Marokkos Außenseiter-Triumph liefert den Machern der WM in Katar die gewünschten Bilder und schmiedet eine panarabische Allianz, mit der nicht zu rechnen war.
Kommentar zur WMDas Turnier liefert die gewünschten Bilder
Eine steile These vor dieser WM war, dass Deutschland gegen Marokko im Achtelfinale ausscheiden würde. Der Turnierbaum gab das ebenso her wie Marokkos Kader. Dass es nicht dazu kommen konnte, weil die deutsche Elf schon nach der Gruppenphase nach Hause fuhr, ist eine hübsche Neben-Pointe des marokkanischen Erfolgs.
Und selbstverständlich ist da die historische Dimension. Von den 81 Nationen, die je an Fußball-Weltmeisterschaften teilgenommen haben, hatten es bislang 24 bis in ein Halbfinale geschafft. Marokko wurde am Samstag die 25. Nation – und die erste aus Afrika.
Marokko ist nicht „Afrika“
Fast alle marokkanischen Nationalspieler erlebten ihre fußballerische Ausbildung allerdings in Europa. Schlüsse auf den Zustand des afrikanischen Fußballs lässt der Erfolg daher kaum zu, und überhaupt: Auf dem afrikanischen Kontinent leben bald anderthalb Milliarden Menschen in 54 Staaten in sagenhafter Vielfalt. Keiner dieser Staaten kann für den gesamten Kontinent stehen.
Eher erlebt Marokko in diesen Tagen eine panarabische Solidarität, was die Mannschaft nach dem Sieg über Portugal auslebte, indem Spieler mit der Flagge Palästinas feierten. Zwar ist Palästina Fifa-Mitglied, allerdings nur von 139 Staaten der Vereinten Nationen anerkannt. Es war also eine politische Äußerung, doch daran störten sich die bislang so strengen Fifa-Delegierten nicht. Das hat Nordafrikaner und Katarer in eine verblüffende Allianz geführt.
Der Fußball in der K.-o.-Runde war bislang erstaunlich dynamisch. Die Spieler wirken trotz der arg gedrängten Hinrunde in ihren Ligen bei Kräften – vielleicht sogar mehr, als sie es nach einer kompletten Saison wären. Dennoch klagen die Vereinstrainer zurecht: Schließlich werden sie es sein, die im Frühjahr den Preis dafür zahlen müssen, dass ihre Spieler in der ersten Saisonhälfte überstrapaziert wurden.
Die Fifa wird das nicht stören. Die umstrittenste Weltmeisterschaft ihrer Geschichte liefert scheiternde Favoriten, umjubelte Außenseiter und die Möglichkeit, dass mit Mbappé und Messi die größten Stars der Gegenwart im Finale aufeinandertreffen.
Dennoch gilt mehr denn je: Alles, was kritisiert wurde am Turnier in Katar, besteht weiterhin: die Menschenrechtsverletzungen, die Diktatur der Fifa, der Zynismus der Superreichen. Sie werden die schönen Spiele dieser WM für ihre Zwecke nutzen wollen. Und es ist zu befürchten, dass sie in vielen Regionen der Welt damit durchkommen.