Die Mitglieder des 1. FC Köln verlangten am Mittwochabend im Coloneum nach Details zum Cas-Urteil im Fall Potocnik. Nicht jede Antwort der FC-Spitze stellte sie zufrieden.
Mitgliederstammtisch des 1. FC KölnNicht alle FC-Fans sind zufrieden: „Sie beleidigen unsere Intelligenz“
Alle Fragen würden beantwortet werden, hatte es zu Beginn des Mitgliederstammtischs des 1. FC Köln am Mittwoch geheißen, der wegen des großen Interesses in die MMC-Studios nach Ossendorf verlegt worden war. Rund 800 Mitglieder des Klubs waren erschienen. Und tatsächlich nahm sich der Verein jede Menge Zeit, um mit seinen Anhängern ins Gespräch zu kommen: Erst nach sechs Stunden wurde die Veranstaltung mit dem Abspielen der FC-Hymne beschlossen.
Den größten Redebedarf gab es zu den Details der Prozesse, die im Dezember zum Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes (Cas) geführt hatten, nach dem es dem 1. FC Köln für die anstehenden zwei Transferperioden untersagt ist, Spieler neu zu registrieren.
Werner Wolf begann den Abend mit einer Bitte um Entschuldigung. „Die Situation belastet mich extrem. Ich teile eure Sorgen“, sagte der Präsident, der die verheerende Kommentarlage im Nachgang der Pressekonferenz kurz vor Weihnachten wahrgenommen hatte. Man habe schlecht kommuniziert, sagte Wolf: „Das tut mir leid. Wir wollen es in Zukunft besser machen.“
Gut informierte Mitgliederschaft
Doch ging es um mehr als das kommunikative Desaster. Das zeigte sich angesichts der Fragen aus dem bemerkenswert gut informierten Auditorium. Die Leute wollten wissen, wer zu welchem Zeitpunkt und auf welcher Wissensbasis dafür gesorgt hatte, dass der 1. FC Köln nun nicht nur der erste Deutsche Meister der Bundesligageschichte ist. Sondern auch der erste deutsche Verein, der je durch die Fifa wegen Anstiftung zum Vertragsbruch mit einer Transfersperre belegt wurde.
Geschäftsführer Philipp Türoff präsentierte sagte: „Mit dem Wissen um den Ausgang des Verfahrens muss man sagen, dass das ein Fehler war und wir die Entscheidung so nicht wieder treffen würden.“ Der Finanzchef stellte sich tapfer den Fragen. Doch nicht mit allen Antworten waren die FC-Mitglieder einverstanden.
Türoff hatte im Januar 2022 nach einem gemeinsamen Beschluss mit seinem damaligen Geschäftsführerkollegen Alexander Wehrle Potocniks Vertrag unterschrieben, da hatte er seinen Job gerade erst angetreten. Dennoch: „Ich war zwar frisch geschlüpft, habe aber alles angehört, was vorgetragen wurde. Das war eine kurzfristige Geschichte, in der wir unter großem Zeitdruck reagieren mussten“, erklärte er.
Nur Stunden nach seiner Kündigung bei Olimpija Ljubljana hatte der damals 16-jährige Potocnik in Köln unterschrieben. Dass ein Teenager seine Heimat verlässt, um in Deutschland sein Glück zu versuchen, ohne sich zuvor ausführlich mit dem neuen Verein zu befassen, glaubte niemand im Saal. Türoff flüchtete sich ins Diffuse. Er jedenfalls habe nicht den verbotenen Kontakt zu einem langfristig gebundenen Spieler aufgenommen, ließ er wissen. Doch weitere Details lieferte er nicht. Stattdessen äußerte sich Werner Wolf: „Wir arbeiten das auf und werden Sie darüber informieren, wenn es so weit ist. Wir evaluieren, was da vorher passiert ist“, auch das genügte zahlreichen Mitgliedern nicht, zwei Jahre nach Potocniks Unterschrift.
