Leverkusen. – Wenn Rudi Völler über Patrik Schick spricht, dann gerät der schnell ins Schwärmen. Der scheidende Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen, der nach Beendigung dieser Saison zum offiziellen Botschafter des Klubs wird, kennt den Tschechen schon länger als die meisten Experten. Als Schick 2018 von Völlers Herzensklub AS Rom für 42 Millionen Euro aus Genua verpflichtet wurde, galt er bereits als Verheißung des italienischen Klub-Fußballs. Weil er bei der Roma hinter der damals unüberwindlichen Stürmer-Ikone Edin Dzeko feststeckte, hatte der Werksklub bereits ein Auge auf den Torjäger geworfen, der wie wenige andere Technik, Eleganz, Spielverständnis und Physis miteinander verbindet.
„Ich war schon immer ein Fan von ihm, wir hatten schon sehr lange Kontakt“, sagt Völler. Doch erst über den Umweg Leipzig landete der Wunschstürmer im Sommer 2020 für rund 27 Millionen Euro bei Bayer 04. Und in seiner ersten Saison begleiteten ihn dieselben Verletzungsprobleme, die seinen großen Durchbruch bis dahin verhindert hatten. Aber allerspätestens im Dezember 2021 ist jedem klar geworden, dass in Leverkusen einer der besten Mittelstürmer des Kontinents spielt. Die vier Tore innerhalb von 28 Minuten beim 7:1-Sieg über Greuther Fürth waren ein Fall für die Geschichtsbücher.
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Nur Robert Lewandowski hatte bei seinem legendären Fünferpack im Februar 2017 gegen Wolfsburg schneller viermal getroffen. Hinter dieser Geschichte verschwanden alle anderen Geschichten des dramatisch deutlichen Sieges über den Tabellenletzten, der mit einem Punkt nach 14 Spieltagen im Begriff ist, alle Negativrekorde der Bundesliga zu brechen.
Das Spiel war trotz halbwegs ausgeglichener erster Halbzeit nach Bayer-04-Treffern von Amine Adli, Edmond Tapsoba und Piero Hincapie beim Stand von 3:1 schon vorentschieden, als die Tormaschine den Betrieb aufnahm. Patrik Schick vollendete in der 49., 69., 74. und 76. Minute hochgradig spektakuläre Angriffe zu seinen Treffern und bemühte nachher den Ketchup-Effekt. „In der ersten Halbzeit hatte ich nicht einmal einen Torschuss, dann kam alles auf einmal“, erklärte er. Zum Zeichen der Solidarität mit den wirbelnden Kollegen Diaby, Wirtz, Adli und Bellarabi, die ihm die Treffer spektakulär auflegten, erklärte der 25-Jährige: „Es war nicht mehr so schwer, sie zu erzielen.“
Der Wert von Patrik Schick (Vertrag bis 2025) für diese mit Jugend und Spielfreude gesegnete Mannschaft hat sich in den Wochen gezeigt, als er nicht da war. Ohne ihn verlor sie gegen Wolfsburg, kam gegen Berlin zu einem schmeichelhaften Unentschieden, flog gegen Karlsruhe aus dem DFB-Pokal, fand nie zu der Balance, in der ihr Talent sich entfalten kann. Zumal sein Stellvertreter Lucas Alario ebenfalls verletzt war. „Diese Mannschaft verdient einen echten Mittelstürmer“, sagt Trainer Gerardo Seoane, „dann kommen alle anderen Offensiv-Spieler auch besser zur Geltung.“
Regelmäßige Verletzungen haben auch verhindert, dass Patrik Schick vor dem Sommer 2022 auf großer Fußball-Bühne glänzen konnte. Deshalb galten seine fünf Tore bei der Europameisterschaft in England, mit denen er gemeinsam mit Cristiano Ronaldo Torschützenkönig des Turniers wurde, auch als Überraschung. Bei Bayer 04 haben sie im Herbst 2020 herausgefunden, dass Schicks instabile Körpermitte für die vielen mittleren Muskelverletzungen verantwortlich war, die den Stürmer immer wieder auf die Verletztenliste zwangen. Ein verschärftes Fitness- und Stabilisationsprogramm scheint die Schwachstelle behoben zu haben. Seit gut einem Jahr hat Schick keine Muskelverletzung mehr befallen.
Durch seine 28-Minuten-Show vom Samstag hat Patrik Schick auch vorläufig das für unerreichbar gehaltene Duo Robert Lewandowski (16 Tore)/Erling Haaland (11) an der Spitze der Torjägerliste gesprengt. Mit zwölf Toren liegt er zwischen beiden, hat aber im Gegensatz zu Lewandowski (3) und Haaland (2) keinen Elfmeter geschossen. Außerdem liegt er mit seinem 70-Minuten-Treffer-Takt vor Lewandowski (74). Und Patrik Schick hat noch eine Bestmarke gebrochen: Als erster Bayer-Spieler hat er vier Tore in einem Bundesligaspiel erzielt. Das war weder dem großen Torjäger Ulf Kirsten gelungen, noch dem Schick-Fan Rudi Völler.