Überzeugende Siege, überraschende Niederlagen: Bayer 04 Leverkusen war in der Hinrunde zu inkonstant.
Zu oft pendelte die Werkself zwischen den Extremen.
Der Kölner Stadt-Anzeiger blickt zurück: Was war gut? Was war schlecht? Und was passiert im kommenden Jahr?
Leverkusen – Am 3. Januar ist die Winterpause für Bayer 04 Leverkusen bereits beendet. Nach dem Trainingsauftakt am Freitag geht es am Samstag ins südspanische La Manga, wo Grundlagen für eine erfolgreiche Rückrunde in der Bundesliga geschaffen werden sollen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zieht ein Fazit der Hinserie und wagt einen Ausblick auf 2020.
Das war gut
Rein sportlich ist die Bilanz zur Saison-Halbzeit in Ordnung. Bayer 04 ist Tabellensechster und hat die Champions-League-Plätze in Reichweite. Im DFB-Pokal steht Leverkusen im Achtelfinale. Gegner im Heimspiel Anfang Februar ist der Zweitligist VfB Stuttgart. Trotz des Abstiegs in die Europa League herrscht Zufriedenheit über den Kontrahenten in der Zwischenrunde Ende Februar. Der portugiesische Spitzenklub FC Porto wartet. Bayer 04 liegt nach der Hälfte der Saison auf dem Weg zu seinen Zielen im Soll.
Auch konnte Leverkusen, zumindest vereinzelt, wieder den furiosen und gut ausbalancierten Offensivfußball von Trainer Peter Bosz zeigen. So etwa beim 2:1-Sieg in München oder beim 2:1-Erfolg gegen Atlético Madrid. Grundlage hierfür ist Bayers Laufstärke. 119,52 km Teamwert bedeuten Platz zwei in der Bundesliga hinter Paderborn (119,69 km). Bei der Passquote (86,39 Prozent) ist es Rang drei hinter München (88,5 Prozent) und Dortmund (88,11 Prozent).
Die gute Stimmung steht auf einem wackligen Fundament. Denn die Leistungen der Hinrunde waren von Extremen geprägt. So lagen zwischen dem furiosen Sieg in München und der peinlichen Derby-Niederlage in Köln (0:2) lediglich 14 Tage. Ein einzelner Faktor kann keine Erklärung für die großen Leistungsschwankungen sein. Es an den Formkrisen von Kai Havertz oder Charles Aránguiz festzumachen, wäre zu leicht. Vielmehr ist es die Kombination mit weiteren Ursachen. So gelangen Leverkusen in der Bundesliga aus 261 Torschüssen nur 23 Treffer. Von 11,35 Versuchen war nur einer erfolgreich, der drittschlechteste Wert im Ranking. Lucas Alario erfüllt zwar alle Anforderungen an einen Mittelstürmer internationaler Klasse, zeigt aber zu selten all seine Qualitäten. Mit Ausnahme von Kevin Volland hat die Werkself sonst zu wenige torgefährliche Angreifer.
Auch in der Abwehr bestehen Mängel. Die chronischen auf den Außenverteidiger-Positionen, wo sich Wendell, Mitchell Weiser und zuletzt Panagiotis Retsos in der Rolle als Sicherheitsrisiko abwechseln. Im Zentrum fehlt neben Sven Bender ein zweiter konstanter Innenverteidiger. Jonathan Tah hat alle Voraussetzungen für diese Rolle, blieb aber hinter den Erwartungen zurück. Aleksandar Dragovic muss noch nachweisen, dass er überhaupt über diese Voraussetzungen verfügt.
Dazu hat Bayer 04 ein Problem mit den Neuzugängen. Für Nadiem Amiri (9 Millionen/Hoffenheim) wurde noch keine optimale Position gefunden. Rekordtransfer Kerem Demirbay (32 Millionen/Hoffenheim) pendelt zwischen Startelf und Ersatzbank. Und Moussa Diaby (15 Millionen/Paris) war für Trainer Bosz bis tief in den November hinein keine Option. Ähnlich war es in der Vorsaison. Paulinho (18,5 Mio./Vasco da Gama) spielt weiter keine Rolle, Weiser (12 Mio./Hertha) konnte noch nicht beweisen, dass er eine Verstärkung ist. Der einzige Zugang der letzten eineinhalb Jahre, der unumstrittener Stammspieler ist, ist Torhüter Lukas Hradecky (ablösefrei/Frankfurt).
Das passiert 2020
Wenn Bayer 04 nicht schnell etwas Konstanz in seine Leistungen bekommt, werden die Saisonziele schnell in Gefahr geraten. Gerade für den Pokal hatte Sport-Geschäftsführer Rudi Völler im Sommer noch Titel-Träume formuliert. Die Europa League muss Leverkusen mit einer anderen Einstellung annehmen als vor einem Jahr.
Coach Bosz wird das Trainingslager nutzen, um seiner Mannschaft weitere taktische Feinheiten zu vermitteln. Wenn man die Leistungen in den letzten drei Liga-Spielen als Maßstab nimmt, ist das auch bitter nötig. In Spanien mit dabei ist auch Winter-Neuzugang Exequiel Palacios. Der 21 Jahre alte Argentinier kommt von River Plate, hat einen Vertrag bis 2025 unterschrieben und soll statt den anfangs kolportierten 22 laut „Bild“ nur 16,5 Millionen Euro Ablöse kosten.
Palacios ist Teil eines großen Umbruchs im Zentrum des Leverkusener Spiels, der mit Julian Brandts Wechsel nach Dortmund 2019 begann. Im Sommer 2020 wird wohl auch Supertalent Havertz den nächsten Schritt in seiner Karriere machen und Bayer 04 für eine Rekordsumme verlassen. Der Vertrag von Stratege Aránguiz läuft aus. Als Nachfolge-Kandidaten stehen Palacios, Demirbay und Amiri bereit. Ob das Trio tatsächlich das Format hat, Leverkusens Spiel ähnlich zu prägen wie Brandt, Havertz und Demirbay, könnte sich bereits in der Rückrunde zeigen.