hatte Sven Demandt (28.) ausgleichen können. Kurz vor der Pause brachte Pierre Littbarski einen Freistoß in seiner unnachahmlichen Art von halbrechts in den Strafraum. Der Ball segelte auf die entgegengesetzte Seite des Fünfmeterraums, wo Maurice Banach, der bis heute von vielen liebevoll „Mucki“ genannt wird, den entscheidenden Hauch vor seinem Gegenspieler an das Spielgerät kam. Wuchtig sprang der Ball erst gegen die Unterkante der Latte und von dort ins Tor.

Zwei Fußballer in weißen Trikots schirmen den Ball gegen einen gegnerischen Spieler ab.

Beim 4:1-Sieg über Fortuna Düsseldorf schoss Maurice Banach seine letzten beiden Tore.

In der 56. Minute schickte Rico Steinmann Banach mit einem sehenswerten Pass auf die Reise. Der verwandelte von der Strafraumgrenze am herausstürzenden Jörg Schmadtke vorbei zum zwischenzeitlichen 3:1. Die letzten Tore eines vielversprechenden jungen Stürmers, der seine besten Jahre eigentlich noch vor sich hätte haben sollen.

Pleite im Nebel von Gelsenkirchen

Samstag, 16. November 1991: Vor dem 18. Spieltag waren der 1. FC Köln (8.) und der FC Schalke 04 (9.) Tabellennachbarn. Zur Untermauerung der Europapokal-Ambitionen des FC war Zählbares beim starken Aufsteiger aus dem Ruhrgebiet dringend vonnöten. Doch den Treffern von Anderbrügge (17.), Borodjuk (72.) und Sendscheid (80.) hatte der FC im Nebel von Gelsenkirchen nichts entgegenzusetzen.

Spielszene zwischen dem FC Schalke 04 und dem 1. FC Köln. Die in Blau-Weiß gekleideten Schalker im Ballbesitz auf dem Weg zum Kölner Tor. Drei in Rot gekleidete Kölner versuchen den Ball zu erobern.

Eine 0:3-Niederlage beim FC Schalke 04 mussten die FC-Profis Maurice Banach, Frank Greiner und Falko Götz (v.l., alle in Rot) verdauen.

Teilweise war es so diesig, dass die aus Köln angereisten Fans im weitläufigen Parkstadtion das gegenüberliegende Tor nicht ausmachen konnten. So musste wenigstens ein Gegentreffer aus dem plötzlich aufbrandenden Jubel der Schalke-Fans gefolgert werden.

Pizza gegen Niederlagen-Frust

Nach der Heimkehr aus dem Ruhrgebiet war ich bei einem Freund zum Video-Abend eingeladen. Bei ein paar Bier und Pizza wollten wir den unerfreulichen Ausflug nach Gelsenkirchen möglichst schnell vergessen. Die Pizza stammte übrigens aus dem Restaurant „Porto Bello“ an der Brauweiler Straße in Bergheim-Glessen. Dort gingen seinerzeit FC-Profis wie Bodo Illgner, Pierre Littbarski oder Falko Götz regelmäßig essen. Die Dorfjugend bestaunte die Stars wenig heimlich von der gegenüberliegenden Bushaltestelle.

Sonntag, 17. November 1991: Am Nachmittag war ich mit dem Freund, mit dem ich den Abend zuvor verbracht hatte, in Bergheim-Fliesteden. Wir waren mit einem ehemaligen Mitschüler verabredet. Er war handwerklich sehr geschickt und wir bastelten ein wenig an unseren Autos herum. Zeitvertreib auf dem Lande eben.

Schockmoment in der Dämmerung

Es begann zu dämmern, als sich der Vater des Freundes aus Fliesteden zu uns gesellte. „Habt ihr schon gehört? Vom FC ist einer verunglückt. Der Banach, glaube ich.“ Ich wollte ihm nicht glauben und fragte nach, ob er sich denn sicher sei? Tatsächlich war er das nicht. Bis zu den nächsten Radio-Nachrichten war es noch quälend lang.

Als es dann traurige Gewissheit war, traf es mich wie ein Schock. Dazu muss man wissen, dass ich zu diesem Zeitpunkt mit dem Thema Tod nur wenige Erfahrungen gesammelt hatte. Sicher, ein paar ältere, entfernte Verwandte waren verstorben. Doch das hatte mich aufgrund räumlicher und auch einer gewissen emotionalen Distanz nicht tiefgreifend berührt.

„Mucki: Unvergessen“

Maurice Banach verkörperte mit seinen Toren die Hoffnung auf die Rückkehr zu nationaler und internationaler Größe für die FC-Fans. Sein plötzlicher Unfalltod war für viele wie der Verlust eines Angehörigen. In der folgenden Woche war ich zu nicht vielem zu gebrauchen. Mein Ausbilder im Lehrbetrieb hatte, im Gegensatz zu einigen Kollegen, Verständnis für meine Trauer.

Bis heute ist der frühe Tod von Maurice Banach für viele FC-Anhänger jenseits der Vierzig wie ein nicht eingelöstes Versprechen. Im Rhein-Energie-Stadion hängt immer noch eine Fahne mit dem Schriftzug „Mucki: unvergessen“ zur Erinnerung an den beliebten Profi. Dazu kommen Wut und Unverständnis über den Umgang handelnder Personen beim 1. FC Köln mit den Hinterbliebenen in der Vergangenheit. Vergessen worden ist der Stürmer jedenfalls nicht. Genauso wenig, wie die Erinnerung an den Moment mit Nachricht seines Todes.

Über die Bandenwerbung des Oberrangs in einem Fußball-Stadion hängt ein Banner mit den Worten: „Mucki: unvergessen.

Kölner Fans erinnern bis heute an den tödlich verunglückten Maurice „Mucki“ Banach.