Kommentar zu DjokovicGefangen zwischen Entrückung und Größenwahn
Köln – Die Staatsaffäre zwischen Novak Djokovic und der australischen Nation ist trotz des Etappensieges, den der Tennis-Star vor Gericht erzielt hat, noch nicht entschieden. Er darf vorerst im Land bleiben, sein Start bei den Australian Open ist allerdings weiterhin fraglich, weil die Regierung sich offenbar vorbehält, das von der Justiz erteilte erteilte Visum abermals zu entziehen.
Dieser erzwungene Erfolg des Ungeimpften passt zur Lebensgeschichte des Serben, der in seiner langen Karriere alles erzwungen hat. Mit einem natürlichen Talent, das an das der großen Rivalen Federer und Nadal nicht heranreicht, hat er sich auf der Tennis-Tour 20 Grand-Slam-Titel erkämpft und in seinem Heimatland Serbien einen Ikonenstatus, wie ihn dort sonst nur die Heiligen der orthodoxen Glaubensgemeinschaft genießen.
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Auf diesem Weg hat sich Djokovic, der einst als freundlicher Spaßvogel auf der Tennis-Tour galt, in eine Form der Entrückung begeben, die selbst in der für Entrücktheit anfälligen Welt der Sport-Superstars außergewöhnlich ist. Seit langer Zeit lebt dieser Asket in einem Universum mit Gesetzen, die nur für ihn gelten. Sein heimatliches Umfeld bestärkt ihn unbedingt im Glauben, wie die wütende Intervention des serbischen Staatschefs gegen die verweigerte Einreise nach Australien zeigt. Djokovic atmet andere Luft, trinkt anderes Wasser und isst andere Nahrung als normale Menschen.
Deshalb ist für ihn auch klar, dass er sich in einer Pandemie nicht impfen lassen muss und trotzdem in einem Land Tennisspielen kann, das die Impfung zur Bedingung für die Einreise gemacht hat.
Novak Djokovic wird es schwer haben, fehlende Impfung zu erklären
Für uns in der gewöhnlichen Welt wirkt das, als würde ein Größenwahnsinniger auf seinem Kreuzzug auf den größten Sieg, beziehungsweise die größte Niederlage seines Lebens zusteuern, weil es zur Stunde noch schwer vorstellbar erscheint, dass die australische Regierung in dieser für sie und ihre Bürger emotionalen Frage vor ihm klein beigibt. Zumal seine Belege für seine medizinische Ausnahmesituation immer noch fragwürdig sind. Eine angebliche Infektion mit nachweislichen öffentlichen Auftritten in den Tagen danach passen nicht in eine verantwortungsvolle Welt. Genau so wenig wie die Sturheit, mit der sich die Esotherik dieses Sportlers jeder Impfung verweigert.
So scheint, unabhängig von allen Schiedssprüchen, eine historische Entscheidung bereits gefallen. Der Versuch, den Rang des größten Tennisspielers aller Zeiten zu erzwingen, ist gescheitert. Auch wenn er noch ein halbes Dutzend Grand-Slam-Titel gewinnt, wird Novak Djokovic nicht der Respekt und die Achtung zuteilwerden, wie sie seine großen Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal genießen. Das gilt freilich nur für die Welt, in der wir leben. Aber da zurecht.