Der niederländische Hockeyspieler Telgenkamp demütigt seinen Gegner im Moment seines größten Sieges. Damit verletzt er Grundsätze des Sports.
Hockey-FinaleEin ganz und gar unsportlicher Sieg
Die gerechte Strafe widerfuhr ihm im Moment seines größten Triumphes. So kann man die Pfiffe gegen Duco Telgenkamp interpretieren, als er die Goldmedaille umgehängt bekam. Telgenkamp ist nun Olympiasieger – und geht zugleich als einer der unfairsten Spieler in die olympische Hockeygeschichte ein.
Seine verhöhnende Geste mit dem Zeigefinger, sein Wischer gegen den Helm des deutschen Torwarts ist nicht nur respektlos, sie zeigt auch, warum der Sport für die Gesellschaft so bedeutsam ist. Gerade in Momenten der größten Siege und Niederlagen zeigt sich, aus welchem Charakter der Mensch ist.
Telgenkamp ist offensichtlich jemand, der viel Energie aus Rivalität zieht. Das muss nichts Schlechtes sein. Doch wer trotz des eigenen Erfolgs gehässig wird, beweist, dass er den Geist aller sportlichen Auseinandersetzung nicht verstanden hat. Genauso wenig wie seine Vorbildfunktion als Athlet.
Eine Frage des Respekts
Ein Handschlag, eine kurze Umarmung, wie sie vom Hürdenlauf bis zum Speedklettern nach Wettkämpfen überall zu sehen sind, signalisieren: Ich erkenne die Leistung meines Gegners an. Ich mache ihn nicht kleiner, als er sich ohnehin schon nach einer Niederlage fühlt.
Für den Unterlegenen sind jene Gesten manchmal schwer hinzunehmen, mal tröstend und aufmunternd, in jedem Fall haben sie etwas Reinigendes. Der Kampf ist abgeschlossen, nun beginnt die Aufarbeitung.
Provokationen wie jene von Telgenkamp machen die Niederlagen für die Verlierer dagegen noch unerträglicher. Die Phase des Haderns, der Verlorenheit, wird nur noch verlängert. Feldspieler Niklas Wellen stürmte direkt auf die Jubeltraube zu, Torwart Jean-Paul Danneberg sprach vom unsportlichsten Verhalten, dass er je gesehen habe. Beiden war anzusehen, dass sie sich nicht nur über das Ergebnis und ihre eigene Leistung ärgerten, sondern vor allem über den Hass des Gegners.
Wenn nun Clips von Telgenkamp durch die sozialen Medien wandern, teils unterlegt mit überlegenen Hip-Hop-Beats und es heißt, er habe „Aura“ bewiesen, löst dies wiederum Nachahmer auf Bolzplätzen und Turnhallen aus. Die Gesellschaft schaut zu den Gewinnern auf – und wenn jemand seine negative Energie rauslässt, wird es wiederum Menschen geben, die dies als Erfolgsrezept ausprobieren werden. Dabei sollten Prügeleien und Schiedsrichterschwund auf den Amateurplätzen Warnung genug sein, seine Emotionen nur zum Vorteil des eigenen Teams einzusetzen.
Feindbilder zirkulieren weiter
Telgenkamp wiederum riskiert – trotz entschuldigender Worte im Nachhinein –, nicht für seinen Penalty, sondern für seine Aggression in Erinnerung zu bleiben. Dafür gibt es genügend Beispiele: Frank Riijkaard, auch ein Niederländer, gewann die EM 1988 und die Champions League. In Erinnerung blieb er jedoch vor allem für die die Bilder seiner Spuckattacke gegen Rudi Völler. John McEnroe dekorieren sieben Grand-Slam-Titel – doch die Sportwelt verbindet ihn vor allem mit seinen verbalen Ausrastern, dem Zertrümmern von Schlägern. Und Zinedine Zidane wird in der WM-Geschichte auf ewig seinen Glatzkopf in die Brust von Marco Materazzi rammen.
Um ein Zeichen zu setzen, dass solcherlei Verhalten nicht toleriert wird, sollte Telgenkamp nun für ein Spiel gesperrt werden. Er hat nicht nur Fairnessgrenzen übertreten, sondern trägt dazu bei, dass neue Feindbilder in der an Sticheleien nicht gerade armen deutsch-niederländischen Sportgeschichte entstehen. So werden Klischees immer auf die nächste Generation übertragen. Der Groll, der die Nationalmannschaft im nächsten Duell antreiben wird, ist schon jetzt gewiss.
Trotzdem sollten die Deutschen Telgenkamp nur äußerst behutsam schelten. Es ist noch nicht viele Wochen her, da pfiffen sie den Spanier Marc Cucurella bei jedem Ballkontakt gnadenlos aus, obwohl die deutsche Mannschaft gar nicht mehr bei der Heim-EM spielte. Denn noch schlimmer, als sich als überheblicher Sieger zu geben, ist nur eines: ein schlechter Verlierer zu sein.