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Nach Sieg in PaderbornKai Havertz wehrt sich gegen Hinrunden-Kritik

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Kai Havertz nach seinem Tor in Paderborn

Paderborn – Auf den Knien rutschte Kai Havertz in Richtung der eigenen Fankurve und ballte beide Fäuste. In der offenbar einem wellblechernen Heimwerker-Albtraum entsprungenen Benteler-Arena in Paderborn wurde es still, nur die Leverkusener Ecke tobte. Havertz’ Treffer (75.) zum 4:1-Sieg beim SCP am Sonntagabend war in mehrerlei Hinsicht eine Erlösung. Für die Mannschaft, die nach frühen Toren von Kevin Volland (11./14.) und Julian Baumgartlinger (36.) in der zweiten Halbzeit wegen Dennis Srbenys 1:3 (51.) doch kurzzeitig wieder ins Wanken geraten war. Und für Havertz selbst.

113-tägige Durststrecke von Kai Havertz

Der 20 Jahre alte Träger vieler Leverkusener Hoffnungen beendete seine Tor-Durststrecke nach 113 Tagen und zeigte, dass das Starkreden seitens Trainer, Klubführung und Mitspielern in der kurzen Wintervorbereitung nicht nur aus leeren Worten bestand, sondern auf fruchtbaren Boden traf. Auch deshalb brach Havertz am Sonntagabend sein längeres Schweigen und beantwortete geduldig viele Fragen. Von Erfolgserlebnissen lässt sich eben besser berichten.

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Neben den handelsüblichen Formulierungen von Fußballspielern nach Siegen, an deren Entstehung sie maßgeblich beteiligt waren („Die Freude über den Sieg ist im Vordergrund. Natürlich freue ich mich über jede Torbeteiligung. Aber das steht im Hintergrund“), äußerte Havertz durchaus offensiv Unmut über die aus seiner Sicht ungerechte öffentliche Bewertung seiner Leistungen im vergangenen halben Jahr. Ja, die Freizeit in der Winterpause habe ihm geholfen, etwas neue Energie zu tanken, räumte der Nationalspieler ein, um dann ein deutliches „Aber“ hinterherzuschieben: „Ich glaube, dass ich in der Hinrunde nicht nur schlechte Spiele gemacht habe, wie es oftmals von euch geschrieben wurde. Ich weiß was ich kann.“ Und das ist einiges.

Zumeist war gegen Ende der Hinrunde von der ersten Krise in Havertz’ noch junger Karriere die Rede, auch von der Klubführung. Sport-Geschäftsführer Rudi Völler hatte sich öffentlich den „alten“ Kai Havertz zurückgewünscht.

Paderborn zeitweise nicht bundesligatauglich

In Paderborn war der gerade in der ersten Halbzeit zu sehen. Elegante und mühelos wirkende Bewegungen vorbei an Gegenspielern, Zug zum Tor und ein Auge für den Nebenmann – alles gegen in der ersten Hälfte erschreckend schwache Paderborner. Als der frühere und wohl auch künftige Zweitligist dann seinen Mut wiederentdeckte und die überlebenswichtige Idee, Havertz’ Wirkungskreis einzuschränken, in die Tat umsetzte, tauchte der Nationalspieler ab. Doch er ging nicht unter, wie es ihm vielleicht noch in der Hinserie passiert wäre. Im wichtigsten Moment, nach Moussa Diabys Hereingabe in der 75. Minute, war Havertz da und sorgte für die Entscheidung. „Es freut mich riesig, dass er das Tor gemacht hat“, sagte Volland. „Es prasselt so viel auf ihn ein. Und auch, wenn er es nicht so zeigt – man liest ja doch alles.“

Peter Bosz bremst die Euphorie

Trainer Peter Bosz, der seinen talentiertesten Schüler in der Vorbereitung noch in den höchsten Tönen gelobt hatte, trat umgehend auf die Euphoriebremse. Offenbar sucht der Coach einen Mittelweg im Umgang mit Havertz. „Ich weiß was Kai kann, er kann so unglaublich viel und ist ein so unglaublich guter Spieler. Und deshalb fand ich ihn heute gar nicht so gut“, sagte der Niederländer. Wäre Bosz nicht sein Vorgesetzter, hätte Havertz für diese Einordnung vielleicht auch eine deutliche Meinung parat gehabt. Und dann sagte Leverkusens Einhundert-Millionen-Abgang in spe auch noch: „Ich finde, dass ich in der Hinrunde auch nicht alles falsch gemacht habe. Ich glaube, dass für euch mittlerweile im Vordergrund steht, dass man ein Tor oder eine Vorlage macht. Aber zum Fußball gehören noch viele andere Sachen. Deswegen war die Hinrunde nicht so schlecht für mich.“

Der Grundstein für eine auch an Ergebnissen ablesbar gute Rückserie von Havertz ist nun gelegt. Aus seinen drei Scorerpunkten der Hinrunde wurden in den ersten 75 Minuten in Paderborn fünf. Für Bosz ist es erst der Anfang: „Bei Kai ist noch viel mehr drin.“