Das Fußball-Großereignis soll den Blick auf Katar ändern und dem kleinen Emirat einen festen Platz in der Weltgemeinschaft sichern. Über eine WM im falschen Land.
WM in KatarDie Fifa verhökert den Fußball für politische Zwecke
Katars finanzielles Engagement im Sport ist episch. Das Emirat ist eines der reichsten Länder der Welt, es verfolgt mit seinem Engagement auch das Ziel, sich positiv zu präsentieren. Doch Eitelkeit ist nur ein eher nachrangiger Faktor dieser ersten WM in der arabischen Welt. Eher geht es darum, die Zustände im Land besser darzustellen, als sie sind. Denn eine schlechte Menschenrechtslage ist in der zynischen Logik des großen Geldes vor allem dann schlecht fürs Geschäft, wenn die Welt davon erfährt.
Daher lenkt man lieber ab; die Fußball-WM ist für dieses „Sportwashing“ genannte Prinzip nach der bereits in Katar ausgerichteten Handball-WM (2015) und den Welttitelkämpfen der Leichtathleten (2019) der absolute Supercoup des Wüstenstaats.
Denn Katar will Teil der Weltgemeinschaft sein, so hermetisch sich die dortige Gesellschaft auch grundsätzlich gibt. Ganz allein geht es schließlich auch nicht, denn die Welt besteht auch aus Sicht der Katarer nicht allein aus Kunden und Partnern, die Gas kaufen oder Investorengeld einsammeln wollen.
Der Plan von Katars Herrschern
Im Westen liegt Saudi-Arabien, im Osten der Iran. Beides hochgerüstete und unberechenbare Staaten, die Katar ohne Schwierigkeiten von der Landkarte wischen könnten, wie es einst Saddam Hussein mit Kuwait versuchte.
Die WM-Ausrichtung ist auch Teil des Plans von Katars Herrschern, ihrer Heimat einen Stammplatz auf der Weltkarte zu verschaffen. Alles verständlich aus Sicht einer Gesellschaft, die wie auf dem Präsentierteller liegt und nichts hat außer schier unendlicher finanzieller Mittel. Das Problem ist daher weniger Katar. Es ist die Fifa, die sich nur zu gern kaufen ließ. Und den Fußball gern für politische Ziele verhökerte.
Die Stadien sind pünktlich fertiggestellt, Prachtbauten sind entstanden: innovativ und schön. Geld hat keine Rolle gespielt, doch der Preis für die in der Wüstenglut errichteten Paläste bemisst sich offenbar vor allem in Menschenleben. Denn die Opfer dieser Pracht sind die Gastarbeiter auf den Baustellen, von denen seit der WM-Vergabe laut britischem „Guardian“ 6500 gestorben sein sollen.
Katar argumentiert mit den Besonderheiten seiner Kultur
Wer zum Arbeiten nach Katar will, muss einen Gesundheitscheck absolvieren und seinen Pass an einen Bürgen abgeben. Der Bürge muss katarischer Bürger sein und kann die jeweiligen Arbeiter weitervermitteln an jeden, der in Katar auf Arbeitskraft angewiesen ist. Das „Kafala“ genannte System gilt zwar offiziell als abgeschafft. Doch der Markt funktioniert nach wie vor nach seinen Regeln. Katar argumentiert gern mit den Besonderheiten seiner Kultur, die es zu respektieren gelte. Allerdings finden die entscheidenden Debatten über Katar nicht im Korridor kulturellen Ermessens statt.
Ein Beispiel: In Katar ist öffentlicher Alkoholkonsum nicht erlaubt, Alkohol gehört nicht zur Kultur. Ebenfalls nicht erlaubt ist gleichgeschlechtliche Liebe. Es drohen Haft sowie körperliche Züchtigung. Nun kann man darüber streiten, ob Alkohol tatsächlich die beste Erfindung der westlichen Welt ist. Die Freiheit der sexuellen Orientierung ist dagegen ein Menschenrecht. Das steht sogar in den Fifa-Statuten. Natürlich hat die Fifa Wege gefunden, auch in Katar das Bier ihres Sponsors verkaufen zu dürfen. Doch Homosexuellen droht trotz aller Versprechen weiter Ungemach.
WM wird den unterdrückten Frauen kaum nachhaltig helfen
Katar hat neben dem Sport auch über die Felder Kultur und Bildung Verbindungen in alle Welt geknüpft – ganz abgesehen von den riesigen wirtschaftlichen Beteiligungen. Und auch den Luftwaffenstützpunkt Al Udeid hat man den USA gern zur Verfügung gestellt.
Die Debatten um diesen unmöglichen Austragungsort werden auch während des Turniers nicht verstummen, zu viel ist falsch an dieser Örtlichkeit. Ob die WM nachhaltig helfen wird, die Lage unterdrückter Frauen, versklavter Arbeitsmigranten oder Homosexueller zu verbessern? Wohl kaum. So wäre es ein Erfolg, würde Katar nach der WM nicht gleich wieder aus dem Blick der Weltöffentlichkeit verschwinden.