Bayer schlecht wie nieXabi Alonso steht vor einem Scherbenhaufen
Leverkusen/Frankfurt – Manchmal sind es Details, die eine Ahnung vom Ausmaß des Schreckens geben. Inmitten der großen Krise von Bayer 04 Leverkusen fällt auf: Bei den Niederlagen gegen den FC Porto (0:3) und bei Eintracht Frankfurt (1:5) hat die Werkself dem Gegner innerhalb von vier Tagen vier Elfmeter geschenkt. Oder ganz exakt: innerhalb von 114 Spielminuten. Zwischen der 54. Minute in der Champions-League-Partie am Mittwoch (Spieldauer 90+5) und der 72. Minute des Bundesligaspiels (Zeitpunkt der Ausführung) am Samstag bekam der Gegner jeweils zwei Strafstöße zugesprochen.
Etwa alle 28,5 Minuten wurde ein Gegenspieler im Strafraum zu Fall gebracht. Daraus entstanden vier Gegentore. Man kann sich nicht daran erinnern, wann zuletzt eine deutsche Mannschaft so etwas getan hat. Mehr muss man nicht wissen, um festzustellen: Hier liegt ein Problem vor, das mit schlauen fußballerischen Gedanken alleine nicht zu lösen ist.
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Auch die Aussagen der Leverkusener Spieler nach der zweiten brutalen Niederlage im dritten Spiel unter dem neuen Trainer Xabi Alonso waren alarmierend. „Wir stecken ganz tief in der Scheiße, wir müssen diesen Verein da rausholen“, erklärte Kerem Demirbay, „wir verteidigen schlecht. Das fängt bei uns ganz vorne an. Wir müssen als Team besser agieren, sowohl defensiv als auch offensiv, jeder einzelne Spieler muss mit dieser Situation ehrlich umgehen. Wir sind derzeit sehr schlecht.“
Kollege Robert Andrich sagte: „So läuft Fußball nicht, das muss jedem klar werden, dass wir in der Scheiße stecken. Und nicht denken, es läuft schon irgendwann so, wir holen schon die Punkte. Auf jeden Fall nicht. Jedes Spiel wird brutal schwer. Das müssen wir ganz, ganz klar in der Mannschaft ansprechen, sonst sehe ich schwarz für uns.“
Bemerkenswert an diesen Hilferufen war, dass die Kritiker genauso schlecht gespielt hatten wie die Kritisierten, zu denen sie sich ausdrücklich selbst gezählt haben. Eine tiefgreifende Fehleranalyse wäre vielleicht präziser, sie würde aber tagelang dauern und am Kern des Problems vorbeiführen: Der offensichtlichen Traumatisierung einer Gruppe hoch bezahlter Fußballer, deren angeblich ausgesuchtes Talent so lange in den Himmel gelobt wurde, bis ihr der Wesenskern verloren ging. Sie sind schon seit langer Zeit keine Mannschaft mehr.
Es hätten noch in Frankfurt ja viel mehr Gegentore werden können, wenn der begabte Randal Kolo Muani vor seinem Kopfball zum 2:1 seine Riesenchancen genutzt hätte. Den ersten Elfmeter (Tapsoba foulte Lindström) verwandelte Haraguchi im zweiten Anlauf, weil sich Torhüter Hradecky von der Linie gelöst hatte, als er den ersten Versuch von Kolo Muani hielt.
Der verblüffende Leverkusener Ausgleich durch Hincapie nach Freistoß von Demirbay zum zwischenzeitlichen 1:1 war schließlich das Halali für die Frankfurter. Innerhalb kürzester Zeit erlegten sie die wehrlose Werkself mit vier Toren, darunter einem weiteren Elfmeter von Haraguchi, bei dessen Zustandekommen sich Hincapie Gelb-Rot einfing, weshalb er kommenden Samstag gegen Wolfsburg fehlen wird. Lindström und der eingewechselte Ex-Leverkusener Lucas Alario zum 5:1 erledigten den Rest.
Beim Abpfiff war Bayer 04 auf den Relegationsplatz 16 gefallen, alle hehren Saisonziele haben sich erst einmal in Luft aufgelöst. Die Spieler wurden vom eigenen Anhang ausgepfiffen, und Xabi Alonso sollte erklären, was passiert war. Ganz offensichtlich befand sich der Spanier zehn Tage nach seinem Amtsantritt bei Bayer 04 immer noch viel mehr in der Rolle des Beobachters als in der des Haupt-Verantwortlichen.
Parallelen zum Ex-Kollegen Sami Hyypiä
Sowohl sprachlich, als auch inhaltlich blieb ihm nichts anderes übrig, als Grundsätzliches zu erzählen. „Wir sind von Beginn an in Probleme geraten. Wir hatten nicht die Intensität, die es auf diesem Level braucht. Wir sind daran schuld, uns kann kein anderer helfen – keine Ausreden“, sagte der Weltmeister und zweifache Europameisterin in seiner Mischung aus Teil-Deutsch und Teil-Englisch. In der Rolle des einstmals überragenden Spielers, der als Trainer viel weniger vorbildliche Profis verstehen, anleiten und verbessern muss, erinnerte er schon ein wenig an den einstigen Liverpool-Kollegen Sami Hyypiä, der als Trainer bei Bayer 04 am Ende genau daran gescheitert war.
Xabi Alonso hat eine Woche Zeit, um die Scherben aufzusammeln und daraus eine Mannschaft zu machen, die gegen den VfL Wolfsburg bestehen kann. Sein Rezept lautet: „Schritt für Schritt ist die beste Formel, um uns zu verbessern.“ Klingt nach einer Langzeitaufgabe. Kapitel 1 könnte sein: Dem Gegner nicht in jedem Spiel zwei Elfmeter schenken.