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„Hier müssen einige aufwachen“Hradecky kritisiert Mitspieler nach schlampigem Bayer-04-Auftritt

Lesezeit 4 Minuten
Lukas Hradecky und Jonas Hofmann (r) von Bayer 04 Leverkusen nach dem 2:2 gegen Holstein Kiel.

Lukas Hradecky und Jonas Hofmann (r) von Bayer 04 Leverkusen nach dem 2:2 gegen Holstein Kiel.

Bayer 04 Leverkusens Trainer Xabi Alonso kritisiert seine Mannschaft trotz 2:2 gegen Holstein Kiel für mangelnde Aggression und Konstanz.

Xabi Alonso beantwortet Fragen in der Regel in deutscher Sprache. Das gebietet für den Spanier der Anstand, als in Deutschland tätiger Fußballtrainer. Doch wenn es ihm wirklich wichtig ist, dass seine Botschaft ankommt, wechselt er auch mal ins Englische. Und so changierte der Trainer von Bayer 04 Leverkusen nach dem unnötigen 2:2 (2:1) gegen Holstein Kiel zwischen den beiden Sprachen. Denn es gab einiges zu adressieren. Seine Kernbotschaft: „Wenn man die Chance hat, das Spiel zu töten, muss man es gleich machen und nicht sagen: Das machen wir ein bisschen später.“ Auch Torhüter und Kapitän Lukas Hradecky griff in die martialische Wortkiste: „Wir lassen – metaphorisch gesagt – den Patienten am Leben. Da heben wir den Fuß vom Gas. Diese Eifrigkeit, diese Bissigkeit, die habe ich leider nicht gesehen.“

Wovon beide sprachen, bezieht sich auf eine Phase von 20 bis 30 Minuten in der ersten Halbzeit. Der Doublesieger war gegen den Aufsteiger standesgemäß in die Partie gestartet. Nach acht Minuten hatte es bereits 2:0 gestanden. Leverkusen dominierte in allen Belangen: Zweikämpfe, Tempo und Spielintelligenz. Nicht mal 180 Sekunden waren gespielt, da leitete Florian Wirtz einen Angriff ein, Exequiel Palacios spielte den Ball in die Schnittstelle zu Victor Boniface und der Nigerianer vollendete mit einem strammen Vollspannschuss zum 1:0.

Fünf Minuten später erklang die Tormelodie in der mit 30 210 Zuschauern ausverkauften Bay-Arena ein zweites Mal. Wieder waren Wirtz und Palacios die Initiatoren, diesmal knallte Jonas Hofmann den Ball mit dem Vollspann ins lange Eck – 2:0. Alles ging viel zu schnell für die Kieler, direkt nach Wiederanpfiff wäre beinahe das 3:0 gefallen, alle Zuschauer im Stadion hatten vermutlich nur einen Gedanken: Mit welcher Tordifferenz wird Bayer 04 diese überforderten Bundesliga-Neulinge aus dem Stadion schießen?

Und hätte das Tor von Boniface zum 3:0 nach knapp einer halben Stunde gezählt, wäre Kiel wohl auch nicht mehr in dieses Spiel zurückgekommen, doch die kalibrierte Linie erkannte eine ganz knappe Abseitsstellung des nigerianischen Stürmers. Leverkusen nahm schließlich von Minute zu Minute mehr und mehr Tempo aus dem Spiel und versuchte, das Ergebnis zu verwalten. „Wir hatten Kontrolle, aber eine softe Kontrolle, keine Kontrolle mit Aggressivität, mit dem Willen, das dritte Tore und noch mehr Tore zu machen“, sagte Alonso.

Anschlusstreffer in Nachspielzeit

Das Problem in dieser Phase: Es schlichen sich Unachtsamkeiten ein. Ein Fehlpass hier, ein unnötiges Dribbling samt Ballverlust da. Kiel zog sich daran aus dem Sumpf, kam nun zu ersten Abschlüssen und in der fünften Minute der Nachspielzeit zum Anschlusstreffer. Mal wieder war es eine Standardsituation, die der Meister nicht mit letzter Konsequenz verteidigte. Lukas Hradecky wurde von einem Kieler bedrängt, verschaffte sich nicht den Raum, um zum Ball kommen zu können. Und Robert Andrich ließ Torschütze Max Geschwill ohne Gegenwehr an sich vorbeiziehen. „Wir waren nicht intelligent, wir dachten nach dem 2:0-Vorsprung, das Spiel war vorbei und dann passiert so etwas im Fußball, in der Bundesliga kannst du dir das nicht erlauben“, betonte Alonso.

Umso unverständlicher wird die Genese dieser Partie, wenn man in Betracht zieht, dass Bayer bereits das dritte Mal in dieser Saison ein 2:0 noch abgab. Beim 3:2 in Gladbach zum Auftakt ging es noch gut, beim 2:3 gegen Leipzig und nun gegen Kiel verschenkte Leverkusen wertvolle Punkte. Nach dem 1:1 in München und dem 1:0 gegen AC Mailand am Dienstag sah es so aus, als hätte die Werkself ihre Defensivprobleme in den Griff bekommen, doch nach den zwei Gegentoren gegen Kiel steht Bayer nach sechs Spielen bei zwölf kassierten Treffern. Zum Vergleich: In der kompletten vergangenen Spielzeit hatte die Alonso-Elf nur 24 Gegentore kassiert. „Wir haben keine Seriosität ausgestrahlt, zwölf Gegentore sind Wahnsinn. Gegen Bayern muss man verteidigen, gegen Milan, aber auch gegen Kiel. Hier müssen einige aufwachen. Es hat bei einigen noch nicht Klick gemacht“, fand Hradecky sehr deutliche Worte.

Alonso wollte von „Arroganz“ nichts wissen, stellte aber auch in Frage, ob sein Team verinnerlicht hat, dass es gegen jeden Gegner unabhängig des Namens über die komplette Spielzeit an die Grenzen gehen muss: „Wir haben schon nach einem großen Einsatz in der Champions League gegen Wolfsburg nicht die richtige Mentalität gezeigt. Auch heute, es ist eine große Herausforderung für uns, dass wir in einer Woche bereit sein müssen für zwei Top-Spiele. Wir müssen lernen, wir haben nicht viel Zeit.“

In der Länderspielunterbrechung wird der Trainer seine wichtigsten Spieler nicht zur Verfügung haben, um an den Defiziten zu arbeiten. Danach wartet direkt das Topspiel gegen Eintracht Frankfurt (Samstag, 19. Oktober, 15.30 Uhr). Ex-Eintracht-Spieler Hradecky: „Ich persönlich bin sowieso immer heiß gegen Frankfurt zu spielen. Mit solch einer Einstellung und Leistung wie heute, nimmst du da aber nichts mit. Ich hoffe, jeder denkt darüber nach und wacht auf in der Länderspielphase. So kann es nicht weitergehen.“