Der Rechtsverteidiger kommt vom österreichischen Doublesieger und Champions-League-Teilnehmer Sturm Graz
Neuzugang des 1. FC KölnGazibegovic über Ticks, Rituale und ein gutes Gefühl
Als Jusuf Gazibegovic im Dezember sein letztes Spiel für Sturm Graz absolviert hatte, flossen beim Neuzugang des 1. FC Köln die Tränen. „Es war ein schwerer Abschied für mich. Ich war viereinhalb Jahre da und hatte eine überragende Zeit mit drei Titeln. Titel sind für Teams außer Salzburg eigentlich ein No-Go. Wir haben mit sehr viel Herz bewiesen, dass man alles erreichen kann, wenn man daran glaubt“, sagt der Rechtsverteidiger im Trainingslager des Zweitliga-Tabellenführers in Estepona.
Das 24-jährige Kraftpaket hatte den Abschied aus der Steiermark zwar ganz bewusst gewählt und setzt sich beim FC auch gleich neue Ziele. Doch von Montag an wird ihn wieder – zumindest etwas – die Vergangenheit einholen. Denn er wird die alten Teamkollegen bereits wiedersehen: Wie es der Zufall will, bereitet sich Sturm Graz nicht nur ebenfalls in dem 70.000-Einwohner-Ort an der Costa del Sol auf die Rückrunde vor. Der österreichische Meister hat mit dem Kempinski Bahia auch dasselbe Teamhotel wie sein neuer Klub ausgesucht. Was Gazibegovic schmunzeln lässt: „Die Jungs wollten den Abschied für mich ein bisschen einfacher machen. Es ist cool, alte Gesichter zu sehen.“
Zwei Millionen Euro Ablöse
Die aus Köln sind für ihn noch überwiegend neu. Zwei Trainingstage hat der Nationalspieler Bosnien-Herzegowinas erst für seinen neuen Arbeitgeber absolviert, der immerhin rund zwei Millionen Euro Ablöse für den 1,74 Meter großen, robusten Abwehrspieler überwies. Gut aufgenommen habe ihn sein neues Team, man kennt diese Sätze. „Es war nicht schwer, sich wohlzufühlen, die Jungs sind alle ziemlich cool. In den Trainings bin ich direkt da gewesen. Es fühlt sich richtig gut an, hier zu sein.“
Gazibegovic war in den zwei Einheiten sofort auf Betriebstemperatur, wirkte bereits sehr gut integriert und schlug auffällig präzise Flanken. Sein Trainer, Gerhard Struber, ist ohnehin voll des Lobes für seinen bisher einzigen Winter-Neuzugang: „Gazi macht einen sehr guten Eindruck. Er bringt sehr viele Eigenschaften mit, die uns schnell helfen werden“, meint der Österreicher, der möglicherweise schon beim Rückrundenstart am 18. Januar beim Hamburger SV auf den Neuzugang setzen wird. Was den Spielstil angeht, müsse er gar nicht großartig umdenken, sagt Gazibegovic. Sein Ex-Klub habe ähnlich gespielt. „Es ist ein sehr intensiver Fußball beim FC. Und den haben wir auch in Graz gespielt. Es geht viel ums Pressing, das ist nichts Neues für mich. Für mich heißt es jetzt, die Jungs und die Abläufe so gut wie möglich kennenzulernen.“
Für den Bundesliga-Absteiger aus Köln hat er eine Mannschaft verlassen, die in der Champions League spielt. „Für viele ist es nicht so nachvollziehbar, für mich und meine Denkweise war es aber der richtige Schritt. Jetzt heißt es, das Ganze zu bestätigen und aufzusteigen. Ich bin ein Typ, der Herausforderungen sehr mag. Ich finde, der FC ist kein Zweitliga-Verein. Die Ambition ist der Aufstieg. Es spricht alles für den FC, das ist einer der größten Vereine in Deutschland.“ Sein Bauchgefühl habe den Ausschlag für den Wechsel gegeben, bereits nach dem ersten Kontakt mit den Kölnern habe er ein gutes Gefühl gehabt.
Treffen mit zwei alten Bekannten
Dazu kommt, dass er Denis Huseinbasic, mit dem Gazibegovic in Estepona auch das Zimmer teilt, bereits aus der bosnischen Nationalmannschaft kennt und Struber sogar noch deutlich länger. „Deni hat mir viel Gutes erzählt, nur Positives. Auch den Trainer kenne ich, ich hatte ihn schon zweimal. Es passt einfach alles. Jetzt liegt es an mir, hier meine Leistung zu zeigen und schnell Anschluss finden.“ Struber trainierte den gebürtigen Salzburger Gazibegovic bereits in der Akademie von Red Bull Salzburg und beim RB-Farmteam Liefering. Damals habe er am Anfang unter Struber nicht viel gespielt, erinnert sich der Neu-Kölner: „Doch vom Typ bin ich jemand, der nicht aufgibt und ein Kämpfer ist. Das hat auch der Trainer damals schon gesehen. Ich habe mich durch die Akademie durchgeboxt. Er hat mir das Geschenk gegeben, Profi zu werden. Wie man sieht, trifft man sich dann immer zweimal – oder eher dreimal – im Leben.“
Der Coach musste offenbar beim Wechsel nicht viel Überzeugungsarbeit leisten. Der FC punktete bei Gazibegovic auch mit anderen Faktoren. „Der Trainer muss gar nicht so viel sagen. Den Verein kennt man, die Fans, das Stadion, die Stadt. Auch das Trainingsgelände ist richtig top. Da muss man nicht viel schönreden. Perfekt wird es, wenn wir aufsteigen.“
Feste Rituale und ein paar Ticks
Zwar hatte Gazibegovic nach eigener Aussage andere Optionen, die er sich auch angeschaut habe: „Es gab aber nichts, was mich so überzeugt hat, wie der FC.“ Dass er allerdings extra für den Wechsel, wie kolportiert, die Berater-Agentur gewechselt und sich von der umstrittenen und insbesondere in Köln nicht gern gesehenen Agentur Rogon getrennt hat, stimme so nicht: „Das ist schon vor längerer Zeit passiert.“
Zwar sehen die Kölner Verantwortlichen Gazibegovic insbesondere auf der Rechtsverteidiger-Position, doch festgelegt ist der Neuzugang nicht. In Graz kam der 24-Jährige auch des Öfteren hinten links zum Einsatz, sogar gelegentlich vorne auf beiden Seiten – auch wenn er selbst seine Stärken eher in der Defensive sieht. „Ich gebe mein Bestes, da wo der Trainer mich aufstellt. Außer im Tor. Ich habe sehr viel Viererkette gespielt, aber im Nationalteam spielen wir eigentlich immer Dreierkette“, sagt der Bosnier, mit dem die Kölner keinen introvertierten Typen geholt haben. Gazibegovic mag es gern lauter und emotional. „Ich bin zwar ein ziemlicher Teamspieler, aber ich bin auch ein verrückter Typ, der nicht so gerne ruhig ist. Eher sehr laut, aber jetzt noch nicht. Ich muss schauen, wie weit ich gehen kann“, sagt der Abwehrspieler mit einem Schmunzeln, der zudem feste Rituale pflegt, die lustig bis kurios erscheinen können: „Wer Social Media verfolgt, weiß, dass ich sehr viele Ticks habe. Wenn ich auf den Platz gehe, springe ich dreimal mit dem rechten Fuß rein. Es sind mehrere Sachen, die mir da ein gutes Gefühl geben.“ Dieses gute Gefühl hat Gazibegovic auch mit seiner Wahl für den FC. Umgekehrt könnte es auch der Fall werden.