Der 1. FC Köln zeigt beim 5:0 über Braunschweig die ersehnte Effektivität im Angriffsspiel und beeindruckt 50.000 Zuschauer in Müngersdorf.
Nach Sieg über Braunschweig1. FC Köln feiert eine Befreiung im Gewittersturm
Wäre der Donner nicht so ohrenbetäubend über Müngersdorf gerollt – man hätte am Samstagabend gegen Viertel vor zehn im Rhein-Energie-Stadion wohl jede Menge platzender Knoten hören können und Steine, die von Schultern und Herzen poltern. In der 58. Minute des Zweitligaspiels zwischen dem 1. FC Köln und Eintracht Braunschweig hatte Dejan Ljubicic einen Pass zu Jan Thielmann getupft, der davongezogen war und den Ball mit viel Schnitt auf den zweiten Pfosten geflankt hatte. Dort war Tim Lemperle aufgetaucht, der den Ball aus vollem Lauf per Dropkick ins Netz gejagt hatte. Auf nassem Boden zumal, eine Höchstschwierigkeit und Lemperles erstes Tor für den FC seit seiner Rückkehr.
Viermal in vier Pflichtspielen hatte Lemperle in der Startelf gestanden und dabei stets seine Momente gehabt. Doch abgesehen von einer Torvorbereitung in Elversberg war dem 22-Jährigen wenig Zählbares gelungen. Dann das 3:0 gegen Braunschweig, dem er kurz darauf die Vorlage zum 4:0 folgen ließ, erzielt von Dejan Ljubicic. Timo Hübers (26.) nach einem Eckball und Ljubicic (34.) hatten Köln schon vor der Pause in Führung gebracht. Der zweite Durchgang war zum Fest geworden. Luca Waldschmidt traf noch zum 5:0 (88.).
Zunächst einmal hatte der Kantersieg grundsätzliche Bedeutung für die Kölner. Gerhard Struber hatte angesichts fehlender Effektivität und ausbleibender Resultate einen Statement-Sieg gebraucht und bekommen. Entsprechend zufrieden war er, als seine Wünsche in Erfüllung gegangen waren. „Wir haben es von der ersten Sekunde an geschafft, dem Gegner den Schneid abzukaufen und ihm unser Spiel aufzuzwingen“, resümierte der Trainer: „Wir haben den Gegner zermürbt. Man hatte nie das Gefühl, dass Braunschweig ins Spiel kommen könnte.“
Schon beim 1:2 gegen den HSV und beim 2:2 in Elversberg hatten die Kölner starke Phasen gezeigt, dem Gegner jedoch jeweils Auswege gelassen. Am Samstag hielt der FC das Niveau bis zum Schlusspfiff. Es war ein bedingungsloser Auftritt vor 50.000 Zuschauern.
Braunschweig steht nun bei drei Niederlagen aus drei Saisonspielen und 2:13 Toren. Kein Wunder also, dass die vielen Tausend mitgereisten Fans ihrer Mannschaft nach dem Spiel eine Standpauke hielten. Auch Braunschweigs Trainer Daniel Scherning war aufgebracht, als er seinem Kollegen zu einem „auch in der Höhe völlig verdienten Sieg“ gratulierte: „Ich habe von meiner Mannschaft ein desolates Zweitligaspiel gesehen. Es war ein Klassenunterschied“, sagte der 40-Jährige.
Die Statistiken bewiesen, dass Braunschweig zu wenig investiert hatte. Die FC-Profis verzeichneten eine um acht Kilometer höhere Laufleistung, lagen in allen Werten vorn. „Wahnsinnig sauer“ mache ihn das, sagte Scherning. Struber dagegen durfte zufrieden sein. Abgesehen davon, dass sein Plan aufgegangen war, hatten gleich mehrere seiner Spieler jubeln dürfen, die zuletzt in die Krise geraten waren.
Tim Lemperle etwa wirkt manchmal ein wenig entrückt; gerade so, als interessiere ihn der Ertrag seines Spiels nur am Rande, solange nur gut aussieht, was er auf dem Platz so treibt. Dass er am Samstag dazu kam, einen Ball so traumhaft schön ins Tor zu schießen, während am Himmel die Blitze zuckten, freute dann aber Lemperle wie seinen Trainer. Struber hielt kurz inne, als er das Wirken seines so talentierten Stürmers beschrieb. „Der war nicht leicht zu nehmen. Aber dann kommt der Mister Lemperle und stellt einmal mehr unter Beweis, was drinsteckt in ihm.“ Beinahe liebevoll sprach Struber vom manchmal etwas phlegmatischen jungen Mann. Dennoch blieb seine Prognose vorsichtig. „Wie oft er uns in Zukunft mit so etwas begeistert, werden wir sehen. Jetzt gilt es, dranzubleiben, nicht zu viel nachzudenken und der Tim Lemperle zu sein, der er ist.“
Auch Dejan Ljubicic, der nach offensiv vorgetragenen Wechselabsichten und einer plötzlichen Absage für das Pokalspiel in Sandhausen in Schwierigkeiten geraten war, war am Samstag nach langer Zeit wieder ganz er selbst. Struber war für seinen Landsmann ins Risiko gegangen, hatte den in Sandhausen überzeugenden Mathias Olesen aus der Mannschaft genommen und Ljubicic die Gelegenheit gegeben, für sich zu werben: Beim Kölner Publikum, bei seinem Trainer – und vielleicht auch bei einem Klub, der ihn im Endspurt der Transferperiode vielleicht doch noch verpflichten will.
Jan Thielmann, Strubers noch immer mit der neuen Position fremdelnder Rechtsverteidiger mit einer perfekten Flanke. Dazu der zuletzt dauergestresste Ljubicic und letztlich Lemperle, der das erste Kölner Stürmertor der Saison besorgte. Es war ein guter Abend für den Bundesliga-Absteiger. Das freute auch Christian Keller. „Für uns war es total wichtig, dass wir mal ein Spiel gewinnen. Wir haben auch schon die vorherigen Spiele über weite Strecken überlegen gestaltet, haben aber zu wenig Ertrag daraus gezogen“, sagte der FC-Geschäftsführer.
1. FC Köln: Urbig - Thielmann, Hübers, Pauli, Pacarada - Martel (86. Olesen), Huseinbasic, Ljubicic (77. Adamyan), Maina - Downs (86. Tigges), Lemperle (66. Waldschmidt); Eintracht Braunschweig: Grill - Ivanov, Bicakcic, Nikolaou (85. Ehlers) - Rittmüller, Köhler, Di Michele Sanchez (59. Bell Bell) - Kaufmann, Ould-Chikh (66. Tauer) - Gomez (59. Szabo), Philippe (85. Raebiger); Schiedsrichter: Jöllenbeck (Freiburg); Tore: 1:0 Hübers (26.), 2:0 Ljubicic (34.), 3:0 Lemperle (58.), 4:0 Ljubicic (61.), 5:0 Waldschmidt (88.); Zuschauer: 50.000 (ausv.).