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Unwucht im KaderDer 1. FC Köln und die Lücke hinten rechts

Lesezeit 5 Minuten
FC-Trainer Gerhard Struber hält große Stücke auf U21-Nationalspieler Jan Thielmann.

FC-Trainer Gerhard Struber hält große Stücke auf U21-Nationalspieler Jan Thielmann.

Jan Thielmann ist vorerst Opfer seiner Flexibilität und als Rechtsverteidiger aus der Kölner Mannschaft gerutscht. Doch auch Rasmus Carstensen überzeugt nicht.

Die Transfersperre hat den 1. FC Köln weniger hart getroffen als befürchtet. Trotz des Abstiegs blieben zahlreiche Stammspieler, sodass der Verein nicht unter Druck geriet, seinen Profikader mit Nachwuchsspielern auffüllen zu müssen, die noch nicht bereit waren für die Zweite Liga. Dennoch setzte der FC seinen Plan fort, Spieler aus den eigenen Reihen in den Betrieb der Profis einzubauen. Julian Pauli überzeugte auch am Samstag beim 2:0 gegen den SSV Ulm; der 19-jährige Jugend-Nationalspieler ist die Kölner Entdeckung dieser Saison.

Vor einem Jahr war bereits Max Finkgräfe (20) im Kölner Bundesligateam aufgetaucht. Der Linksverteidiger gilt als Verheißung auf einer Position, auf der im deutschen Fußball seit Jahren nach internationaler Klasse gesucht wird. Finkgräfe begann gegen Ulm nach langer Verletzungspause auf der Rechtsverteidiger-Position. Es war eine Premiere für ihn, und weil er ohne Spielpraxis in die Partie ging und ihm auch offensichtlich die Matchfitness fehlte, fiel seine Leistung bescheiden aus. Derart bescheiden, dass er nicht nur zahlreiche Duelle verlor. Sondern auch wegen akuter Gelb-Rot-Gefahr nach 45 Minuten vom Platz musste.

Linksfüßler auf der rechten Seite verteidigen zu lassen, gilt als Wagnis, die Fußballgeschichte ist voller Spieler, die immer wieder seitenverkehrt eingesetzt wurden und sich doch nie daran gewöhnten. Auf der falschen Seite aufzulaufen, sabotiert das Stellungsspiel jedes Verteidigers. Wer außerdem von rechts mit dem linken Fuß nach vorn passt, wird immer einen Winkel vom gegnerischen Tor weg in Richtung Seitenaus haben, das erschwert den Mitspielern die Ballmitnahme in Richtung Tor. Es sind solche Details, die das gesamte Spiel einer Mannschaft nachhaltig behindern können.

Er hat im Training unter Beweis gestellt, dass er es gut hinkriegen kann. Es ist ein Weg, den wir gehen müssen. Er wird ein wichtiger Part sein in diesem Meisterschafts-Marathon
Gerhard Struber über Max Finkgräfe

Gerhard Struber wusste das alles, als er Finkgräfe versetzte. Entsprechend verständnisvoll geriet die Reaktion des Trainers. „Es war für Max eine Herausforderung, auf einer Seite zu spielen, auf der er noch nicht so viel Erfahrung hat. Er hat im Training unter Beweis gestellt, dass er es gut hinkriegen kann. Es ist ein Weg, den wir gehen müssen. Er wird ein wichtiger Part sein in diesem Meisterschafts-Marathon“, erklärte der Österreicher.

Für Struber ist die Lage doppelt kompliziert. Auf der rechten Seite fehlt ihm derzeit taugliches Personal, während sich Leart Pacarada links festgespielt hat und mit Finkgräfe ein zweiter hoch veranlagter Mann für die Position zurückkehrt. Ein Trainer will grundsätzlich seine besten Leute auf dem Platz haben. Die Versuchung ist groß, Spieler positionsfremd einzusetzen, statt sie auf die Bank zu haben. In der vergangenen Saison führte das etwa dazu, dass Florian Kainz plötzlich im defensiven Mittelfeld auflief, was ein Beispiel dafür war, wie man es nicht machen sollte.

