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„Kabinen-Sheriff? Das ist ein bisschen überdreht“
Welche Rolle Thomas Eichin im Erfolgsklub Bayer 04 spielt

Lesezeit 6 Minuten
Alles im Blick: Thomas Eichin, Direktor Lizenz bei Bayer 04 Leverkusen, im Trainingslager in Donaueschingen.

Alles im Blick: Thomas Eichin, Direktor Lizenz bei Bayer 04 Leverkusen, im Trainingslager in Donaueschingen.

Thomas Eichin gestaltet als Direktor Lizenz bei Bayer 04 das Zusammenarbeiten von Mannschaft, Mitarbeitern und Abteilungen und legt Wert auf eine reibungslose interne Organisation und Disziplin.

Herr Eichin, Sie sind nun etwas mehr als ein Jahr Direktor Lizenz bei Bayer 04. Beschreiben Sie doch mal, wie Sie diese Rolle genau ausfüllen.

Es ist schwer, das so kurz zu beschreiben. Grundsätzlich hatte ich nicht mehr vor, wieder in den Bereich des Männer-Profifußballs zurückzukehren. Ich habe mich bei Bayer 04 pudelwohl gefühlt im Nachwuchs und bei der Frauenabteilung. Aber dann kam Simon Rolfes mit der Idee auf mich zu. Simon wusste, dass ich seinen Job auch schon gemacht hatte und daher weiß, wie viele unterschiedliche Aufgaben das beinhaltet. Im Wesentlichen wird der Geschäftsführer Sport daran gemessen, wie er einen Kader zusammenstellst und welchen Trainer er holt, da bleibt normalerweise relativ wenig Zeit, sich um Dinge zu kümmern, die innerhalb der Mannschaft passieren, die in Schnittstellen passieren, zum Marketing, zur Medienabteilung, zur Medizin. Du brauchst also in einer führenden Position im Fußball immer einen, der irgendwas für dich abwickelt. So ist diese Jobbeschreibung entstanden. Ich bin die Schnittstelle zu allen Abteilungen. Ich sorge dafür, dass das Team, das Trainerteam, die Mitarbeiter Top-Bedingungen vorfinden. Mein Job wird nicht am Schreibtisch erledigt. Mir ist es wichtig, dass ich eine Präsenz habe, sowohl in der Kabine als auch bei den Trainern. Zusätzlich bin ich für die ganzen internen und externen Abläufe, Reisen, Spielbetrieb verantwortlich.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Simon Rolfes?

Es war wichtig für mich, dass es Simon Rolfes ist, mit dem ich so eng kooperiere. Ich weiß nicht, ob ich das unter einem anderen Geschäftsführer Sport gemacht hätte. Wir harmonieren, haben ähnliche Denkweisen. Wir kennen unsere jeweiligen Qualitäten und die besonderen Anforderungen der täglichen Arbeit. So sind wir in der Lage, uns gut miteinander abzustimmen und zu ergänzen. Wichtig ist, dass sich Simon auf die wesentlichen Aufgaben seines Jobs konzentrieren kann. Ich bin dafür da, um die Mannschaft herum die Dinge im Detail zu organisieren und letztlich ihre Umsetzung zu verantworten.

Sie werden auch als Kabinen-Sheriff bezeichnet. Wie empfinden Sie diese Bezeichnung?

Klar, ich kümmere mich um die Abläufe innerhalb der Kabine und sorge dafür, dass es einen reibungslosen Ablauf gibt. Ein bisschen schaue ich auch darauf, dass die Disziplin stimmt, aber das muss man bei dieser Mannschaft fast gar nicht. Wir haben viele erfahrene Profis, das ist zu großen Teilen ein selbstregulierter Prozess innerhalb des Teams. Ich habe mich nicht gegen diesen Begriff gewehrt, aber letztendlich ist er ein bisschen überdreht.

Simon Rolfes hatte 2023 gesagt: „Wir müssen professioneller werden - in der und um die Kabine herum.“ Das klang nach Disziplinproblemen. Hat die neue Hierarchie in der Mannschaft seit dem vergangenen Sommer geholfen?

Ja, es ist das, was ich mit Selbstregulation meinte. Dass man gar nichts machen muss, stimmt nicht. Man hat immer verschiedene Gruppen, die innerhalb einer Kabine agieren. Die muss man schon organisieren. Aber im Wesentlichen haben wir ja vor zwei, zweieinhalb Jahren angefangen, zu überlegen, was uns fehlt. Warum haben wir auf einem guten Niveau gearbeitet, aber letztendlich hat dann doch etwas nicht gepasst - im Nachwuchs, bei den Frauen und den Profis? Wir haben dann angefangen, den Blick verstärkt auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zu richten. Bei den Mitarbeitern, den Physios, den Spielern und den Trainern haben wir Charakterprofile entwickelt. Was erwarten wir bei Bayer 04 auf den einzelnen Positionen von unseren Mitarbeitern? Das hat nun zur Folge, dass wir flächendeckend im Verein einen hohen Prozentsatz an topmotivierten und disziplinierten Mitarbeitern haben. Das macht das Arbeiten einfacher - auf dem Platz und außerhalb des Platzes. Das ist sicherlich ein Teil des Geheimnisses unseres aktuellen Erfolgs. Man muss immer wieder organisieren und Dinge vorgeben, aber je mehr Personen du in diesem Umfeld hast, die gewisse Dinge von sich aus schon vorleben, desto erfolgreicher wirst du sein.

