AboAbonnieren

Bayer 04Nach dem bitteren Jahresabschluss flüchtet sich Bayer 04 in Trotz

Lesezeit 4 Minuten
60CC098E-6A44-4B3A-8FF3-FB2EBDADE230

Robert Lewandowski (rechts) und die Bayern bejubeln den Last-Minute-Sieg, Edmond Tapsoba ist wie seine Leverkusener Kollegen schwer enttäuscht.

Leverkusen – Es geht alles wahnsinnig schnell. Der Ball springt Jonathan Tah zwei Meter vom Fuß, Joshua Kimmich ist zur Stelle und steckt ihn zu Robert Lewandowski in den freien Raum durch. Peter Bosz springt entsetzt von der Trainerbank auf und schreit seinen Ärger in Richtung Strafraum von Bayer 04. Aber er kann nicht verhindern, dass der Weltfußballer nach einer halben Sekunde des Zögerns achießt. Edmond Tapsoba springt zum Rettungsversuch herbei und fälscht den Ball ins eigene Tor ab. 45 Sekunden später ist das Spiel zu Ende.

Der FC Bayern München hat es mit 2:1 Toren gewonnen und kurz vor Weihnachten die Tabellenführung der Fußball-Bundesliga übernommen. Die Leverkusener sinken zu Boden und können ihr Unglück kaum fassen. Keine Mannschaft hatte den FC Bayern im Jahr 2020 beherrscht wie sie es am 13. Spieltag in den ersten 30 Minuten taten. Niemand hatte mutiger gegen den Dauergewinner gespielt, ihn mehr in Verlegenheit gebracht. Der Lohn dafür war: nichts.

„Wir hatten nicht verdient, zu verlieren“, sagte Peter Bosz unmittelbar nach Schlusspfiff. Gemessen daran, wie viel seine Mannschaft richtig gemacht hat, ist dieser Satz korrekt. Alleine das 1:0 war ein am Reißbrett entworfenes Kunstwerk des Gelingens. Leon Bailey spielte eine Ecke kurz zu Nadiem Amiri, der den Ball perfekt in den frei gewordenen Raum um Patrik Schick schlug. Der Mittelstürmer benutzte seinen fabelhaften linken Fuß zu einem Volleyschuss, der allen den Atem verschlug. Welttorhüter Manuel Neuer zuckte nicht einmal, als der Ball neben ihm im Tor einschlug. Es war das neunte Tor nach einer Ecke in dieser Saison.

Diese Führung in der 14. Minute war das Produkt einer Anfangsphase, in der die Bayern kaum ein Drittel Ballbesitz hatten und das Spielgerät in ihrer Not wie ein Außenseiter einfach in die gegnerische Hälfte droschen. Der Versuch mit David Alaba im defensiven Mittelfeld wirkte nicht überzeugend. Das Passspiel funktionierte nicht. Von Souveränität keine Spur. Chancen gab es praktisch keine. In der 28. Minute lag der Ball wieder im Bayern-Tor. Patrik Schick hatte ihn nach einem Pass von Bailey in den freien Raum cool an Neuer vorbei eingeschossen. Aber der VAR erkannte eine winzige Abseitsstellung, die auf den TV-Bildern allein nicht sichtbar war. Sonst hätte der Spielstand, dem Spielverlauf völlig entsprechend, 2:0 gelautet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Halbzeit nahte, ohne dass sich Wesentliches geändert hatte. Die Werkself fabrizierte nun ihre erste Fehlerkette. Tapsoba misslang ein Pass, den Bayern-Rechtsverteidigrer Süle auf Thomas Müller spielte, der ewige Antreiber im Bayern-Spiel schlug eine Flanke und profitierte davon, dass sich Lukas Hradecky und Jonathan Tah einen klubinternen Zweikampf im Fünfmeterraum lieferten, anstatt sich im Robert Lewandowski zu kümmern. Der Weltfußballer musste in der 43. Minute nur in die Knie gehen und den Ball mit dem Kopf ins leere Tor befördern. Das Unentschieden hätte dem Werksklub aber gereicht, um als Spitzenreiter in die Mini-Weihnachtspause zu gehen.

Das Star-Ensemble aus München erfüllte die leere Bay-Arena mit einem Siegeswillen, der ihren Fußball bei weitem übertraf. "Wir haben wahnsinnig unsauber gespielt, aber wir haben dennoch geschafft, dieses Spiel irgendwie zu gewinnen", sagte Thomas Müller. Weil sich in der Nachspielzeit die zweite Fehlerkette. Lukas Hradecky war bedient. „In Finnland sagen wir: Wir haben uns selbst ins Sprunggelenk geschossen“, sagte der Torhüter. Auf die Frage, wer die Schuld trug am 1:1, blaffte Hradecky: „Das ist egal, auf welche Kappe das geht. Scheißegal. Nächste Frage.“

Trainer Peter Bosz prophezeit dennoch den Titel für Bayer 04

Schließlich trug die Niederlage und der Verlust der Tabellenführung aber doch den Namen Jonathan Tah. Nach Wochen mit stabilen Leistungen hatte sich der Nationalspieler den entscheidenden Aussetzer geleistet. „Ich muss dem Jona nicht sagen, was er falsch gemacht hat, das weiß er selbst“, sagte Peter Bosz, der trotz der Enttäuschung über die dritte Niederlage seines Teams gegen den FC Bayern in acht Monaten das Gute der letzten Monate nicht in Frage stellen wollte. „Bei mir steht das Positive ganz oben“, erklärte der Niederländer, „wir haben gezeigt, dass wir mit der besten Mannschaft Europas mithalten können. Das gibt uns das Selbstvertrauen, dass wir auch gegen die ganz Großen so spielen können, wie wir wollen. Aus den Fehlern müssen wir eben lernen.“

Wenn er eines Trostes bedurft hätte, hätte er den aus dem Mund seines Kollegen Hansi Flick nehmen können. Als der Bayern-Trainer zur Leistung des Konkurrenten Bayer 04 gefragt wurde, antwortete er: „Ich muss den Hut vor ihnen ziehen. Die Idee vom Trainer ist klasse, die gefällt mir.“ Aber Peter Bosz hatte längst den Trotz als Medizin für sein Gemüt entdeckt und antwortete auf die Frage, wie der kommende Deutsche Meister heiße: „Bayer Leverkusen“.