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Bayer 04Leverkusen trennt sich von Trainer Bosz – Wolf übernimmt

Lesezeit 4 Minuten
Bosz Bayer Rauswurf

Peter Bosz ist nicht mehr länger Trainer von Bayer 04 Leverkusen.

Leverkusen – Die Abwicklung der Ära Peter Bosz ging am Dienstagmorgen zügig über die Bühne. Um kurz vor 10 Uhr sickerten die ersten Nachrichten durch, dass das Training kurzfristig abgesagt und der Coach von Bayer 04 Leverkusen entlassen war. Um 10.07 Uhr kam dann die Pressemitteilung als Bestätigung: „Trainerwechsel bei der Werkself“.

Der Bundesligist hatte auf die anhaltende sportliche Talfahrt und das Verfehlen aller wichtigen Saisonziele reagiert und den beliebten Niederländer freigestellt. Gleichzeitig wurde der Hoffnungsträger für die verbleibenden acht Spiele präsentiert: Hannes Wolf, früher Trainer des VfB Stuttgart und bislang beim DFB für die U-18-Nationalmannschaft verantwortlich, wurde bis zum Sommer auf Leihbasis vom DFB verpflichtet. Der 39-Jährige soll die zu großen Teilen in Scherben liegende Leverkusener Saison retten und das Minimalziel Europa League erreichen. Wolf zur Seite gestellt wird eine Klublegende: Peter Hermann, der insgesamt schon 29 Jahre als Spieler, Co- und Interimstrainer im Verein tätig war, kehrt zurück.

Peter Hermann als Co-Trainer zurück

Um 12 Uhr wurde Wolf in einer eilig einberufenen Pressekonferenz von Sport-Geschäftsführer Rudi Völler und Sportdirektor Simon Rolfes vorgestellt. Doch mussten die Leverkusener Verantwortlichen zunächst erklären, warum die Trennung von Bosz trotz der erst wenige Wochen alten Treueschwüre so eilig durchgezogen wurde. Gerade Völler war bemüht, an so vielen Stellen wie möglich die „große Wertschätzung“ dem Ex-Trainer gegenüber zu betonen. Und dass Boszs Spielstil hervorragend nach Leverkusen gepasst habe und eine Trennung vor zwei Monaten „noch unvorstellbar“ erschien. Der Rauswurf des 57-Jährigen sei „eine Niederlage für uns alle. Es tut weh, aber das ist Profi-Fußball.“ Seine knapp drei Wochen alte Rückendeckung für Bosz („A-, B- und C-Lösung“) dürfe man „nicht auf die Goldwaage legen“, es sei mehr eine Redewendung gewesen. Dennoch habe Völler fest an seine Worte geglaubt, „sie waren ehrlich“. Ehe ihn die Realität überholte.

Entscheidung von Werner Wenning

Denn die Leverkusener Talfahrt hatte mit den peinlichen Niederlagen gegen die Abstiegskandidaten Bielefeld und Hertha BSC noch an Tempo zugelegt. Und Bosz – nach dem Aus im DFB-Pokal und der Europa League ohnehin geschwächt – wurde von der Vereinsführung nicht mehr zugetraut, das Ruder herumzureißen. Zehn seiner insgesamt 33 Pleiten mit Bayer 04 hatte Bosz in den letzten drei Monaten kassiert. „Es ist leider immer das gleiche gewesen in den letzten Wochen: Ballbesitz, Ballbesitz, Ballbesitz – und der Gegner geht mit dem ersten Torschuss in Führung. Danach hat uns dann das Rezept gefehlt“, sagte Völler. „Das Vertrauen, dass wir es noch hinbekommen, war dann nicht mehr da. Und dann mussten wir handeln.“ Sportdirektor Rolfes ergänzte: „Wir hatten viele Monate eine sehr gute Zeit. Aber die letzten drei Monate waren von der Entwicklung und den Ergebnissen unbefriedigend. Es war ein Muster zu erkennen.“ Entschieden wurde die Absetzung des Trainers laut Rolfes und Völler in einer Krisensitzung am Montag mit Geschäftsführer Fernando Carro und Werner Wenning. Das letzte Wort hatte dabei, wie in allen wichtigen Punkten, der mächtige Vorsitzende des Gesellschafterausschusses. Bosz wurde am Montagabend in einem persönlichen Gespräch über sein Aus informiert.

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Der Niederländer hatte Bayer 04 an Weihnachten 2018 übernommen und die Werkself in seiner ersten Rückrunde in die Champions League geführt. In der folgenden Saison verpasste Leverkusen die Königsklasse zwar knapp, erreichte dafür aber das Pokalfinale und die Runde der letzten Acht der Europa League. Unter Bosz gelang Kai Havertz ein weiterer Entwicklungsschritt, und Florian Wirtz wurde von einem gewaltigen Talent zu einem A-Nationalspieler. Klubchef Carro hatte nach der letzten Saison dennoch von einer Enttäuschung gesprochen – der angepeilte Titel wurde verpasst. 2021 wird, so viel ist bereits jetzt sicher, noch deutlich schlechter.

Auftakt gegen Schalke 04

Nachfolger Wolf soll nun den Worst Case verhindern, das Verpassen des Europapokals und das dann drohende Auseinanderbrechen des Kaders. Völler hatte noch am Montag mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff telefoniert, um die Einzelheiten zu klären. Weil aufgrund der Pandemie aktuell ohnehin alle U-18-Länderspiele ausgesetzt sind, war Wolf verfügbar. Beim DFB geht man davon aus, dass er im Sommer zurückkehrt. Völler, so war es am Dienstag zu vernehmen, könnte sich auch ein längerfristiges Engagement des früheren Stuttgarter Aufstiegstrainers vorstellen. „Ausgeschlossen ist natürlich nichts“, sagte der Sport-Geschäftsführer. Wolf stellte klar, „dass ich den Job beim DFB für diesen kurzen Zeitraum nicht aufgegeben hätte. Das wäre fahrlässig gewesen.“ Die Anfrage aus Leverkusen habe ihn überrascht: „Wenn mich jemand vor drei Tagen gefragt hätte, was ich heute mache, hätte ich wohl gesagt: Ich habe vielleicht ein Trainermeeting beim DFB.“

Nun muss er aber in der Länderspielpause die völlig verunsicherte Leverkusener Mannschaft erstversorgen. Sein Debüt auf dem Trainingsplatz gibt Wolf am Mittwochvormittag. Neben den Nationalspielern werden dabei weiter einige Verletzte fehlen. Doch für den Neuen und Bayer 04 ist Licht am Ende des Tunnels: Wenn die Heilungen nach Plan verlaufen, werden die zuletzt schmerzlich vermissten Sven Bender, Lars Bender und Lukas Hradecky zurückkehren. Und im designierten Absteiger Schalke 04 ist der erste Gegner ein dankbarer. Eine reguläre Saison sei ein Marathon, sagte Wolf, „das wird ein 800-Meter-Lauf“.