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DFB-PokalfinaleLeverkusen kämpft in Berlin gegen die Bayern und seinen alten Fluch

Lesezeit 4 Minuten
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Rudi Völler, Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen

  1. Die Werkself hat seit 1993 nichts mehr gewonnen, doch Rudi Völler verzichtet auf eine Kampfansage
  2. Der Weltmeister von 1990 sieht das historische Titel-Versäumnis des Werksklubs in den Jahren 2000 bis 2002
  3. Jungstar Kai Havertz steht als möglicher Bayern-Kandidat besonders im Blickpunkt

Leverkusen – Mit der Frage nach großen Titeln hat Rudi Völler kein Problem. „Ich kann mich leicht rausreden und sagen: Die wirklich wichtigen habe ich ja gewonnen“, scherzt der Mann, der mit Deutschland 1990 Fußball-Weltmeister und 1993 mit Olympique Marseille Champions-League-Sieger wurde. „Allerdings“, sagt der Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen, „geht es hier nicht um mich.“ Sein Arbeitgeber hat nach elf Jahren Pause wieder einmal ein Endspiel erreicht. Das Problem bei diesem DFB-Pokal-Finale am Samstag in Berlin ist allerdings der Gegner. Er heißt FC Bayern München.

Zu den Chancen in diesem offenbar ewig ungleichen Duell mit dem Über-Verein des deutschen Fußballs sagen alle bei Bayer 04 mehr oder weniger dasselbe: Eine gute Leistung wird nicht genügen. Eine sehr gute Leistung auch nicht, aber auf ihrer Basis könnte mit Hilfe des Schicksals die Plattform für eine große Überraschung entstehen. Wie das geht, hat der Werksklub in der Hinrunde der abgelaufenen Saison beim 2:1-Sieg in München selbst vorgemacht. Trotz nur 25 Prozent Ballbesitz, einer mäßigen Passquote von 67 Prozent und zwölf Torschüssen weniger als die Bayern gelang der Werkself in der Allianz-Arena ein unerwarteter Erfolg. Allerdings war das kein Endspiel. Und Bayern-Trainer Hansi Flick war erst wenige Woche im Amt.

Rudi Völler (60), der ehemalige Fußballer des Jahres und Teamchef der deutschen Nationalmannschaft könnte die Schlagzeilen wenige Tage vor diesem Endspiel in Berlin (Samstag, 20 Uhr) leicht bestimmen, wenn er sich breitbeinig hinstellen und markige Sätze in Richtung Süden schleudern würde. Das tut er aber nicht. „Die Bayern sind zurecht achtmal hintereinander Meister geworden, aber sie sind nicht achtmal hintereinander Pokalsieger geworden, sondern nur viermal. In einem Spiel ist es halt möglich“, ist die maximale Androhung aus seinem Mund.

Was der Werksklub der Klasse des zuletzt beeindruckenden Rekordmeisters entgegenzusetzen hat ist Sehnsucht. Die einzig großen Titel in ihrer Geschichte gewann die ehemalige Betriebssportabteilung 1988 (Uefa-Pokal) und 1993 (DFB-Pokal). „Aber das war ein ganz anderes Bayer 04, „der Verein war damals eine graue Maus“, erklärt Völler wahrheitsgemäß. „Ein richtiger Spitzenklub ist Leverkusen erst 1996 geworden als Trainer Christoph Daum kam.“ Das historische Versäumnis, glaubt Völler, liegt in der Zeitspanne dieser einstigen Größe, als man sogar das Champions-League-Finale erreichte mit Super-Spielern wie Emerson, Lucio, Berbatow, Schneider und Ballack.

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„Eigentlich leiden wir immer noch unter den Jahren von 2000 bis 2002. Da hätten wir Titel gewinnen müssen, vor allem 2002. Das war mit Abstand die beste Mannschaft, die je bei Bayer Leverkusen gespielt hat“, sagt Völler, „damals hatten wir große finanzielle Kraft, sonst hätten wir es uns nicht leisten können. Das waren nicht nur Weltklassespieler, sondern teilweise die besten Spieler der Welt auf ihren Positionen. Es tut heute noch weh, mit dieser Wahnsinnsmannschaft nichts gewonnen zu haben. Das holt uns teilweise immer noch ein.“ Immerhin hat man sich als Klub vom zeitweise patentrechtlich eingetragenen Titel „Vizekusen“ inzwischen distanziert.

Das einzige Gegenmittel wäre eben der Sieg in einem Endspiel, auch wenn er am Samstag in einem leeren Olympiastadion stattfinden müsste. „Es bleibt etwas Besonderes, im Pokalfinale zu stehen. Die Vorfreude in der Mannschaft ist groß, auch wenn es traurig ist, dass unsere Fans zu Hause bleiben müssen und wir in einem leeren Olympiastadion spielen müssen.“

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Bayer-Star Kai Havertz

Dennoch werden Millionen Augen an den Endgeräten auf Kai Havertz (21) gerichtet sein, der als größtes Talent des deutschen Fußballs erstmals in einem großen Endspiel geprüft wird. Keiner weiß, ob es das letzte Finale des Offensivkünstlers im Bayer-Trikot sein wird, ob ein Verein bereit ist, die geforderte Ablösesumme in der Größenordnung von 100 Millionen Euro zu bezahlen und ob dieser Verein am Ende sogar der FC Bayern München sein wird. Bayer 04 hätte nichts dagegen, wenn der Nationalspieler (Vertrag bis Juni 2022) Noch ein weiteres Jahr für Leverkusen spielen würde. Viel Druck für einen Spieler, der dann möglichst auch noch das entscheidende Tor erzielen soll.

Rudi Völler bleibt aber auch in dieser Frage eher entspannt. „Wenn einer in jungen Jahren schon gezeigt hat, dass er mit Druck umgehen kann, dann ist es Kai Havertz“, sagt der frühere Torjäger. „Besonders in der Rückrunde und auch in der Corona-Zeit hat Kai wieder wunderbar gespielt mit seiner Sachlichkeit und Eleganz. Ich sehe den Druck gar nicht so groß. Er hat eine Weltkarriere vor sich, die er hier schon begonnen hat bei Bayer Leverkusen.“ Kai Havertz, darauf darf man getrost wetten, wird Titel gewinnen. Die Frage, ob ihm das noch im Trikot von Bayer 04 Leverkusen gelingt, ist schwerer zu beantworten.