Potocnik war spätestens nach seinen Leistungen für die slowenische Jugend-Nationalmannschaft auf den internationalen Scouting-Radaren aufgetaucht. Allerdings hatten die deutschen Investoren, die Olimpija Ljubljana im November 2021 übernommen hatten, früh erklärt, sich als Ausbildungsklub zu verstehen: Man werde keine Talente ins Ausland abgeben.
Potocnik stand also nicht zum Verkauf. Die Kölner Juristen hätten damals allenfalls eine Geldstrafe von bis zu 300 000 Euro für möglich gehalten, wiederholten die FC-Verantwortlichen am Mittwoch. Tatsächlich sieht das einschlägige Fifa-Statut 17.4 im Wortlaut nur die Sperre für zwei Transferperioden vor. Allerdings hatte die Fifa in ihrer Rechtsprechung durchaus gezeigt, dass sie gerade bei Ersttätern und solchen Klubs, die nicht systematisch Spieler zum Vertragsbruch anstiften, die Bestrafung zu reduzieren bereit ist. Sollte man darauf gesetzt haben, wäre das eine fatale Strategie. Eine Geschäftsführung unterliegt der Legalitätspflicht. Bewusst gegen Regeln zu verstoßen, weil man glaubt, sich die Strafe leisten zu können, dürfte kaum als unternehmerisches Ermessen durchgehen. Das könnte noch ein Faktor werden, wenn es bald darum geht, Verantwortliche zu benennen und Konsequenzen zu ziehen.
Detaillierter als erwartet ging es um einen Akteur, dessen Rolle in den vergangenen Monaten kaum noch thematisiert worden war: Jörg Jakobs, dessen sportliche Einschätzung zu Potocniks Verpflichtung geführt hatte. Jakobs habe damals nicht im Auftrag des FC-Vorstands agiert, sondern sei „Berater der Geschäftsführung“ gewesen, wie Wolf erklärte. Allerdings hatte der FC in seiner Pressemitteilung vom 30. Mai 2021 Jakobs’ Rolle genau definiert: „Jörg Jakobs wird die strategische Ausrichtung des sportlichen Bereichs und die Kaderplanung verantworten.“ Das klang nach mehr als einer nur beratenden Tätigkeit.
Mehrfach kam zudem die Frage auf, warum man sich zwar darauf eingelassen hatte, einen 16-jährigen Slowenen zu verpflichten, der gerade einseitig gekündigt hatte. Dann aber nicht bereit gewesen war, mit der Gegenseite zu verhandeln. Besonders Vize-Präsident Carsten Wettich, selbst Anwalt und intensiv beteiligt am gescheiterten Versuch, die Angelegenheit vor dem Cas zu retten, bemühte sich um die Darstellung, ein frühzeitiger Vergleich sei unmöglich gewesen. Und betonte stets die indiskutable Summe, die Olimpija Ljubljana verlangt habe.
Tatsächlich waren die Verantwortlichen von Olimpija im Sommer 2022 nach Köln gereist, um zu verhandeln. Doch erst nach verlorener erster Instanz hatten sich auch die Kölner um einen Vergleich bemüht und 500 000 Euro Transferentschädigung sowie weitere 250 000 nach Potocniks zehntem Profieinsatz geboten, zudem eine zehnprozentige Beteiligung an einem Weiterverkauf. Doch diesen Vergleich hatte Ljubljana trotz einer Übereinkunft über die Rahmenbedingungen unter bislang ungeklärten Umständen platzen lassen.
Vollständige Transparenz war angesichts der schwierigen Sachlage nicht herzustellen, dennoch fühlten sich viele Mitglieder zumindest im Kontext des Cas-Urteils nicht ernst genommen. Ein Mann stellte sich ans Mikrofon und sagte in Richtung des Vorstandes: „Sie beleidigen unsere Intelligenz.“