Rasmus Carstensen (M.) diskutiert während der Partie gegen Magdeburg (1:2) mit Abwehrchef Timo Hübers.

Rasmus Carstensen (M.) diskutiert während der Partie gegen Magdeburg (1:2) mit Abwehrchef Timo Hübers.

Jan Thielmann zum Rechtsverteidiger umzuschulen, war dagegen ein aussichtsreiches Projekt, das längst nicht gescheitert ist, wenngleich der U21-Nationalspieler nach wie vor mit der Position fremdelt. Auf der rechten Angriffsseite ist der Kölner Kader stark besetzt, Thielmann fehlt dort nicht. Dass der 22-Jährige überhaupt in die Abwehr geriet, lag dennoch nicht daran, dass er offensiv nicht funktionierte. Die Versetzung war aus der Not geboren. Denn Rasmus Carstensen, nach einer wechselhaften ersten Saison beim FC im Sommer für 1,5 Millionen Euro fest verpflichtet, lieferte zuletzt indiskutable Leistungen in Training, Tests und Wettkampf.

Carstensen nicht im Kader, Thielmann sitzt 90 Minuten auf der Bank

Weil sich die Kölner mit Benno Schmitz nicht über einen neuen Vertrag hatten einigen können, sind ihnen nun die Möglichkeiten ausgegangen. Für Thielmann war das besonders bitter: Gegen Ulm saß er 90 Minuten auf der Bank; der Auswahlspieler aus dem eigenen Nachwuchs ist über die Umschulung aus der Mannschaft rotiert. Für die rechte Offensivposition kam Florian Kainz.

Carstensen hatte es gar nicht erst in den Kader geschafft. Wie es nun weitergeht auf der Position? Offen. „Es gibt mehrere Überlegungen, weil wir mehrere Spieler haben, die uns da weiterhelfen können. Jan Thielmann ist für uns ein ganz entscheidender Spieler, der zuletzt zwar eine Flaute erlebt hat. An den wir aber ganz fest glauben“, sagte Struber.

Thielmann war zwar nach Finkgräfes Gelber Karte zum Warmlaufen geschickt worden, letztlich hatte sich Struber aber dazu entschieden, Dominique Heintz einzuwechseln und Pauli von der Innen- auf die Rechtsverteidigerposition zu beordern. Ein kühner Wechsel, den der Trainer nicht leichtherzig vorgenommen haben dürfte. Doch der Erfolg gab ihm recht, Pauli spielte tadellos.

Vorerst bleiben Thielmann und Carstensen eingeplant für die rechte Abwehrseite. Sagt jedenfalls Christian Keller. „Wir haben zwei Spieler im Kader, die Rechtsverteidiger spielen können. Das Trainerteam war der Meinung, dass beiden mal eine Pause guttut. Wenn du zu verkopft bist und zu viel über dein Spiel nachdenkst, bringst du nichts mehr auf den Platz“, befand der Sportchef.

Carstensen war der vorerst letzte Versuch, die Lücke hinten rechts zu schließen. Insgesamt waren die Transfers der Kölner in den vergangenen Jahren mehrfach erfolglos. Nach einer Nullrunde im Sommer 2021, als die Kölner nur eine Leihgebühr für Luca Kilian an Mainz 05 überwiesen, übernahm Christian Keller im Frühjahr 2022 und startete eine Transferoffensive. Im Sommer holten die Kölner Sargis Adamyan und Steffen Tigges als neuen Bundesliga-Angriff. Zudem verpflichteten sie Kilian fest für 2 Millionen Euro, außerdem Eric Martel und Nikola Soldo. Rund acht Millionen Euro investierte der Klub damals allein in Ablösesummen.

Tigges schaffte es am Samstag nicht in den Kader, Adamyan kam für sechs Minuten zum Einsatz. Die für die Bundesliga geholten Hoffnungsträger enttäuschen auch im Unterhaus. Von Januar an werden die Kölner wieder Spieler registrieren können. Zwar funktioniert der Kölner Kader trotz der Sperre. Doch wird Christian Keller im Winter ein paar Anpassungen vornehmen, um den zuletzt zutage getretenen Schwächen zu begegnen.