Intrinsische Motivation also...

Das ist ein Stichwort. Es sind noch ein paar mehr. Wir tragen die aber nicht nach außen. Durch diese definierten Persönlichkeitsprofile werden wir Jahr für Jahr besser werden, weil wir immer wieder einen oder eine holen, der oder die das mehr verkörpern als andere. Dann hast du eine starke Truppe.

Thomas Eichin (r) wird von KEC-Gesellschafter Peter Schönberger als Geschäftsfürer der Kölner Haie verabschiedet.

Thomas Eichin (r) wird von KEC-Gesellschafter Peter Schönberger als Geschäftsfürer der Kölner Haie verabschiedet.

An welchen Stellschrauben musste sonst gedreht werden?

Es ging und geht oftmals um Feinheiten. Die Besprechungen und Videositzungen der Trainer und die Analysten zum Beispiel vorbereiten, waren immer auf den Punkt. Die kleinsten Details wurden akribisch gestaltet und präsentiert. Stundenlang. Auch deshalb waren wir so erfolgreich. Die Kabine war eine gute Kabine, aber wir hatten keinen Besprechungsraum. Die Idee war also, einen Besprechungsraum zu bauen. Danach sind noch ein paar andere Ideen dazugekommen, und jetzt haben wir in der Pause alles neu gemacht. Es sieht optisch toll aus, aber viel wichtiger ist, dass es zweckmäßig ist. Für jeden, der da arbeitet, ist das nochmal eine Motivationsspritze.

Und an welchen Stellschrauben muss in der Zukunft noch gedreht werden?

Das ist ein stetiger Prozess. Wir versuchen, jeden Tag gut zu sein - nicht gestern und nicht morgen, es geht immer um heute. Wir haben ein Trainerteam, das das so vorlebt. Ich möchte das auch so vorleben, egal was passiert: Wenn du morgens zur BayArena kommst, dann liefere bitte 120 Prozent ab. Danach kannst du entspannen. Und wenn das jeder für sich persönlich als Ziel hat, dann wird automatisch alles andere besser. Dann hast du jeden Tag einen Spirit in der Kabine, dass du heute deinen Tag gewinnen willst. Oder die besondere Stunde gewinnen willst. Was auch immer. Das muss jeder vorleben. Das muss man auch jedes Mal wieder kontrollieren und immer wieder mal den einen oder anderen darauf hinweisen, dass das eben ein wichtiger Punkt ist. Das ist das eine, aber die Spieler in der heutigen Zeit müssen auch einen gewissen Freiraum haben, um sich zu erholen. Wir leben in einer Zeit, in der enorm viele Informationen auf die Jungs einprasseln. Zusammen mit der Medienabteilung, der Marketingabteilung, der medizinischen Abteilung filtern wir das und gucken: Wo überforderst du einen Spieler oder ein Trainerteam? Was kannst du zulassen und wo musst du sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Das ist ein wichtiger Punkt. Sonst passiert es, dass Erholungsprozesse nicht funktionieren und man nicht fit ist.

120 Prozent jeden Tag – damit ist Bayer 04 Doublesieger geworden. Muss man jetzt genauer hingucken, dass sich nicht zu viel Zufriedenheit einschleicht?

Ja, genau das werden wir tun. Das ist der Punkt. Es geht nicht mehr um Pokalsieg und Meisterschaft 2024. Das haben wir erreicht, das ist gut, aber es geht jetzt weiter. Da mache ich mir aber gar keine Sorgen. Das Trainerteam arbeitet so, auch die Jungs in der Mannschaft sind so drauf. Das kann jeder einordnen. Ich habe keine Bedenken, dass wir wieder einen guten Geist reinkriegen. Dass richtig Zug drin ist, sieht man in den Trainingseinheiten.

Ein Thema, das sie auch nach vorne bringen wollten, ist die Diskussion um eine mögliche Einführung einer Zweiten Mannschaft, einem U23-Team, oder der Aufbau alternativer Strukturen zur gezielten Weiterentwicklung Ihrer Jugendspieler. Gibt es einen neuen Stand?

Wir haben eine klare Aufgabenverteilung: Das ist eine Sache von Simon Rolfes. Wir müssen natürlich schauen, wie wir unsere Talente fördern. Wir haben momentan sehr starke Jahrgänge von 2007 und 2008. Da müssen wir sehen, was wir in anderthalb Jahren mit den Jungs machen. Es gilt, sich ein Konzept zu überlegen, das zu Bayer 04 passt.

Noch ein Thema abseits von Bayer 04: Sie waren Geschäftsführer bei den Kölner Haien. Wie eng verfolgen Sie die Haie noch?

Die Haie werden immer ein kleines Baby von mir sein. Ich war 14 Jahre in der Verantwortung, mit Höhen und Tiefen. Dann ist auch noch mein Schwiegersohn Moritz Müller Kapitän, da kriege ich auch noch viel mit. Ich bin auch mit Geschäftsführer Philipp Walter befreundet. Ich hoffe, dass sich die sportlichen Erfolge mal wieder einstellen. Alles andere machen sie super. Jetzt muss endlich mal auch der Sport da mithalten. Sie müssen mal wieder was reißen mit der Truppe. Ich hoffe, dass es diese Saison klappt.